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David Torn – Musik wie von einem anderen Stern

Auf “Sun Of Goldfinger” stellt der Gitarrist David Torn sein gleichnamiges, abenteuerliches Trio mit dem Altsaxophonisten Tim Berne und Schlagzeuger Ches Smith vor.
Ches Smith, David Torn, Tim Berne
Ches Smith, David Torn, Tim BerneRobert Lewis / ECM Records
27.02.2019
Gitarrist David Torn, der seine ersten Aufnahmen für ECM bereits in den frühen 1980ern machte, hat sein Wirken für das Label von Manfred Eicher im 21. Jahrhundert intensiviert. Neben zwei Alben, die er unter eigenem Namen herausbrachte (“Prezens” und “Only Sky”), poduzierte er für ECM auch einige Platten von Tim Berne sowie Michael Formanek und gastierte auf Manu Katchés “Playground”. Auf “Sun Of Goldfinger” ist Torn nun in einem Trio mit Altsaxophonist Tim Berne und Schlagzeuger Ches Smith zu hören. Letzterer ist Mitglied von Bernes Band Snakeoil und gab 2016 mit “The Bell” auch sein ECM-Debüt als Leader. Das Torn/Berne/Smith-Trio, auch Sun Of Goldfinger genannt, tritt auf zwei der drei intensiven, über 20-minütigen Tracks dieses Albums allein in Erscheinung; die enormen Klangteppiche von “Eye Muddle” und “Soften The Blow"” – jeweils spontane Gruppenkompositionen – täuschen darüber hinweg, dass sie nur von einem Trio gewebt wurden, da die Live-Elektronik von Torn und Smith für weitaus größere Klangfülle sorgt. Für die dritte Nummer, Torns Komposition “Spartan, Before It Hit”, wurde das Kern-Ensemble um zwei zusätzliche Gitarren, Keyboards und ein Streichquartett erweitert; dieses Stück – dessen Bandbreite von schwebenden atmosphärischen Störungen über dunkel gefärbten Lyrismus bis zu stürmischer, himmelzerreißender Grandeur reicht – ist eine Kreation, die nicht von dieser Welt zu stammen scheint.
Die Musiker von Sun Of Goldfinger trafen erstmals 2010 zusammen, als Torn von Berne dazu eingeladen wurde, mit dem Saxophonisten und einem jungen Schlagzeuger einen Auftritt in Brooklyn zu bestreiten. “Es war von Anfang an faszinierend”, erinnert sich Torn. “Ich habe seit den 90er Jahren eine enge Freundschaft und tiefe musikalische Beziehung zu Tim, und mit ihm live zu spielen ist immer etwas Besonderes – wir drängen einander immer auf neues Terrain. Wie sich herausstellte, war Ches der ‘junge Schlagzeuger’. Ich fand ihn wirklich großartig, er war absolut heiß. Wir haben danach viele Auftritte als Trio absolviert: von Colorado bis Brasilien, aber auch in ganz New York City – wir hatten einen Heidenspaß. Aber so richtig klickte es erst, als wir 2017 eine Tournee durch Europa unternahmen. Ich habe noch nie etwas gespielt, das so klingt oder sich so anfühlt.”
Die epische Länge der Tracks von “Sun Of Goldfinger” (jeder kommt auf beinahe 25 Minuten) spiegelt die exploratorische Intensität wider, die das Trio bei seinen Live-Auftritten an den Tag legt. David Torn – der die Sessions in mehreren New Yorker Studios leitete – wählte die beeindruckenden Tracks “Eye Muddle” und “Soften The Blow” aus einer Reihe von ausgedehnten Gruppenimprovisationen aus. Bei beiden Stücken nutzte er den Abmischungsprozess für “eine einzige gigantische Enthüllung – das Ziel war, dem Hörer klanglich vor Augen zu führen, was zwischen uns dreien im Studio alles abgelaufen war”, sagt Torn. “Ches und ich kreierten mit Händen und Füßen jede Menge Sounds. Er brannte auf den Trommeln wie stets wahre Feuerwerke ab, setzte aber auch seine eigene Elektronik ein.”
“All diese Sounds, die Ches und ich kreieren, geben Tim etwas, über das er sich in seinen Soli wirklich ausspielen kann. Sie ermöglichen ihm, seine erweiterten Techniken, insbesondere hohe Obertöne, zu nutzen, um eigene Klangeffekte zu erzeugen, obwohl er ein rein akustisches Instrument spielt”, fährt Torn fort. “Er hat außerdem die Fähigkeit, den rhythmischen Puls voranzutreiben. Die Art und Weise, wie er einem Rhythmus Drive gibt, macht ihn unter Saxophonisten fast einzigartig. In ‘Spartan, Before It Hit’ gibt es auch Episoden von diesem Lyrismus in Tims Spiel, den ich auf neueren Snakeoil-Aufnahmen hervorzuheben versuchte.”
Das Herzstück dieses Albums ist “Spartan, Before It Hit”, ein kaleidoskopisches Epos, für das das Trio zu einem Tentett erweitert wurde – durch zwei zusätzliche Gitarristen, Mike Baggetta und Ryan Ferreira (der gelegentlich auch mit Snakeoil auftritt), Keyboarder Craig Taborn (der bei ECM selbst mehrere gefeierte Alben veröffentlicht hat) und das Scorchio String Quartet. Diese Nummer ist eine Mischung aus Komposition und Improvisation, wobei der improvisierte Part das von Torn komponierte Material reflektiert und erweitert. Die Abmischung nutzte der Gitarrist dann als Teil des Kompositionsprozesses, um ein traumhaftes Ganzes zu erschaffen.
“Das ist weder Jazz- noch Rockmusik”, sagt David Torn abschließend über “Sun Of Goldfinger”. “Ich kann diese Musik wirklich keinem Genre zuordnen – es ist schlicht Musik von Leuten, denen sehr wichtig ist, was sie ausdrücken und wie sie es ausdrücken, so abstrakt es einem beim ersten Hören auch erscheinen mag.”