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Ashes to Gold
Ashes to Gold
Ashes to Gold
VÖ: 11. Oktober 2024
ECM Sounds, Avishai Cohen (Trompete)

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Rezensionen und News von ECM Sounds

Wechselbad der Emotionen
In den ersten Minuten von “Ashes To Gold”, der dramatischen fünfteiligen Suite, mit der Avishai Cohen sein neues Album eröffnet, überrascht der Trompeter aus Tel Aviv mit ungewohnten Flötentönen. Mit ihnen schafft er eine verträumte, fast idyllische Atmosphäre, die aber schon bald darauf zerrissen wird. Was folgt, ist ein Album mit überaus intensiver und hochkonzentrierter Musik, in der Cohen und seine Bandkollegen – Pianist Yonathan Avishai, Bassist Barak Mori und Schlagzeuger Ziv Ravitz – die tiefen Spannungen einer unruhigen Zeit widerspiegeln.Mit dem Titel der Suite verweist Avishai Cohen auf eine traditionelle japanische Reparaturmethode für Keramik namens Kintsugi (japanisch für Goldverbindung), “bei der man Altes und Zerbrochenes nimmt und versucht, die Teile [mit einer Kittmasse, die feines Goldpulver enthält] wieder zusammenzufügen, um etwas Goldenes und Schönes aus den Fragmenten entstehen zu lassen”, erläutert der Trompeter. “In gewisser Weise denke ich, dass dies der Punkt ist, an dem wir uns derzeit befinden. Das ist unsere Realität. Und obwohl diese Musik unweigerlich das widerspiegelt, was gerade geschieht, so trägt sie – in meiner Wunschvorstellung – doch ein bisschen Hoffnung in sich. Zumindest ist sie nicht nur düster.”Im vergangenen Herbst wollte sich Cohen, der seit 2019 wieder in Tel Aviv lebt, einen ganzen Monat freinehmen, um die Musik für ein neues Album zu schreiben. Die neuen Stücke beabsichtigte er danach erst einmal bei ein paar Konzerte seinem Publikum vorzustellen, bevor er in Südfrankreich zur Aufnahme seines sechsten ECM-Albums ins Studio gehen wollte. Die verheerenden Ereignisse des 7. Oktobers 2023 setzten den Kompositionsplänen jedoch ein jähes Ende."Ich konnte nichts schreiben", erzählt Avishai Cohen. “Ich konnte nicht einmal mehr meine Trompete anfassen. Anfang November sagte ich meinem Pianisten Yonathan Avishai, dass ich die Tournee und die Aufnahmen absagen müsste. Aber er meinte: ‘Nein, wir müssen rausgehen und Musik machen.’ Er sagte es mit einer solchen Bestimmtheit und Überzeugung, dass ich sofort wusste, dass er recht hatte.”Der größte Teil der “Ashes To Gold”-Suite entstand im Grunde genommen in der komprimierten Zeitspanne von einer Woche, “als die Verrücktheit dieses Krieges in vollem Gange war. Raketen flogen über meinen Kopf, Alarme und Sirenen heulten auf und so weiter. Hat all das die Musik beeinflusst? Wie könnte es das nicht tun?” Dementsprechend durchläuft die Suite das ganze Spektrum der Emotionen, von wütend über wachsam bis hin zu zutiefst melancholisch, und bringt in jeder dieser Stimmungslagen bewegende Darbietungen hervor.  Im Verlauf der Tournee erweiterte Cohen der Musik noch um neue Abschnitte und nutzte die Soundchecks, um sie mit der Band einzustudieren. “Nach einer Probe in Rumänien wusste ich, dass mir noch ein Thema fehlte. Ich hatte bereits die Klangfarbe und den Sound in meinem Kopf, aber ich musste das Thema erst noch schreiben. Der örtliche Promoter fand für mich ein Studio mit einem kleinen Casio, das ich nutzen konnte, um die Musik zu komponieren.” Daraus wurde Teil III der Suite, in dem Avishais zarte lyrische Melodielinie über der ernsten Meditation von Kontrabass und Klavier schwebt.Der Input der Gruppe – allesamt hochbegabte Musiker, die seit langem mit Cohens Klangwelt vertraut sind – war diesmal anders als der, den sie auf Avishais früheren ECM-Alben “Into The Silence”, “Cross My Palm With Silver” und “Naked Truth” geleistet hatten. “In der Vergangenheit habe ich der Band die Musik in der Regel erst im Studio vorgelegt. Und meine Haltung war oft: ‘Nun, das ist, was ich geschrieben habe, also macht euer Ding und lasst mich eure improvisierte Interpretation hören.’ Aber dieses Mal zeigte ich Yonathan und Barak einen Teil der Kompositionen, bevor wir Israel verließen. Wir hatten etwa eine Woche Zeit, um an ihnen zu arbeiten, und zwar auf viel detailliertere Weise als sonst. Ich habe noch nie zuvor so genau gewusst, was ich auf einem Album hören wollte. Jeder Schlagzeug-Beat, jede rhythmische Betonung, jedes Crescendo wurde besprochen und definiert. Wie die Noten gespielt, platziert und phrasiert werden sollten, was genau jeder von uns in jedem Abschnitt tun sollte…"”Mit unverhohlener Emotion widmete Cohen seine neue Suite einem sofortigen Waffenstillstand, wobei er hinzufügte, dass Musik lauter spricht als Worte", hieß es in einer Besprechung des Auftritts der Band in der Vredenburg Concert Hall in den Niederlanden. “Was dann folgte, war von einer besonderen und seltenen Ausdruckskraft, die man heutzutage in der Musik nicht mehr so leicht findet oder hört. Er begann langsam auf der Flöte mit einem weichen und warmen Thema, das sich, als er zur Trompete wechselte, schlagartig in eine stürmische und dunkle Passage voller Unruhe, dunkler Klavierakkorde, schwerer Bässe und hart akzentuierter Drum-Beats verwandelte. Unmöglich, nicht daran zu denken, was gerade im Nahen Osten passiert. Es ist spannend, wie Cohen den Sound seiner Trompete über Pedale steuert, um die Verzweiflung zu betonen, wie er mit seiner Band kommuniziert und vor allem auf die Erzählungen der einzelnen Bandmitglieder reagiert…”Die melodische Direktheit des Stücks “The Seventh”, mit dem das Album schließt, bietet einen tröstlichen Kontrast zur Komplexität der Suite. Komponiert wurde es von Avishai Cohens Tochter Amalia, die noch ein Teenager ist. “Ich liebe ihre Melodie, und ich dachte, dass sie nach all der intensiven Musik wirklich gut auf das Album passen würde. Ich selbst hätte solch eine Melodie nie schreiben können. Also nahm ich sie heimlich auf, als sie das Stück spielte, und spielte der Band die Aufnahme vor. Wir überraschten Amalia dann damit, dass wir das Stück bei den Konzerten vor der Studiosession spielten.”Als Bindeglied zwischen den Werken der beiden Cohens wird das eindringliche Adagio assai aus Maurice Ravels Klavierkonzert in G-Dur aufgeführt. Das Quartett hat es bei seinen Konzerten häufig im Programm gehabt. Das Opus, von Ravel zwischen 1929 und 1931 komponiert, weist Einflüsse von Mozart und Saint-Saëns, aber auch von Jazz, Spirituals und baskischer Volksmusik auf. Mit seinem transkulturellen Ansatz war es zukunftsweisend.  Avishai Cohen bewundert das Werk seit langem. “Ich habe es in den Covid-Jahren praktisch ununterbrochen gehört, vor allem Martha Argerichs Version.  Zu Hause habe ich dann zu ihrer Aufnahme des Stücks mitgespielt.” Letztes Jahr wurden Avishai Cohen und Yonathan Avishai zum Martha Argerich Festival in die Hamburger Laieszhalle eingeladen. Dabei erhielt der Trompeter die Gelegenheit, mit der charismatischen Klassikpianistin selbst aufzutreten und Musik von Ravel zu spielen: “Das war unglaublich. Eine große Ehre und einer der Höhepunkte in meinem musikalischen Leben.”Im November geht das Avishai Cohen Quartet mit dem Programm von “Ashes To Gold” auf eine Europa-Tournee, in deren Verlauf es am 2. November beim Enjoy Jazz Festival in Mannheim auftritt. Weitere Konzerte für das Frühjahr 2025 sind in Planung.
vor 2 Tagen
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