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Erinnerungsarbeit – Miroslav Vitous reinterpretiert Klassiker von Weather Report

Nachdem er 2009 für ECM bereits eigene Stücke im Geiste der Ursprungsbesetzung von Weather Report eingespielt hatte, widmet sich Miroslav Vitous diesmal direkt der “Music Of Weather Report”.
Miroslav Vitous
Miroslav Vitous©Robert Zlatohlávek/ECM Records
08.06.2016
Fast vier Jahre lang – von der Gründung 1970 bis Ende 1973 – war der tschechische Bassist Miroslav Vitous Mitglied der Jazzfusionband Weather Report, mit der er in diesem Zeitraum die bahnbrechenden Alben “Weather Report”, “I Sing the Body Electric”, “Live In Tokyo”, “Sweetnighter” und “Mysterious Traveller” aufnahm. 2009 zollte Vitous auf dem ECM-Album “Remembering Weather Report” dem ursprünglichen, innovativen Geist seiner ehemaligen Band Tribut, bei der die Musiker anfangs gleichberechtigte Partner waren und Improvisation noch eine zentrale Rolle spielte. Nach Vitous’ Abgang änderte sich sowohl die Philosophie der Band (Zawinul übernahm immer mehr alleine das Ruder) als auch die Musik (der Schwerpunkt verlagerte sich hin zum Groove und Funk). Die Trennung war damals nicht ganz reibungslos verlaufen. Aber dass Vitous in keinster Weise nachtragend ist, beweist er nun auf seinem neuen Album “Music Of Weather Report”, für das er diesmal direkt auf das Repertoire der Band zurückgriff.
Dabei beschränkte sich Vitous keineswegs auf einst von ihm selbst komponierte Stücke wie  "Seventh Arrow" und “Morning Lake”, die 1971 auf dem Debütalbum “Weather Report” erschienen waren, oder  "Scarlet Woman" (von “Mysterious Traveller”, 1974), sondern überrascht auch mit Bearbeitungen von Weather-Report-Klassikern aus der Post-Vitous-Ära wie Joe ZawinulsBirdland” (von “Heavy Weather”, 1977) und Wayne Shorters "Pinocchio" (von “Mr. Gone”, 1978). Mit “Acrobat Issues” präsentiert der Bassist außerdem eine Nummer, die er mit Weather Report zwar live gespielt, aber nie aufgenommen hatte. Zwischen diese Stücke streute er drei Variationen eines von ihm selbst geschriebenen neuen “Multi Dimension Blues” ein.
Für die Aufnahme des Albums stellte Vitous eine bemerkenswerte Band zusammen, die von zwei der kreativsten zeitgenössischen Jazzschlagzeuger – Gerald Cleaver und Nasheet Waits – angetrieben wird. Es ist faszinierend wie dieses Ensemble hier einige der bekanntesten Weather-Report-Nummern von der Leine lassen. Für seine “Birdland Variations” ordnete Vitous z.B. die Abfolge der Themen neu und setzte sie rhythmisch frei. “Ein Schlagzeuger spielt im 3/4-Takt, während der andere im 4/4-Takt oder frei spielt”, erläutert der Bassist. “Diese Kombination kreiert eine Art Tunnel, in dem man jedwede Phrase in jedwedem Tempo spielen kann, und es swingt erstaunlich.” Vitous unverwechselbares Con-Arco-Bassspiel ist oft an vorderster Front und klingt im Verbund mit den Saxophonen von Gary Campbell und Roberto Bonisolo oft schon fast wie ein Horn. Komplettiert wird das Ensemble durch den türkischen Pianisten und Keyboarder Aydin Esen, der bei der Neuharmonisierung der Stücke Erstaunliches leistete.
Am 25. Juni wird Miroslav Vitous mit seiner Band bei “Jazz In Gütersloh” auftreten. Für die beiden US-amerikanischen Schlagzeuger des Albums springt bei dieser Gelegenheit der exzellente italienische Drummer Roberto Gatto ein, der einst selbst mit Joe Zawinul gespielt hatte.