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Zum Tod von Jon Christensen – ein Schlagzeuger für alle Felle

Nur wenige Tage nach Lyle Mays verstarb mit dem Schlagzeuger Jon Christensen ein weiterer Musiker, der den ECM-Sound der 1970er Jahre maßgeblich mitgeprägt hat.
Jon Christensen
Jon ChristensenRoberto Masotti
18.02.2020
Jon Christensen, der sich in den 1970er Jahren als einer der besten Schlagzeuger des modernen Jazz und der Improvisationsmusik etablieren konnte, ist am 18. Februar 2020 im Alter von 76 Jahren verstorben. Den Feinschliff hatte sich der junge Autodidakt zuvor in den Jazzclubs seiner Geburtsstadt Oslo geholt, wo er zahlreiche amerikanische Stars begleitete, von Bud Powell über Don Ellis, Ben Webster, Stan Getz und Kenny Dorham bis hin zu Dexter Gordon. Dexter war es auch, der Jon dazu ermutigte, an seine eigene Kreativität zu glauben: “Du kommst nicht aus Harlem, und du bist 20 Jahre alt – spiel, was du fühlst!” Mitte der 1960er Jahre arbeitete Jon regelmäßig mit George Russell zusammen. Gemeinsam mit Jan Garbarek, Terje Rypdal und Arild Andersen gab er der neuen Jazzbewegung, die in dieser Zeit in Norwegen gerade Schwung aufnahm, wichtige Impulse.
Mit dem Album “Afric Pepperbird” feierte dieses Quartett 1970 seinen Einstand bei dem jungen Label ECM Records. Für Christensen war es die erste von rund siebzig Einspielungen für ECM. Mit seinem ungemein kreativen, geschmeidigen Stil, der sich besonders durch das detailreiche, federnde Spiel auf den Becken und rollende, fließende Rhythmen auf den Trommeln auszeichnete, gelang es ihm, in den unterschiedlichsten Kontexten Wirkung zu entfalten. Erleben kann man ihn in seiner umfangreichen ECM-Diskographie u.a. auf Ralph Towners “Solstice”, in Quartetten von Charles Lloyd und Enrico Rava, auf Ketil Bjørnstads “The Sea”, als Teil des Bobo Stenson Trio, auf Anouar Brahems “Khomsa”, mit der Band Masqualero und in Duetten mit Dino Saluzzi. Christensens ECM-Œuvre gibt nachhaltig Zeugnis davon, was für ein feines Ohr der Schlagzeuger für seine Mitspieler hatte und wie er sich immer auch selbst kreativ einbrachte. “Jon Christensen ist wahrscheinlich einer der wenigen europäischen Jazzschlagzeuger, die sich in den USA einen Namen gemacht haben”, hieß es 1985 in dem US-Magazin Modern Drummer. “In Norwegen ist er natürlich der Vater einer ganzen Generation von Schlagzeugern…”
Als großartiger und leidenschaftlicher “Teamplayer” hatte Jon Christensen nie Ambitionen, sich selbst als Bandleader zu profilieren. Und so gibt es unter seinem Namen bei ECM auch nur ein einziges Album: eine Anthologie in der :rarum-Reihe von Selected Recordings. Bei seiner Auswahl hob Jon seine Aufnahmen mit Keith Jarrett hervor, die von den Alben “Belonging”, “My Song” und “Personal Mountains” stammten. Seine letzte Einspielung für ECM war “Returnings” mit Jakob Bro, Palle Mikkelborg und Thomas Morgan. Das Album wurde 2018 veröffentlicht.