Kit Downes | News | Kit Downes, Petter Eldh & James Maddren: Musikalisches Risikospiel in subtiler Verkleidung

Kit Downes, Petter Eldh & James Maddren: Musikalisches Risikospiel in subtiler Verkleidung

Auf seinem dritten ECM-Album “Vermillion” präsentiert sich Kit Downes im Klavier-Trio mit zwei langjährigen Partnern: dem Bassisten Petter Eldh und dem Schlagzeuger James Maddren.
James Maddren, Kit Downes, Petter Eldh
James Maddren, Kit Downes, Petter Eldh
10.02.2022
2018 lotete Kit Downes auf seinem weithin gefeierten ECM-Debütalbum “Obsidian” ein ungemein breit gefächertes Spektrum an Orgelklangfarben aus. Bereits ein Jahr später ließ der Brite dem Debüt das kammermusikalisch getönte Album “Dreamlife Of Debris” folgen, auf dem er die instrumentale Palette deutlich erweiterte. Nun hat Kit Downes mit “Vermillion” sein drittes ECM-Album eingespielt, auf dem er diesmal seine außerordentlichen pianistischen Qualitäten mit seinen langjährigen Mitstreitern Petter Eldh am Bass und James Maddren am Schlagzeug im Trio-Kontext vorstellt.
Im Guardian lobte John Fordham Downes 2015 für seine “verblüffende Fähigkeit, schwierige Musik natürlich klingen zu lassen”. Und die Musik von “Vermillion” ist dafür ein weiterer Beleg. Das Klavier-Trio (das gelegentlich auch unter dem Namen Enemy Trio firmiert) wurde hier mit einem sorgfältig abgewogenen Programm eingefangen, das in gleichem Maße sanften Lyrismus und kühne kreative Ausbrüche bietet, sowie eine starke Vorliebe für Melodien offenbart.
“Dieses Album ist anders als alles, was ich bisher gemacht habe”, sagt Downes. “Wir sind in einen Bereich vorgedrungen, in dem wir bisher noch nicht gespielt haben, nämlich in einen eher kammermusikalisch orientierten Klangbereich. Die komplexe rhythmische Komponente ist immer noch intakt, aber sie ist in eine andere Ästhetik gehüllt.” Kit führt seine unablässliche Suche nach neuen musikalischen Herausforderungen auf seinen frühen Mentor zurück, den 2016 verstorbenen Pianisten John Taylor, dem er auch seine erste ECM-Aufnahme gewidmet hatte: “John suchte nach echten Momenten in der Musik, oft indem er etwas Unvorhersehbares tat. Er wollte neue Dinge geschehen lassen und war davon besessen, musikalisch Risiken einzugehen. Das habe ich meines Erachtens auch auf ‘Obsidian’ getan. Und nun tun wir es im Trio ebenfalls auf ‘Vermillion’.”
Das Risiko kommt hier in subtiler Verkleidung daher, während das Trio durch üppige und abwechslungsreiche Strukturen navigiert. Kraftvolle Bassattacken werden von sanftesten Klavieranschlägen aufgefangen, unregelmäßige Metren durch Rubato-Spielweise verschleiert und Kits einzigartige harmonische Sprache verbirgt ihre Komplexität in geduldigem Timing und warmen Kadenzen. James Maddrens perkussive Einwürfe sind sowohl selbstbewusst als auch anpassungsfähig und in das Gewebe der Musik eingeflochten.
Es spielt keine Rolle, ob ein Stück zu einem früheren Zeitpunkt geschrieben und einstudiert oder den Musikern erst am Tag der Aufnahme präsentiert wurde, das Trio gibt jeder Idee eine genaue Bestimmung und jedem Impuls eine präzise Form. “Anstatt einfach alles zu dokumentieren, was wir live gemacht haben, haben wir mit Manfred Eichers Hilfe ein Musikprogramm zusammengestellt, das in unseren Augen großartig ist – einige Sachen wurden vor ein paar Jahren geschrieben, andere Songs waren gerade mal zwei Tage alt. ‘Class Fails’ zum Beispiel legte uns Petter erst am Tag der Aufnahme vor. Die Basslinie mag frei gespielt klingen, folgte aber tatsächlich einer ganz bestimmten Taktvorgabe. Als wir anfingen, den Song zu spielen, verwandelte er sich in etwas, das wie ein organisiertes Rubato klingt.”
Konstruktion und Dekonstruktion führen auf “Vermillion” eine harmonische Koexistenz und lassen organische Formen entstehen, wenn die beiden Extreme an den entgegengesetzten Enden ziehen und dabei elegante, wohlklingende Themen hervorbringen. Kit Downes und Petter Eldh haben jeweils fünf Stücke zum Repertore von “Vermillion” beigesteuert. Das elfte und letzte Stück des Albums ist eine abstrakte Interpretation von Jimi Hendrix' “Castles Made Of Sand”, bei der die Musiker des Trios die einzelnen Elemente des Songs mit großer Sorgfalt gemeinsam entschlüsseln.
Die musikalischen Verbindungen zwischen James Maddren und Kit Downes reichen bis in ihre College-Zeit zurück, als die beiden zusammenwohnten und täglich gemeinsam Musik machten. James Maddren studierte bei dem Perkussionisten Martin France an der Royal Academy of Music in London und gehört zu den gefragtesten Perkussionisten in der heutigen britischen Jazzszene. Bei Aufnahmen und Auftritten begleitete er u.a. Künstler/innen wie Norma Winstone, Marc Copland und Gwilym Simcock. Darüber hinaus ist er das rhythmische Rückgrat der meisten Projekte von Kit Downes.
Petter Eldh kennt man als Bassisten von Pianist Django Bates' Belovèd-Trio, das bei ECM 2017 das Album “Study Of Touch” herausgebracht hat. Seit seinem Beitritt zu Bates' Trio im Jahr 2010 war der Bassist schon in einer Vielzahl von musikalischen Kontexten zu hören. Denn Petter Eldh beschränkt sich nicht auf den Jazz, sondern experimentiert auch gerne mit Elektronik, Hip-Hop und anderen Formen populärer Musik, die er in seiner in Berlin ansässigen Gruppe Koma Saxo mit seinem Jazz-Background verbindet.
Kit Downes war Orgelschüler in der St. Peter Mancroft-Kirche in Norwich, bevor er Klavier, Orgel und Komposition an der Purcell School for Young Musicians und der Royal Academy of Music studierte. Mit der Band Empirical machte er zahlreiche Aufnahmen und internationale Tourneen, arbeitete außerdem u.a. mit Django Bates und Lee Konitz zusammen. Neben Petter Eldh und James Maddren gehören der Schlagzeuger Sebastian Rochford, der Saxophonist Tom Challenger und die Cellistin Lucy Railton zu Kit Downes' bevorzugten Spielpartnern. Mit den drei Letztgenannten und dem Gitarristen Stian Westerhus war Kit auch auf seinem zweiten ECM-Album “Dreamlife Of Debris” zu hören. Tom Challenger hatte zudem einen Gastauftritt auf “Obsidian”. Bevor Kit Downes bei ECM sein erstes eigenes Album vorlegte, machte er 2015 als Mitglied Thomas Strønens Band Time Is A Blind Guide auf dem gleichnamigen Album auf sich aufmerksam.