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Carlos do Carmo – Vermächtnis eines außergewöhnlichen Fadista

Kurz vor seinem Tod stellte der legendäre Fado-Sänger Carlos do Carmo sein letztes Studioalbum “E Ainda…” fertig. Jetzt erscheint es in einer Sonderedition zusammen mit seinem letzten Live-Album “Obrigado!”.
Carlos Do Carmo - E Ainda...
Carlos Do Carmo - E Ainda...
15.04.2021
Diese CD und weitere finden Sie in unserem JazzEcho-Store. 
Das Jahr 2021 hätte für die portugiesische Musikwelt nicht schlechter beginnen können. Denn just am 1. Januar verstarb mit Carlos do Carmo eine der ganz großen, charismatischen Figuren des Fado. Über mehr als fünf Jahrzehnte hinweg hatte der Sänger das Genre modernisiert und ihm immer wieder frische Impulse gegeben. Erst kurz vor seinem Tod stellte der 81-jährige, der 2014 mit einem Latin Grammy für sein Lebenswerk ausgezeichnet worden war, sein letztes ambitioniertes Projekt fertig, an dem er drei Jahre lang akribisch gefeilt hatte. In Zusammenarbeit mit einigen der besten Fado-Komponisten der Gegenwart (u.a. Mário Pacheco und Paulo de Carvalho) vertonte er dafür Werke von international renommierten portugiesischen Autorinnen und Autoren (darunter der experimentelle Lyriker Herberto Helder, Hélia Correia, Sophia de Mello Breyner Andresen und Literaturnobelpreisträger José Saramago), die schon lange auf seiner Wunschliste gestanden hatten. Perfekt abgerundet wird das poetisch-literarische Programm, das unter dem Titel “E Ainda…” erscheint, durch ein Stück des populären Sängers und Songschreibers Jorge Palma, den Carlos do Carmo vor zwanzig Jahren um ein Lied gebeten hatte. Wie durch ein Wunder wurde es gerade noch rechtzeitig vor den Aufnahmen für “E Ainda…”fertig.
E Ainda…” erscheint in einer zwei CDs umfassenden Sonderedition gemeinsam mit Carlos do Carmos letztem Live-Album “Obrigado!”, das am 9. November 2019 im Coliseu dos Recreios in Lissabon aufgezeichnet wurde. Begleitet wurde der Sänger bei beiden Einspielungen von einem überraschend traditionell besetzten, aber wunderbaren Trio mit José Manuel Neto (Portugiesische Gitarre), Carlos Manuel Proença (klassische Gitarre) und José Marino Freitas (akustische Bassgitarre), zu dem sich bei der Live-Aufnahme noch der Klarinettist João Santos gesellte. Als eAlben sind “E Ainda…” und “Obrigado!” auch separat erhältlich.
Obwohl Carlos do Carmo der Fado 1939 buchstäblich in die Wiege gelegt worden war – seine Mutter, Lucília do Carmo, war eine der bekanntesten Interpretinnen des “klassischen” Fado und betrieb gemeinsam mit seinem Vater, Alfredo de Almeida, das O Faia, eines der bedeutendsten Fado-Lokale Lissabons – hatte er selbst mit dieser Musik lange Zeit rein gar nichts am Hut. In seiner Jugend begeisterte sich Carlos stattdessen zunächst für die brasilianischen Klänge von Luiz Gonzaga und Dorival Caymmi sowie etwas später für die Musik von Frank Sinatra und Jacques Brel. Von seinen Eltern wurde er mit 15 Jahren in die Schweiz geschickt, um eine Ausbildung in der Hotellerie zu machen und diverse Fremdsprachen zu lernen. Erst als sein Vater 1962 verstarb, kehrte Carlos nach Lissabon zurück, um die Leitung des O Faia zu übernehmen. Schon bald wagte er sich selbst auf die Bühne, um für Freunde und Gäste zu singen.
Zwei Jahre später wurde aus dem Spaß dann Ernst, als er seine erste Aufnahme als Fado-Sänger machte. Sie entstand in der für Fado ungewöhnlichen Besetzung mit Klavier, Bass, E-Gitarre und weiblichen Background-Sängerinnen und machte gleich klar, dass Carlos mit der Tradition, die seine Mutter gepflegt hatte, brechen wollte. Dieselbe Kreativität und Experimentierlust bewies er im Laufe seiner langen Karriere dann immer wieder neu – etwa bei Auftritten mit der brasilianischen Muse Elis Regina, jungen Fadistas wie Mariza und Camané oder dem Count Basie Orchestra sowie 2011 durch eine Aufnahme mit dem portugiesischen Jazzpianisten Bernardo Sassetti.
Carlos do Carmo hat der Musikwelt ein enormes Vermächtnis hinterlassen. Und der Einfluss, den er auf Generationen von jüngeren Fadistas ausübte, wird noch lange Nachwirkungen haben. Besser als mit den beiden Alben “Obrigado!” und “E Ainda…” hätte sich Carlos do Carmo wohl kaum von der Bühne des Lebens verabschieben können.