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Tubby Hayes – Wiederentdeckung eines “kleinen Giganten”

50 Jahre nach ihrer Einspielung erscheinen unter dem Titel “Grits, Beans And Greens” verloren geglaubte Studioaufnahmen der britischen Tenorsax-Legende Tubby Hayes.
Tubby Hayes Quartet at Western Hotel 20.05.1969
Tubby Hayes Quartet at Western Hotel 20.05.1969Yvonne Serne
25.07.2019
Einst Weggefährte des bekannteren Ronnie Scott, ist Tubby Hayes außerhalb Großbritanniens, wo er heute noch als Idol verehrt wird, weitestgehend in Vergessenheit geraten. Das könnte sich nun schlagartig mit der Veröffentlichung von “Grits, Beans And Greens: The Lost Fontana Sessions” ändern. Denn die nie zuvor veröffentlichten und erst kürzlich entdeckten Studioaufnahmen präsentieren den großartigen britischen Tenorsaxophonisten im Zenit seines Könnens. In der internationalen Jazzpresse werden die Aufnahmen von 1969, die nun auf CD, Vinyl und in einer Deluxe-Edition mit zwei CDs erscheinen, bereits als eine der Jazz-Sensationen des Jahres gefeiert.
Zu hören ist er im Quartett mit dem Pianisten Mick Pyne, Bassist Ron Mathewson und Drummer Spike Wells sowie einem Programm aus drei Eigenkompositionen und zwei Standards. Die Deluxe-Edition im schmucken Hardcover und mit dickem Booklet bietet dreizehn zusätzliche Takes, von denen drei anstelle von Pyne den Gitarristen Louis Stewart featuren.
Der preisgekrönte britische Jazzsaxophonist Simon Spillett, der 2017 eine hochgelobte Hayes-Biographie vorlegte (“The Long Shadow Of The Little Giant: The Life, Work and Legacy of Tubby Hayes”), meint: “Wenn Aufnahmen, die verloren gingen oder über deren Existenz immer nur gemunkelt wurde, endlich das Tageslicht erblicken, gibt es manchmal einen gewissen Antiklimax oder die Notwendigkeit, sie so zu schönzureden, dass sie wichtiger erscheinen als sie in Wirklichkeit sind. Diese Sessions sind aber in jeder Hinsicht absolute Klassiker. Es ist ein Album, das einen ebenbürtigen Platz an der Seite der besten Platten von Coltrane, Rollins oder Dexter Gordon einnehmen kann. Es ist wirklich ein verlorengegangenes Meisterwerk, da gibt es kein Vertun.”
 Als er die Sessions für “Grits, Beans And Greens” einspielte, war der in London geborene Edward “Tubby” Hayes schon seit vielen Jahren eine der bedeutendsten britischen Jazzgrößen. Auf den zahlreichen Alben, die er seit 1955 unter eigenem Namen herausgebracht hatte, war er nicht nur mit der Crème de la Crème der damaligen britischen Jazzszene zu hören, sondern auch mit US-amerikanischen Größen wie Roland Kirk, Clark Terry, James Moody, Eddie Costa, Horace Parlan oder Walter Bishop Jr. Darüber hinaus hatte er mit Quincy Jones, Ella Fitzgerald und Duke Ellington gearbeitet und wurde von Miles Davis, Cannonball Adderley und Sonny Rollins bewundert. In dem Spielfilm “All Night Long” trat er 1962 an der Seite von Dave Brubeck und Charles Mingus auf. Außerdem moderierte er in den frühen 1960ern eine eigene Fernsehsendung, was ihn sozusagen zum ersten “Tele-Tubby” machte.
Tragischerweise ging es mit der Gesundheit des “little giant” (wie ihn sein britischer Saxophonkollege Benny Green getauft hatte) schon kurz nach der Einspielung von “Grits, Beans And Greens” rapide bergab. Erst erschwerten ihm Atemprobleme das Spielen, dann lag er 15 Monate mit einer Infektion im Krankenhaus und musste binnen drei Jahren zwei Herzoperationen über sich ergehen lassen. Die letzte überlebte er nicht. Am 8. Juni 1973 verstarb Tubby Hayes im Alter von nur 38 Jahren.
“Es ist kaum zu fassen, dass diese Musik fünfzig Jahre ungehört in den Archiven herumlag, sie klingt so frisch”, sagt Spillett. “Es besteht kein Zweifel daran, dass man diese Aufnahmen, wenn sie damals veröffentlicht worden wären, als Tubbys letztes großartiges Album betrachtet hätte.”