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Blue Note Tone Poet Serie – mal kammermusikalisch, mal abstrakt

Von Schlagzeuger Chico Hamilton und Kornettist Don Cherry erscheinen in der Blue Note Tone Poet Serie spannende Frühwerke zweier Musiker, die ihr Leben lang Pioniere waren.
Blue Note Tone Poet Serie - Chico Hamilton / Don Cherry
Blue Note Tone Poet Serie - Chico Hamilton / Don Cherry(c) Blue Note Records
31.07.2025
Die erste audiophile LP-Serie von Blue Note Records ist ein weltweiter Erfolg. Kuratiert wird sie von Joe Harley, genannt der „Tone Poet“, vom renommierten amerikanischen Vinyl-Label Music Matters. Die Fertigung erfolgt mit rein analogen Produktionsschritten vom Erste-Generation-Masterband bis zur 180g-Pressung bei Record Technology Incorporated (RTI) in den USA. Den luxuriösen Rahmen bilden laminierte Tip-On-Gatefold-Sleeves und wattierte Innenhüllen.
Chico Hamilton Quintet Featuring Buddy Collette
Der Schlagzeuger und Bandleader Chico Hamilton (1921–2013) war dafür bekannt, ein Faible für eher ausgefallene Besetzungen zu haben. Bereits auf seinem ersten eigenen Album, das 1955 als 10-Zoll-LP bei Pacific Jazz Records erschien, präsentierte er sich in einer für die damalige Zeit seltenen Trio-Konstellation mit dem Gitarristen Howard Roberts und dem Bassisten George Duvivier. Noch im selben Jahr gründete Hamilton in Los Angeles ein Quintett, das als eine der letzten bedeutenden Bands des sogenannten West Coast Jazz gilt. Die Besetzung mit Buddy Collette an Tenor- und Altsaxofon, Flöte sowie Klarinette, Jim Hall an der Gitarre, Fred Katz am Cello und Carson Smith am Bass war äußerst ungewöhnlich. Mit seinem einzigartigen Sound und seinen nuancierten, einfallsreichen Arrangements errang das Quintett allerdings schnell beträchtliche Popularität. 
Das erste Album des Ensembles wurde im August 1955 zur Hälfte im Studio von Radio Recorders in Hollywood und zur Hälfte live im Club The Strollers in Long Beach aufgenommen. Es gilt zurecht bis heute als kammermusikalisches Cool-Jazz-Juwel. Das Repertoire, das sich fast ausschließlich aus Kompositionen der einzelnen Bandmitglieder zusammensetzt, offenbart eine erstaunliche musikalische Bandbreite. Mit dem Stück “Free Form” bietet es zudem eine faszinierende Kollektivimprovisation – und das drei Jahre bevor der damals ebenfalls in Los Angeles tätige Ornette Coleman sein erstes Soloalbum “Something Else!!!!” aufnahm! Selbst die beiden einzigen Standards des Programms, “My Funny Valentine” und “I Want To Be Happy”, interpretiert das Quintett auf eine Art und Weise, die man so noch nie gehört hat.
 
Don Cherry – Complete Communion
Der aus Ohio stammende Kornettist Don Cherry (1936–1995) erlangte ab 1958 als Mitglied der revolutionären Bands von Ornette Coleman weltweite Bekanntheit in der Free-Jazz-Szene. Sein erstes Album unter eigenem Namen, “Complete Communion”, nahm er jedoch erst im Dezember 1965 für Blue Note Records auf. Darauf ist er mit einem Quartett zu hören, das durchweg aus Free-Jazz-erprobten Musikern bestand: dem Schlagzeuger Ed Blackwell, mit dem Cherry bereits im legendären Ornette Coleman Quartet zusammengespielt hatte, dem Bassisten Henry Grimes und dem argentinischen Tenorsaxofonisten Leandro “Gato” Barbieri, den er einige Jahre zuvor in Rom kennengelernt hatte.
Mit diesen Musikern lotete der Kornettist zwei suitenähnliche Kompositionen aus, die sich jeweils über eine ganze Plattenseite erstreckten und seinen Mitspielern reichlich Raum gaben, sich ebenfalls solistisch einzubringen. In seinem 1994 erschienenen Buch “Free Jazz” schrieb der deutsche Musikwissenschaftler und Baritonsaxofonist Ekkehard Jost, dass “Complete Communion” und das ebenfalls bei Blue Note erschienene Nachfolgealbum “Symphony For Improvisers” “zu den wichtigsten LPs von Don Cherry gehören, wenn nicht sogar zu den wichtigsten im Free Jazz der sechziger Jahre.” Welche Bedeutung “Complete Communion” bis heute in der Improvisationsszene beigemessen wird, zeigen diverse Alben, auf denen zeitgenössische amerikanische und europäische Künstler einzelne Kompositionen oder gleich die Musik des gesamten Albums neu interpretieren.