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Zum Tod von Rudy Van Gelder – der Meister hinter den Meistern

Rudy Van Gelder mit Alfred Lion
Rudy Van Gelder mit Alfred Lion
26.08.2016
Rudy Van Gelder ist schlicht und ergreifend der beste Toningenieur in der Geschichte des Jazz”, kann man im All Music Guide lesen. “Zwischen 1953 und 1967 zeichnete er für so ziemlich jede Aufnahmesession beim Blue-Note-Label (neben Tausenden anderen) verantwortlich…” Bei wievielen Aufnahmen er genau am Mischpult saß, wusste Rudy Van Gelder in Zahlen selbst nicht auszudrücken (AMG listet rund 3.500 Alben auf, Discogs kommt auf 3.060!)
Gegenüber der New York Times meinte er 1988: “Ich glaube, ich war, aus technischer Sicht, an mehr Platten beteiligt als irgendwer sonst im Plattengeschäft.” Doch was letztendlich zählt, ist nicht die Quantität, sondern die Qualität. Und die lieferte Rudy Van Gelder – kurz auch RVG genannt – über Jahrzehnte hinweg mit bestechender Zuverlässigkeit.
Zu den zahlreichen Jazzklassikern, bei deren Aufnahme er am Mischpult saß, zählen John Coltranes “A Love Supreme”, Miles Davis’ “Walkin’”Sonny Rollins’ “Saxophone Colossus”, Art Blakeys “A Night At Birdland”, Herbie Hancocks “Maiden Voyage”, Cannoball Adderleys “Somethin’ Else”, Wayne Shorters “Night Dreamer”, McCoy Tyners “The Real McCoy” und Horace Silvers “Song For My Father”.
Und das ist wirklich nur die Spitze des Eisbergs. Anders als andere bekannte Tonmeister, die den Sound eines einzigen Labels definierten (etwa Jan Erik Kongshaug bei ECM Records oder Hans Georg Brunner-Schwer bei MPS), war Rudy Van Gelder für eine ganze Reihe der führenden US-amerikanischen Jazzlabels tätig.
Seine ersten Aufnahmen machte der am 2. November 1924 in Jersey City/New Jersey geborene Rudy Van Gelder mit Amateurbands im Wohnzimmer seines Elternhauses in Hackensack/New Jersey. Einer der Musiker, die dort spielten, stellte 1952 den Kontakt zu dem Blue Note-Gründer und Produzenten Alfred Lion her, für dessen exzellentes Label der junge Toningenieur dann erstmals professionelle Sessions mitschneiden durfte.
Innerhalb weniger Jahre genoss Rudy Van Gelder einen so fantastischen Ruf, dass auch andere in und um New York ansässige Jazzlabels an ihn herantraten: darunter Prestige Records und Savoy Records. Im Sommer 1959 zog Van Gelder in ein größeres Studio nach Englewood Cliffs/New Jersey um. Wie zuvor schon das Studio in Hackensack (Thelonious Monk komponierte sogar ein Stück mit diesem Namen), so wurde auch das in Englewood Cliffs schnell zu einem Synonym für überragende musikalische und tontechnische Aufnahmen.
Zu den Musikern, die damals in Van Gelders Studios ein- und ausgingen, zählten neben Monk noch Miles Davis, Sonny Rollins, das Modern Jazz Quartet, Wayne Shorter, Eric Dolphy und John Coltrane. Auch für Verve Records und später, in den 70er Jahren, Creed Taylors CTI Records war Rudy Van Gelder als Tonmeister tätig. Geschätzt wurde von vielen Musikern, Produzenten und audiophilen Fans stets das warme und natürliche Klangbild der Van Gelder-Aufnahmen.
Lediglich mit Charles Mingus hatte er es sich einst verscherzt. “Er versucht den Ton der Leute zu verändern”, klagte der streitbare Bassist 1960 in einem Blindfold-Test mit DownBeat. “Ich war dabei, als er dies tat. Ich war dabei, als er das Mikrophon für Thad Jones so plazierte, dass es seinen ganzen Klang veränderte. Deshalb arbeite ich nicht mit ihm; er hat einmal den Klang meines Basses ruiniert.”
Mit seiner harschen Kritik stand Mingus freilich ziemlich alleine auf weiter Flur. Wie Monk mit “Hackensack” widmeten auch viele andere Musiker dem Toningenieur ihres Vertrauens eigene Kompositionen: darunter Duke Pearson (“Ready, Rudy?”), Jimmy Hamilton (“Route 9W”, benannt nach dem Highway, der von New York nach Englewood Cliffs führt), Charles Earland (“Blues For Rudy” und “I’m Rudy’s Blues”), Jay McShann (“Rompin’ At Rudy’s”), Pee Wee Russell (“Englewood”), Cliff Jackson (“Blues In Englewood”) und Valery Ponomarev (“High Voltage At Rudy’s”).
Sogar die Beastie Boys zollten ihm 2004 auf ihrem Album “To The 5 Boroughs” in dem Stück “Now Get Busy” mit der Zeile “Got mad technique like Rudy Van Gelder” Tribut. In seinen letzten Lebensjahren widmete sich Rudy Van Gelder vor allem der klangtechnischen Überarbeitungen früherere Aufnahmen. Zunächst in der “Rudy Van Gelder Edition” (“RVG Edition”) für Blue Note, danach in der “Rudy Van Gelder Series” (“RVG Series”) für Prestige Records.
2009 wurde der Toningenieur vom National Endowment for the Arts (NEA), der einzigen staatlichen Kulturfördereinrichtung der USA, für sein Lebenswerk zum NEA Jazz Master geadelt. 2013 zeichnete ihn die Audio Engineering Society (AES) mit einer Goldmedaille aus. Jetzt ist Rudy Van Gelder am 25. August daheim in seinem einzigartigen Klangreich in Englewood Cliffs im Alter von 91 Jahren verstorben.