Zum Tod von Pharoah Sanders – ein feuerspeiender Drache am Tenorsaxofon
Im Alter von 81 Jahren ist am 24. September in Los Angeles der Tenorsaxophonist Pharoah Sanders gestorben, der zu den Pionieren des spirituellen Jazz gehörte.
Pharoah Sanders(c) Verve Records
26.09.2022
“Keiner spielte das Tenorsaxofon so wie Pharoah Sanders”, beginnt der britische Kenner Charles Waring seinen Nachruf auf udiscovermusic und liefert dann eine der besten Beschreibung des Saxofonisten. “Wenn er sein Horn blies, glich er einem feuerspeienden Drachen. Er spielte es so laut und mit einer so leidenschaftlich-wilden Intensität, dass seinem Horn ein aufschreckend gespenstisches Geheul entwich, als ob ein Hurrikan mit einem Flammenwerfer gekreuzt worden sei; ein Klang, der eine wuchtige und brennende physische Präsenz hatte und dennoch von einem Gefühl tiefer Spiritualität strotzte. Er war rau, hart und kräftig und konnte dennoch auch unglaublich zart und schön sein…”
Pharoah Sanders war am 13.Oktober 1940 in Little Rock, Arkansas, als Ferrell Sanders zur Welt gekommen. Schon früh ließ er sich von seinen Eltern für die Musik begeistern und probierte in seiner Jugend eine Reihe von Instrumenten aus, bevor er in der Highschool schließlich beim Tenorsaxofon landete. Da er auch ein talentierter Maler war, besuchte er das City College in Oakland, Kalifornien, wo er Kunst und Musik studierte. In dieser Zeit befreundete er sich mit John Coltrane, als dieser dort mit der Band von Miles Davis gastierte. Es war eine Begegnung, die sein weiteres Leben zutiefst prägen sollte. 1961 zog Sanders Coltrane nach New York hinterher, hatte dort aber anfangs erhebliche Mühe, sich über Wasser zu halten. Das Blatt begann sich erst ab 1963 zu seinen Gunsten zu wenden, als er erste Aufnahmen mit Bands von Don Cherry und Paul Bley sowie mit Sun Ra & His Solar Arkestra machen konnte. Von Sun Ra erhielt Sanders in dieser Zeit auch seinen Spitznamen Pharoah.
1965 nahm John Coltrane den Youngster unter seine Fittiche und spielte mit ihm eine Reihe von wichtigen Alben wie “Ascension” und “Meditations” für Impulse! Records ein. Seine ureigene Variante des spirituellen Jazz stellte Pharoah Sanders 1967 auf seinem Impulse!-Debütalbum “Tauhid” vor. Bis 1973 nahm er zehn weitere Alben für das Label von Bob Thiele auf, darunter die Meisterwerke “Karma” (mit einer hypnotisierenden, über 30-minütigen Version seines ikonischen Songs “The Creator Has A Master Plan”), “Jewels Of Thought”, “Thembi” und “Black Unity”. Nach Coltranes Tod war Sanders auch an der Aufnahme dreier bahnbrechender Alben von Alice Coltrane beteiligt, der Klavier und Harfe spielenden Witwe des Saxofonisten.
Auf die überaus erfolgreichen Impulse!-Jahre folgte für Pharoah Sanders eine unstete Zeit, in der er häufiger das Label wechselte und Alben von stark schwankender Qualität aufnahm. Erst in den 1990ern fand er durch die fruchtbare Zusammenarbeit mit dem Bassisten und Produzenten Bill Laswell wieder zu alter Stärke zurück und stieg durch seine Aufnahmen für “Stolen Moments: Red Hot + Cool” sowie die beiden Verve-Alben “Message From Home” und “Save Our Children” bei einem neuen Publikum zum Kultstar auf. Die letzten beiden Alben unter seinem Namen brachte Sanders, der seit seinem Weggang von Impulse! Records 1973 immer wieder mit Plattenlabels gehadert hatte, 2003 heraus. Danach tauchte er nur noch auf Einspielungen anderer Künstler auf. Erst 2021 sorgte Pharoah Sanders wieder für Schlagzeilen, als er mit dem britischen Elektromusiker und Produzenten Floating Point sowie dem London Symphony Orchestra das hochgelobte Album “Promises” vorlegte, das Pitchfork als “eindeutiges Meisterwerk seiner späten Karriere” bezeichnete. Jetzt ist Pharoah Sanders am 24. September (einen Tag nach dem Geburtstag seines einstigen Mentors John Coltrane) im Alter von 81 Jahren in Los Angeles verstorben.