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ECM-Jahresrückblick 2015, Teil 2 – Exzellenz in Hülle und Fülle

Julia Hülsmann
Julia Hülsmann© Volker Beushausen / ECM Records
03.12.2015
Die zweite Folge unserer Presseschau wirft einen Blick auf Alben von Julia Hülsmann, Savina Yannatou, Mathias Eick, Elina Duni, Andy Sheppard und Keith Jarrett.

Julia Hülsmann 4tet w/Theo Bleckmann: Eine der großartigen  Jazzbearbeitungen der Songs von Kurt Weill

Mit der Kurt-Weill-HommageA Clear Midnight: Kurt Weill And America” ist dem Julia Hülsmann Quartett und Theo Bleckmann eines der Überraschungsalben des Jahres gelungen. In Audio schwärmte Matthias Inhoffen: “Die beiden sind ein Dream Team: die Bonner Pianistin Julia Hülsmann, deren Spezialität es ist, den Versen von Lyrikern und Bühnenautoren ein musikalisches Gewand maßzuschneidern, und der Dortmunder Sänger Theo Bleckmann, dessen Phrasierungen etwas Magisches haben. Weltberühmte Evergreens (‘Mack The Knife’‚'September Song') und weniger bekannte Melodien (‘River Chanty’, ‘Little Tin God’) aus Weills Werk stehen hier neben Hülsmanns Vertonungen von Gedichten des amerikanischen Schriftstellers Walt Whitman, den Weill hoch schätzte – all das in makellosem Klang (auch hier ein Dream Team am Werk: Manfred Eicher und Jan Erik Kongshaug produzierten im Osloer Rainbow Studio einen straffen und anspringenden state-of-the-art-Sound).” Im britischen Guardian meinte John Fordham: “Eine der großartigen Jazzbearbeitungen der Songs von Kurt Weill… bei diesem wundervoll gestalteten Projekt sitzt jeder Ton an der richtigen Stelle, und trotzdem klingt alles zugleich offen und spontan.”

Savina Yannatou & Primavera en Salonico: Musikalisches Panorama von verwunschener Schönheit

Auf ihrem vierten ECM-AlbumSongs Of Thessaloniki” taucht die Sängerin Savina Yannatou tief in die reiche, komplexe und multikulturelle Geschichte der Heimatstadt ihrer Band Primavera en Salonico ein. “Die griechische Hafenstadt Thessaloniki war einst ein Schmelztiegel der Kulturen”, berichtete Frank von Niederhäusern im Kulturtipp. “Türken, Bulgaren, Armenier und Serben, Juden und Muslime haben ihre Spuren hinterlassen. Savina Yannatou und ihre Band Primavera en Salonico bringen das alte Liedgut zum Klingen […] Ein musikalisches Panorama von verwunschener Schönheit.” Im Jazzpodium meinte Jörg Konrad: “Magisch ist auch das neue Album der griechischen Sängeirn Savinna Yannatou. Mit dem Ensemble Primavera en Salonico hat sie einen Zyklus von Volksliedern eingespielt, die einst Teil der mittlerweile über 2300 Jahre alten Hafenstadt Thessaloniki waren […] Und über allen schwebt der zarte und berührende Gesang Savina Yannatous, der der Vergangenheit eine Seele gibt und der Moderne eine stimmliche Identität. Musik als gelebte Toleranz.”

Mathias Eick: Melodische Stücke voller Tiefe und Ausdruck

Auf dem Album “Midwest” hat sich der norwegische Trompeter Mathias Eick auf die Suche nach Spuren seiner Landsleute im Mittleren Westen der USA begeben. Eick, ein stark vom nordamerikanischen Jazz beeinflusster Improvisator und Komponist, integriert dabei in seine Stücke Farben und Texturen norwegischer Folkmusik. “Seine ersten beiden ECM-Aufnahmen wiesen Eick als eine der glänzendsten jungen Trompetenstimme im Jazz mit einem ganzen eigenen lyrischen Konzept aus”, meinte Thomas Conrad in der Jazz Times. “Eine einzelne persönliche Entscheidung macht sein drittes ECM-Album einzigartig. Einem Quartett mit Standardbesetzung (Pianist Jon Balke, Bassist Mats Eilertsen und Schlagzeuger Helge Norbakken) fügt Eick die Violine von Gjermund Larsen hinzu. […] Larsens Wurzeln liegen in folkloristischen und traditionellen Genres. Seine Geige schlägt eine Brücke von den Fjorden nach Nashville.” Im Stern schrieb Tobias Schmitz über das Album: “Sehnsucht und Heimweh, Rückschau und Hoffnung – all das kleidet Eick in melodische Stücke voller Tiefe und Ausdruck. Hoffentlich wird zu dieser Musik bald der atmosphärisch passende Film gedreht.”

Elina Duni Quartet: Blues vom Balkan

Die aufwühlende Geschichte des Balkans hat viele anrührende Lieder über die Liebe und das Exil hervorgebracht. Auf “Dallёndyshe” versammelte die Sängerin Elina Duni zwölf solcher Stücke, die ihre Wurzeln vor allem in der albanischen Volksmusik haben. “Etwas vom Faszinierenden an der Musik des Balkans, an vieler Volksmusik, ist die Vorstellung, dass Schmerz gesungen werden muss”, teilte Peter Rüedi in der Weltwoche mit. “Und im Gesang wird er überwunden. Darum geht es natürlich auch im Blues, eine vergleichbare Sensibilität findet sich in diesen albanischen Liedern über Exil und verlorene Liebe. In einem Teil der balkanischen Musik wird der Schmerz weggetanzt – und im Gegensatz dazu erweisen sich Lieder, die zuerst fröhlich scheinen, in Rhythmus und Melodie, bei genauem Hinhören als keineswegs fröhlich. ‘Dallëndyshe’ (die Schwalbe) ist eine Sammlung bewegender, ja mitreißender, hoch emotionaler (aber nie gefühliger) Lieder, verständlich auch jenseits der im Booklet auf Englisch übersetzten Texte.” Im Folkmagazin Folker meinte Rolf Beydemüller: “Tranceartig erzählen die Lieder voll Melancholie und Zuversicht von Liebe und Exil. Betörend schön besingt die albanisch-schweizerische Sängerin Zerrissenheit und Verbundenheit des Balkans. Dem gut aufeinander eingespielten Quartett ist ein Album aus einem Guss gelungen.”

Andy Sheppard Quartet: Klanglandschaften voller zarter Anmut und lyrischem Zauber

Für “Surrounded By Sea” hat der Saxophonist Andy Sheppard sein gefeiertes Trio Libero durch den Gitarristen Eivind Aarset zum Quartett erweitert. Die Musik des Albums ist so unberechenbar und launenhaft wie das Meer, um das es thematisch in diesen nachdrücklich atmosphärischen Aufnahmen geht. “Einen so schönen Ton haben nur die wenigsten”, befand Roland Spiegel auf BR-Klassik. “Dieser Saxophonist spielt enorm weich, biegsam – und zugleich mit einer besonderen Konturenschärfe. Der Engländer Andy Sheppard schmiegt hier seine herrlichen Töne in ein neues Gewand. Da ist diese Gitarre, die den Tenorsaxophonsound manchmal wie in einen klingenden Lichtschein einhüllt. Es ist die E-Gitarre des norwegischen Elektronik-Freaks Eivind Aarset. Sheppard, Aarset, der Bassist Michel Benita und der im Untergrund ganz fein rumorende Drummer Sebastian Rochford bilden hier ein Quartett, das hohe musikalische Dichte mit sehr viel Sauerstoff anreichert. Man wird mitgerissen – und kriegt dennoch genug Luft. […] Weit offene Landschaften erschließt der große Melodiker Andy Sheppard hier. Es sind Landschaften voller zarter Anmut – und von einem lyrischen Zauber, der immer wieder überrascht.”

Keith Jarrett: Balance zwischen sensibler und energischer  Tongestaltung

Am 8. Mai 2015 feierte Keith Jarrett seinen 70. Geburtstag. Am selben Tag erschienen zwei neue Alben des Pianisten, die vollkommen unterschiedliche Facetten dieses einzigartigen Künstlers beleuchten: “Samuel Barber/Béla Bartók” enthielt unveröffentlichte Aufnahmen aus den mittachtziger Jahren. Begleitet von zwei klassischen Orchestern interpretiert Jarrett Klavierkonzerte von Barber und Bartók. Für das Soloalbum “Creation” fügte Jarrett improvisierte Konzertaufnahmen aus dem Jahr 2014 zu einer Suite zusammen. “So konzentriert in der Struktur, so klar und fast grafisch konturiert hat man ihn in seinen Solo-Improvisationen selten gehört”, urteilte Wolf Kampmann in Jazz thing über “Creation”. “Die bewusste Auswahl aus vier unabhängigen Konzerten ordnet sich zu einer Suite, die einmal mehr große Lust an der spontanen Gestaltung, aber auch an der retrospektiven Auslese und Bewertung verrät.” Im Fono Forum schrieb Gerd Filtgen: “Das Klangbild ist reich an faszinierenden Details: Vielfach ist – wie im sechsten Part – die singuläre Anschlagskultur des Pianisten zu bewundern. Sie bewirkt eine ausgewogene Balance zwischen sensibler und energischer Tongestaltung. Mit dem neunten Teil vollendet Keith Jarrett sein episches Werk, das einen weiteren Meilenstein im Schaffen des Künstlers bildet.”