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Meine erste Jazzplatte

Goetz Buehler
Goetz Buehler
23.08.2013
“Ellington Uptown” hieß die Jazzplatte, die schon zu Grundschulzeiten enormen Eindruck auf mich machte. Ich fand sie in der väterlichen Vinylsammlung in einem dschungelhölzernen Musikmöbel im Wohnzimmer. Was für eine Musik! Was für ein Cover!

Sitzt der Duke auf der amerikanischen Originalpressung etwas bedrüppelt in einem kleinen gelben Kreis hinter Flügel und Mikrophon, sah ich ihn auf dieser rosaroten Philips-Minigroove-Pressung inmitten einer Harlem-Bar, wie sie George Grosz nicht besser hätte zeichnen können. Mit ekstatischem “Jazzface”, den Mund zu einem zähnezeigenden “Yeah” geöffnet, den Hemdkragen gelockert, das Jackett ohne Revers, grimassiert der Duke dem Betrachter entgegen. Etwas Cooleres hatte ich noch nie gesehen. Oder gehört.

Spätestens bei "Take The “A” Train" mit Sängerin Betty Roché war es um mich geschehen – und dazu diese Power-Version von “Perdido” und das aufregende “A Tone Parallel To Harlem” auf der B-Seite. Während meine Klassenkameraden sich mit Rod Stewarts Attraktivitätsfrage und der (von Jorge Ben geklauten) Melodie von “Do Ya’ Think I’m Sexy” beschäftigten, verbrachte ich meine Freizeit uptown mit Duke Ellington – entweder wie gelähmt von meinen verpassten Chancen zur Zeit der Harlem Renaissance träumend oder wie ein Derwisch zu Louis Bellsons Rhythmen über den persischen Teppich tanzend. So fing alles an.

Götz Bühler (Jazz Journalist, Autor, Produzent, nimmermüder Sammler und Jazzfan)