Blue Note Tone Poet Serie | News | Blue Note Tone Poet Serie - raus aus der Komfortzone, rein ins Abenteuer

Blue Note Tone Poet Serie – raus aus der Komfortzone, rein ins Abenteuer

Während Tenorsax-Gigant Dexter Gordon auf “Landslide” in neue musikalische Gefilde vorstieß, überraschte Sam Rivers auf “A New Conception” mit eigenwilligen Standards-Interpretationen.
Blue Note Tone Poet Serie - Dexter Gordon - Sam Rivers
Blue Note Tone Poet Serie - Dexter Gordon - Sam Rivers (c) Blue Note Records
12.06.2025
Die erste audiophile LP-Serie von Blue Note Records ist ein weltweiter Erfolg. Kuratiert wird sie von Joe Harley, genannt der „Tone Poet“, vom renommierten amerikanischen Vinyl-Label Music Matters. Die Fertigung erfolgt mit rein analogen Produktionsschritten vom Erste-Generation-Masterband bis zur 180g-Pressung bei Record Technology Incorporated (RTI) in den USA. Den luxuriösen Rahmen bilden laminierte Tip-On-Gatefold-Sleeves und wattierte Innenhüllen.
Dexter Gordon – Landslide
Seine Heroinabhängigkeit und mehrere daraus resultierende Gefängnisaufenthalte sind der Grund dafür, dass in der Diskografie von Dexter Gordon zwischen 1955 und 1960 eine beträchtliche Lücke klafft. Noch während seiner Bewährungszeit nahm der Bebop-Pionier unter der Regie von Cannonball Adderley in Los Angeles “The Resurgence Of Dexter Gordon” auf, sein erstes Album in fünf Jahren. Doch so richtig in Schwung kam das Comeback des großen Tenorsaxofonisten erst, als ihm Blue Note 1961 einen längerfristigen Plattenvertrag gab. Bis 1965 nahm ein ungemein inspirierter Gordon für Alfred Lions Label neun boppige und swingende Alben auf, darunter absolute Klassiker wie “Doin’ Allright”, “Dexter Calling”, “Go!”, “A Swingin’ Affair” und “Our Man In Paris”.
Als der Produzent Michael Cuscuna 1980 die Archive von Blue Note durchforstete, stieß er unter anderem auf unveröffentlichte Aufnahmen von Dexter Gordon, die bei drei Sessions mit unterschiedlich besetzten Bands in den Jahren 1961–62 entstanden waren. Aus sieben Tracks, in denen sich der Saxofonist etwas abseits der gewohnten Pfade bewegte und für ihn neue Dinge ausprobierte, stellte Cuscuna damals das Album “Landslide” zusammen. Das Titelstück, in dem Dexter Gordon mit dem Pianisten Kenny Drew, dem Bassisten Paul Chambers und dem Schlagzeuger Philly Joe Jones zu hören ist, war ein Outtake der fantastischen “Dexter Calling”-Session. Die anderen sechs Stücke des Albums nahm der Tenorsaxofonist mit zwei außergewöhnlichen Quintetten auf, von denen es in diesen Konstellationen keine weiteren überlieferten Aufnahmen gibt. Das eine Quintett bestand aus dem Trompeter Tommy Turrentine, dem Pianisten Sir Charles Thompson, dem Bassisten Al Lucas und dem Schlagzeuger Willie Bobo, das andere aus dem Pianisten Sonny Clark, dem Trompeter Dave Burns, dem Bassisten Ron Carter und einmal mehr dem Schlagzeuger Philly Joe Jones.
Sam Rivers – A New Conception
Der aus der Kleinstadt El Reno in Oklahoma stammende Saxofonist und Flötist Sam Rivers (1923–2011) machte sich erst relativ spät einen Namen in der Jazzszene. Seine ersten dokumentierten Aufnahmen, die allerdings erst 1999 in der Blue Note Connoisseur Series auf der Compilation “The Lost Sessions” erschienen, machte er im Alter von 38 Jahren im Dezember 1961 mit dem Tadd Dameron Octet. Der große Durchbruch gelang Rivers aber erst, als Miles Davis ihn im Sommer 1964 auf Empfehlung von Tony Williams für eine Japan-Tournee in sein Quintett holte. Obwohl er dort schon bald wieder von Wayne Shorter abgelöst wurde, öffneten ihm die Gigs mit Miles die Türen beim Label Blue Note.
Seinen Einstand gab er dort mit den beiden bemerkenswerten Alben “Fuchsia Swing Song” und “Contours”, auf denen er ausschließlich eigene Kompositionen präsentierte. Umso überraschter war die Jazzwelt, als der Avantgardist 1966 ein Album folgen ließ, auf dem er auf erstaunlich originelle und entspannte Weise bekannte Standards interpretierte. In einem Anflug von augenzwinkerndem Humor gab er dem Album, bei dessen Einspielung ihn der Pianist Hal Galper, der Bassist Herbie Lewis und der Schlagzeuger Steve Ellington begleiteten, den Titel “A New Conception”. Stephen Thomas Erlewine bewertete das Album bei AllMusic mit vier Sternen und schrieb: “Rivers behandelt die Songs – darunter so bekannte Stücke wie ‘When I Fall In Love’, ‘I’ll Never Smile Again’, ‘That’s All’, ‘What A Difference A Day Makes’ und ‘Secret Love’ – mit Respekt, aber er behandelt sie nicht wie Museumsstücke. Er weiß, dass die Songs, wenn sie frisch bleiben sollen, auf andere Weise gehört werden müssen. Geschickt öffnet er jede Komposition für zeitgenössische Avantgarde-Techniken.“ Bis zu seinem Tod im Jahr 2011 sollte dies für Sam Rivers das einzige Album dieser Art bleiben, was diese Aufnahme umso reizvoller und kostbarer macht.