Auf dem Doppelalbum “Shirley Horn With Friends” präsentiert sich die Pianistin und Sängerin Seite an Seite mit Freunden wie Miles Davis, Herbie Hancock und Joe Henderson.
Shirley HornLarry Busacca
02.05.2018
“Zu viele Musiker hetzen mit zu vielen Noten durch alles hindurch”, monierte Sängerin und Pianistin Shirley Horn einmal. “Ich brauche Zeit, um mir ein Bild zu machen. Eine Ballade sollte eine Ballade sein. Es ist wichtig zu verstehen, was ein Song sagt, und zu lernen, wie man seine Geschichte erzählt. Es braucht Zeit. Ich kann es nicht überstürzen.” Selten war die Entdeckung der Langsamkeit so verführerisch wie bei den Aufnahmen der 2005 verstorbenen Künstlerin. Jede Menge Beweise dafür findet man nun auf dem Doppelalbum “Shirley Horn With Friends”.
“Was für eine Stimme!” denkt man, wenn man Shirley Horn das erste Mal hört. Tief, samtig, cool, aber trotzdem voller Seele und leisem Feuer. Unterlegt hat sie diese magische Stimme stets mit ihrem delikat swingenden Pianospiel, das wie ein feminines Gegenstück zum kraftvoll maskulinen Stil ihres großen Vorbilds Oscar Peterson wirkte. Trotzdem fand Horn beim breiten Publikum erst in ihren beiden letzten Lebensjahrzehnten die ganz große Anerkennung. Ab 1987 nahm sie ein gutes Dutzend Alben für Verve Records auf, die von der Kritik gefeiert wurden und immer mehr Hörer verzückten. Die plötzliche Popularität bescherte Shirley Horn neun Grammy-Nominierungen und 1999 schließlich auch einen Grammy-Gewinn.
Einer, der Horn sehr viel früher entdeckt und als Mentor gefördert hatte, war Miles Davis. Nachdem der Trompeter 1960 ihr ansonsten kaum beachtetes Debütalbum “Embers And Ashes” gehört hatte, ließ er die junge, noch vollkommen unbekannte Shirley Horn bei einigen Konzerten im New Yorker Village Vanguard in seinem Vorprogramm auftreten. Die Freundschaft zwischen den beiden hielt bis zum Tod von Miles. Tatsächlich absolvierte der Trompeter ein Jahr vor seinem Ableben einen letzten, seltenen Auftritt als Sideman auf Horns Album “You Won’t Forget Me”. Und das, obwohl auf diesem auch seine Nemesis Wynton Marsalis gastierte. Die Freundschaft mit Shirley war dann offensichtlich doch stärker als die Rivalität mit Wynton. Auch andere Größen des Jazz ließen sich nicht zweimal bitten, wenn sie zu Horn ins Studio oder auf die Bühne gebeten wurden.
Das Doppelalbum “Shirley Horn And Friends” versammelt jetzt ihre schönsten und wichtigsten Kollaborationen mit bedeutenden Kollegen, darunter auch eine bislang unveröffentlichte Aufnahme. Neben Miles und Wynton treten hier an Shirleys Seite Jazzlegenden wie Herbie Hancock, Joe Henderson, Toots Thielemans, Oscar Castro-Neves, Ron Carter, Gary Bartz und Ahmad Jamal in Erscheinung, aber auch jüngere Jazzstars wie Branford Marsalis und Roy Hargrove. Die insgesamt 28 Tracks fügen sich zu einem schillernden Porträt einer der ganz großen Balladen-Spezialistinnen des Jazz zusammen.