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Alleskönner Terje Rypdal – 70 Jahre und kein bisschen leise

Im Alter von nunmehr 70 Jahren kehrt der norwegische Gitarrist Terje Rypdal mit seiner neuen Band Conspiracy zu seinen rockigen Wurzeln zurück.
Terje Rypdal
Terje Rypdal© ECM Records
23.08.2017
Von der umwerfenden Energie, die Terje Rydal bis heute bei seinen Konzerten entfesselt, könnte sich so mancher Musiker, der nur halb so alt oder gar noch jünger ist, wahrlich eine fette Scheibe abschneiden.
Rypdal, der am 23. August seinen 70. Geburtstag feiert, absolviert seine Auftritte zwar schon seit geraumer Zeit nur noch sitzend, aber sein Kopf und seine Finger scheinen noch nichts von ihrer Agilität eingebüßt zu haben. Erst vor kurzem gründete er mit dem Keyboarder Ståle Storløkken ein neues Quartett namens Conspiracy, mit dem er zu seinen rockigen Wurzeln zurückgekehrt ist.  Über den schweißtreibenden Auftritt, den die Band im Juli beim Moldejazz-Festival hinlegte, meinte das britische Magazin Jazzwise: “Es gab ein paar Nummern, die mehr ECM-freundliche Weiträumigkeit boten, aber die meiste Zeit entriss Rypdal seiner Gitarre ausgedehnte Distortion-Spiralen, bei denen Hammond-Organist Ståle Storløkken, der sein böser Partner bei dieser Teufelsmusik ist, ihm half die entferntesten Winkel des Kosmos zu erreichen.”
Der am 23. August 1947 in Oslo geborene Gitarrist und Komponist gilt seit langem als wahrer Klangpoet am Fender Stratocaster. Als Sohn eines Militärkappellenleiters und Klarinettisten begann sich Terje früh selbst für Musik zu interessieren. Ab seinem fünften Lebensjahr erhielt er Klavierunterricht und wechselte drei Jahre später zur Trompete. Mit zwölf Jahren lernte er dann autodidaktisch Gitarre spielen. Noch als Teenager wurde er Mitglied der norwegischen Instrumentalrockband The Vanguards, mit der er es in die lokalen Popcharts schaffte. Dann entdeckte er die Musik von Jimi Hendrix und gründete 1967 die psychedelische Rockband Dream. Aber beeinflusst wurde Rypdal keineswegs nur durch Rockklänge: genauso sehr zog ihn die neutönende klassische Musik von György Ligeti, die Avantgarde von Krysztof Penderecki sowie der Jazz von Miles Davis und John Coltrane an. In einem Interview mit Notes On the Road erinnerte er sich: “Ich hörte Ligetis Musik und entschied danach, meinen Lebensunterhalt als Komponist und Gitarrist zu bestreiten.” Der britische Kritiker und Poesieprofessor Michael Tucker beschrieb Rypdals Stil einmal als eine “Mischung aus Rock- und Jazzphrasierungen mit einem Rubato-Interesse für Tonfarben und Dynamik, das oft nach der klassischen Welt duftet.”
Rypdals Beziehung zu ECM Records reicht schon bis 1970 zurück. Er war damals Mitglied des Quartetts von Jan Garbarek, mit dem der Saxophonist sein erstes ECM-Album “Afric Pepperbird” einspielte. Nachdem einige Stücke, die Rypdal eigentlich für Garbareks zweites Album “Sart” geschrieben hatte, dort nicht verwendet wurden, schlug Manfred Eicher dem Gitarristen vor, ein eigenes Album für ihn aufzunehmen. Das Album, “Terje Rypdal” betitelt, war der Auftakt zu einer der ertragreichsten und am längsten währenden Kollaborationen eines Künstlers mit dem Label.
Einige von Rypdals frühen bahnbrechenden Aufnahmen der mittsiebziger Jahre erschienen 2012 auf den drei CDs des Sets “Odyssey in Studio & in Concert”. Die BBC machte in einer Besprechung des Sets “Nuancen von Prog-Rock und Psychedelia sowie einen Vorgeschmack auf Rypdals spätere atmosphärische Tongedichte” aus. Immer wieder arbeitete der Gitarrist auch mit anderen ECM-Künstlern wie Palle Mikkelborg, Jon Christensen, Miroslav Vitous, Jack DeJohnette und John Surman zusammen.
Da er bei dem bekannten norwegischen Komponisten Finn Mortensen studiert hatte, ist Terje Rypdal aber auch ein produktiver Komponist. Die Liste seiner Werke umfasst sechs Symphonien, Chor- und Kammermusik sowie Stücke für gemischte Ensembles aus klassischen Musikern und Improvisationskünstlern. Das Album “Undisonus” wurde 1990 als Werk des Jahres von der Gesellschaft der Norwegischen Komponisten ausgezeichnet. ECM veröffentlichte 1998 ein Album, das sein “Double Concerto/5th Symphony” enthielt und 200 “Lux Aeterna”, eine intensive, persönliche Feier der Natur, des Lichts und der Berge von Rypdals Kindheit. Eines von Rypdals kühnsten Projekten – eine Kollaboration mit dem bekannten Hilliard Ensemble – erschien 2013 auf dem Album “Melodic Warrior”.