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Alles andere als ein Epigone – zum Tod von Roger Cicero

Roger Cicero © Warner Music Germany
Roger Cicero © Warner Music Germany
30.03.2016
Wenn sich Sänger ihren Vorbildern zu sehr nähern, kann es ihnen wie Ikarus bei seinem Höhenflug ergehen. Nicht so Roger Cicero, der nie einen Hehl daraus machte, dass ihn der große Frank Sinatra ganz besonders inspiriert hatte. Aber der deutsche Sänger war clever genug, lauernden Fallstricken geschickt auszuweichen. Auch wenn er sich letztes Jahr dann doch dazu hinreißen ließ, seinem Idol ein komplettes Album (“Cicero Sings Sinatra”) zu widmen. Ihn deshalb als Sinatra-Epigonen abzutun, wäre zutiefst ungerecht. Denn Cicero sang sich nie durch die Jazz- und Popstandards des “Great American Song Book”. Er verließ sich stattdessen auf das deutsche Produzenten-Duo Matthias Haß und Frank Ramond, das ihm Originale auf den Leib maßschneiderte, zwar im Stil der Swing-Ära, aber mit cleveren deutschen Texten, die Ciceros Œuvre eine spezielle Note verliehen. Mit je vier Platin- und Goldauszeichnungen wurden die Alben “Männersachen”, “Beziehungsweise”, “Artgerecht” und “In diesem Moment” dafür belohnt. Dass allerdings noch weit mehr in Cicero steckte, bewies er quasi nebenbei unter anderem beim “Good Morning Midnight”-Projekt der Pianistin Julia Hülsmann, mit der er Gedichte der amerikanischen Poetin Emily Dickinson vertonte, und mit der “Roger Cicero Jazz Experience”. Mit der hatte der Sänger gerade erst einen neuen Kurs eingeschlagen: zum einen spielte er das Album nicht wie gewohnt mit einer Bigband, sondern einem Piano-Trio ein, zum anderen verjazzte er hier erstmals in englischer Sprache fast ausschließlich Popsongs. Im April wollte Roger Cicero eine bereits ausverkaufte Tournee mit seinem “Sinatra”-Programm starten. Gestern machte dann die schockierende Nachricht die Runde, dass der Sänger bereits am 24. März im Alter von nur 45 Jahren an den Folgen eines Schlaganfalls gestorben ist. Einem solchen war 1997 auch schon Rogers Vater, der rumänischstämmige Jazzpianist Eugen Cicero, erlegen. Roger Cicero wird in der deutschen Musikszene eine Lücke hinterlassen, die nur schwer zu schließen sein wird.