1976 zog sich
Keith Jarrett in das oberschwäbische Benedektinerkloster in Ottobeuren zurück, um wieder einmal etwas völlig Neues auszuprobieren. Er hatte die ungewöhnliche Idee, auf der Dreifaltigkeitsorgel der Abteikirche zu improvisieren, die der berühmte Barockorgelbauer Karl Joseph Riepp zwischen 1757 und 1766 erschaffen hatte. “Auf Overdubs und technische Ausschmückungen wurde verzichtet”, merkte Jarrett an. “Was man hört, ist der reine Orgelklang in der Abtei.” Viele Kritiker verglichen seine Improvisationen damals mit der Orgelmusik von György Ligeti, Olivier Messiaen und Max Reger “Es ist ein wahrer Rausch in Klangfarben, der hier zelebriert wird,” meinte einer von ihnen. Als später eine CD-Version des Albums vorgelegt wurde, enthielt diese zum Bedauern aller Musikliebhaber leider nur vier der neun “Spheres”-Sätze und keine der beiden “Hymns” der Original-Vinyl-Ausgabe. Jetzt erscheinen erstmals sämtliche Aufnahmen von “Hymns/Spheres” auf einer Doppel-CD!
“Es gibt Musiker und es gibt Magier. Keith Jarrett gehört unbestreitbar letzterer Gattung an”, meinte der amerikanische Kritiker Tyran Grillo in einer Besprechung von “Hymns/Spheres”. “Wenn seine Finger eine Tastatur berühren, scheinen sie vorher tief in die Erde hinabgetaucht zu sein und sich mit Millionen Jahre alter Magma gesalbt zu haben, bevor sie sich dem Elfenbein zuwenden. Jarrett ist ganz sicher einer weltberühmtesten Improvisierer, aber dieses Album dokumentiert nicht einfach einen Künstler, der aus reinem Spaß auf einer großen Barockorgel herumexperimentiert. Die hier gespielte Orgel wurde von Karl Joseph Riepp im 18. Jahrhundert gebaut und ist schon für sich ein spektakuläres Instrument. Jarrett erzeugt auf ihr Klänge von außergewöhnlicher Farbe und Registervielfalt (viele der einzigartigen Effekte erlangte er dadurch, dass er die Registertraktur nur teilweise zog).”