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“Tone Poet”-Serie – zwei Musikgenies in Umbruchsstimmung

Während der Pianist McCoy Tyner auf “Time For Tyner” modalen Jazz mit gelegentlich afrikanischem Einschlag spielte, glänzte der Trompeter Donald Byrd auf “Slow Drag” ein letztes Mal als Hard-Bopper.
JazzEcho-Plattenteller: McCoy Tyner "Time For Tyner" / Donald Byrd "Slow Drag" (Tone Poet Vinyl)
JazzEcho-Plattenteller: McCoy Tyner "Time For Tyner" / Donald Byrd "Slow Drag" (Tone Poet Vinyl)
02.06.2023

Diese LPs und weitere Folgen aus der Blue Note Tone Poet-Serie finden Sie in unserem JazzEcho-Store.

 
Die Vinyl-Wiederveröffentlichungen der “Tone Poet”-Reihe präsentieren Klangpoeten, die ihren eigenen Weg gegangen sind, um einige wirklich originelle Sounds zu erzeugen. Inspiriert wurde Blue-Note-Präsident Don Was zu dieser Kollektion durch die außergewöhnlichen audiophilen Vinyl-Wiederveröffentlichungen, die Joe Harley seit Jahren bei dem von ihm mitgegründeten Label Music Matters herausbringt. Der Saxofonist Charles Lloyd verlieh ihm für sein außerordentliches Gespür für die Klangästhetik des LP-Formats den Ehrentitel “Tone Poet”, den Harley heute mit Stolz trägt. Die LPs der Reihe werden mit viel Liebe für Details gefertigt – angefangen bei der Tonqualität und dem Mastering über die hochwertige Pressung auf 180-Gramm-Vinyl bis hin zur Gestaltung der schweren, laminierten Gatefold-Sleeves und der Druckqualität.
McCoy Tyner – Time For Tyner
Obwohl McCoy Tyner für Impulse! Records auch ein halbes Dutzend Alben unter eigenem Namen aufnahm, konzentrierte sich der Pianist zwischen Mai 1960 und Dezember 1965 vor allem auf die wichtige Rolle, die er in den Bands von John Coltrane und natürlich in dem epochalen Quartett des Saxofonisten spielte. Nach dem Ausstieg bei Coltrane nahm sich Tyner zunächst etwas Zeit, um seine Solokarriere in aller Ruhe neu auszurichten. In ein Aufnahmestudio kehrte er erst im April 1967 zurück, um unter dem doppeldeutigen Titel “The Real McCoy” mit Tenorsaxofonist Joe Henderson, Bassist Ron Carter und Schlagzeuger Elvin Jones sein erstes Soloalbum für Blue Note einzuspielen. Noch im selben Jahr nahm er mit einem komplett umbesetzen Quartett (u.a. mit dem Trompeter Lee Morgan anstelle von Joe Henderson) und einem fünfköpfigen Bläsersatz “Tender Moments” auf. Für sein drittes Blue-Note-Album “Time For Tyner”, das er im Mai 1968 einspielte, schlug der Pianist wiederum eine andere Richtung ein. Diesmal präsentierte er sich im Quartett mit dem Vibraphonisten Bobby Hutcherson, Bassist Herbie Lewis sowie Schlagzeuger Freddie Waits und ganz ohne Bläser. Tyner und Hutcherson hatten zum ersten Mal 1966 miteinander gearbeitet, als der Vibraphonist für Blue Note das Album “Stick-Up!” aufnahm (an dem auch Herbie Flowers mitwirkte). Auf “Time For Tyner” konnten die beiden ihre musikalische Verbundenheit nun noch vertiefen. Wenngleich die von Klavier und Vibraphon geleitete Konfiguration dem Album durchweg etwas Ätherisches verleiht, liefert das Quartett hier eine wirklich mitreißende Performance hin. Das Album beginnt mit den drei Tyner-Originalen, von denen zwei starke afrikanische Einflüsse aufweisen, und endet mit Interpretationen von drei radikal überarbeiteten Standard, wobei McCoy Tyner den Schlusspunkt mit einer atemberaubenden Solo-Piano-Performance von “I’ve Grown Accustomed To Her Face” setzt.
Donald Byrd – Slow Drag
Mit einem Dutzend zwischen zwischen 1958 und 1967 für Blue Note eingespielten Alben konnte sich der brillante Trompeter Donald Byrd als eine der führenden Stimmen des Hard-Bop etablieren. Dieses musikalische Kapitel sollte er im Mai 1967 beenden, als er seine letzte reine Hard-Bop-Sessions für das Label machte, bevor er seine Musik in Richtung Fusion entwickelte. Gemeinsam mit Altsaxofonist Sonny Red, Pianist Cedar Walton, Bassist Walter Booker und Schlagzeuger Billy Higgins setzte Byrd auf “Slow Drag” noch einmal zu einem Höhenflug an und zeigte dabei den Variantenreichtum des Hard-Bop. Durch sehr Groove-betonte Titel deutete er zugleich aber auch schon an, wohin seine Reise danach gehen würde. Das Programm des Albums setzte sich aus vier Originalen von Donald Byrd, Sonny Red, Cedar Walton und Walter Booker sowie zwei Standards zusammen. Zu den Highlights gehören das von Byrd komponierte und vor sich hinschwelende Titelstück, in dem Billy Higgins mit einer witzigen Adlib-Vokaleinlage überrascht, und das von Cedar Walton und Walter Booker geschriebene “Book’s Bossa”, das hier für ein bisschen entspanntes brasilianisches Flair sorgt.
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