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Ein Jazzkritiker, der kein verhinderter Musiker war – zum Tod von Michael Naura

Michael Naura Quintet - European Jazz Sounds
Michael Naura Quintet - European Jazz Sounds
16.02.2017
Ein landläufiges (Vor)Urteil besagt, dass Musikkritiker verhinderte Musiker sind. Michael Naura war eine strahlende Ausnahme von dieser Regel. Bevor er auf dem Radiomoderatorenstuhl Platz nahm, drückte er rund zwanzig Jahre lang intensiv den Klavierhocker. Der 1934 in Memel (im heutigen Litauen) geborene Naura studierte an der FU Berlin zwar Publizistik, Philosophie und Soziologie, schlug danach aber erst einmal eine erfolgreiche Karriere als Jazzpianist ein.
Vom Swing fand Naura schnell zu moderneren Stilen, ließ sich dabei von Größen wie George Shearing, Dave Brubeck, Horace Silver sowie John Lewis und dessen Modern Jazz Quartet inspirieren. Rund zehn Jahre lang leitete er ein eigenes Quintett mit dem Vibraphonisten Wolfgang Schlüter, Altsaxophonist Klaus Marmulla und Schlagzeuger Joe Nay. Eine Erkrankung zwang ihn ab 1964 jedoch dazu kürzer zu treten und führte schließlich Anfang der 1970er Jahre dazu, dass er auf die Seite der Jazzjournalisten wechselte. Aufnahmen machte er aber auch danach noch gelegentlich. Besonders in Erinnerung geblieben ist seine Zusammenarbeit mit dem Lyriker Peter Rühmkorf, Bassist Eberhard Weber und einmal mehr Wolfgang Schlüter.
In seinen Sendungen für den Norddeutschen Rundfunk sprach Michael Naura meist im Plauderton über die Legenden der Musik und ließ dabei auch immer wieder Anekdoten aus seinem eigenen Musikerleben einfliessen. Darüber hinaus schrieb er u.a. für Die Zeit, den Spiegel und den Tagesspiegel über Jazzthemen. Für sein Lebenswerk wurde Michael Naura 2009 mit dem WDR-Jazzpreis ausgezeichnet. Jetzt ist er am 13. Februar 2017 in Hollbüllhuus bei Husum mit 82 Jahren verstorben.