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Sein Instrument war die Big Band – CD-Box zum Herbolzheimer-Jubiläum

Peter Herbolzheimer - Hip Walk
Peter Herbolzheimer - Hip Walk
03.12.2015
Her. Bolz. Hei. Mer. Vier Silben, die die deutsche Musiklandschaft im Allgemeinen und den deutschen Jazz im Speziellen prägten wie wenige vor ihnen. Vier Silben, mit denen das Meiste, um nicht zu sagen, das Wichtigste zum Thema Deutsche Big Bands nach 1945 gesagt ist. Und zwar noch heute. Fünf Jahre nach dem Tod des gebürtigen Bukaresters gelten die von ihm gesetzten Klangstandards noch immer als Maßstab; orientieren sich Monika Roscher, Claudio Puntin, die Jazz Big Band Graz und viele andere noch immer an den Klang-gewordenen Leuchttürmen, die der Mann mit der Posaune zusammen mit seinen Klangkörpern schuf. Die neue Box “Hip Walk – The Complete Polydor Recordings” fasst die entscheidenden Jahre Herbolzheimers Schaffens als Big-Band-Leader auf vier CDs plus ausführlichem Booklet zusammen.
Ob als “Certain Lions & Tigers”, “Galactic Light Orchestra” oder “Rhythm Combination & Brass” – die Namen, auf die Herbolzheimer seine Orchester taufte, hatten immer einen direkten Bezug sowohl auf seine Sound-Visionen als auch auf sein Selbstverständnis als Band-Leader: kompromisslos innovativ, rhythmisch aggressiv, klanglich nach den Sternen greifend. “Mich interessiert fast ausschließlich stark rhythmische Musik”, postuliert er einmal im Interview. Und dass er zu Gunsten pointierter Soli-Einsätze auf klassischen Saxophon-Satz verzichtete, weil der die rhythmische Härte verwässern würde. Einzig Ausnahmekünstler vom Schlage des Saxo-Flötisten Herb Geller oder Ferdinand Povel war der wohldosierte Einsatz ihres geliebten Holzblas-Instrumentes gestattet. Wie der überwiegende Teil ihrer Klang-Kollegen unter Herbolzheimer, gehörten auch Geller und Povel zu einer Art Inner Circle, einem Stamm an Musikern, mit denen der Wuschel-Maestro lieber zusammenarbeitete als mit anderen. Neben internationalen Koryphäen wie Ack Van Rooyen, Tony Inzalaco und Dusko Goykovich zählten dazu auch die deutschen Tasten-Genies Horst Mühlbradt und Dieter Reith
Die – nennen wir sie – quasi familiären Verhältnisse innerhalb der Herbolzheimer-Klangkörper dürften auch einer der Gründe dafür sein, dass sich der typische, blech-lastige Herbolzheimer-Sound wie ein roter Faden durch die Aufnahmen der Box zieht, die das Wirken des Musik-Junkies auf seinem Schaffenszenit abbildet. Allein zwischen 1970 und 1978 hat der Mann, der seine Orchester mindestens so gut beherrscht wie seine Posaune, neun Alben aufgenommen. Bemerkenswert an der chronologisch konzipierten Box ist besonders die hörbare Entwicklung Herbolzheimers von den Anfängen als reiner Interpret und Arrangeur im Certain Lions & Tigers bzw. Galactic Light Orchestra, über die stilprägenden Eigenkompositionen der Rhythm Combination & Brass-Mitglieder bis zu späteren Ausflügen in pop- und disco-affine Gefilde. Als erster unter Gleichen dürfen sich dabei jene Aufnahmen in der Box fühlen, die vom einzigen Live-Album “Live At Onkel Pös” stammen. Nirgendwo wird Herbolzheimers Liebesbekenntnis zu Live-Musik (“Wenn man live aufnimmt, kann man die Publikumsreaktion gleich mit einbeziehen, sie wird Teil der Musik”) besser nicht nur hör-, sondern auch spürbar.