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Intim und emotional: Lesermeinungen zu Keith Jarrett

Keith Jarrett c Patrick Hinely Work/Play / ECM Records
Keith Jarrett c Patrick Hinely Work/Play / ECM Records© Patrick Hinely Work/Play / ECM Records
07.11.2011
Liebe Leser,

wir haben in den letzten Wochen zahlreiche wunderbare Zuschriften erhalten, in denen Menschen ihre Beziehung zur Musik von Keith Jarrett schildern. Wir möchten uns zunächst ganz herzlich bei allen bedanken, die uns an ihren Gedanken, Erfahrungen und besonderen Momenten teilhaben lassen. In den kommenden Tagen wollen wir einige dieser zum Teil sehr anregenden und auch anrührenden Geschichten veröffentlichen und zudem am Freitag den 11.11. die Gewinner der Preise verkünden, die unter allen Einsendungen verlost wurden.

Wir wünschen Ihnen viel Spaß mit den ersten Beiträgen unserer Leser. Weitere folgen in der kommenden Woche.
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Mein erstes Solokonzert mit dem krauslockigen Wuschelkopf Keith Jarrett habe ich, vier Jahre jünger als er, 1973 als Student in der Aula der Universität Tübingen erlebt. Angekündigt über stadtweit geklebte Plakate war das Konzert soweit ich mich erinnere als „Klavierabend mit Keith Jarrett“. Diesen Klavierabend wollten sich viele der überwiegend männlichen bürgerlichen Honoratioren der Stadt nebst Gattinnen im schicken Ausgehdress der Zeit nicht entgehen lassen und sie erschienen in größerer Anzahl ohne zu ahnen was auf sie zukommen würde. Natürlich waren aber auch Freunde der Musik von K.J., die ihn als exzellenten Jazzpianisten kannten, in geringerer Zahl gekommen.

Nach wenigen Takten von K.J. Solospiel, die nichts mit Bach, Mozart oder anderen klassischen Komponisten zu tun hatten, wurden die ersten aus der bürgerlichen Fraktion der Konzertbesucher unruhig und verließen die Aula. Als K.J. dann auch noch anfing die Saiten des Flügels zu zupfen und gleichzeitig auf der Tastatur zu spielen, war die Erwartung der Bürgerlichen nach einem schönen Klavierabend wohl vollends ruiniert. Der knarrende Holzboden des Saales machte auf jeden, der den Saal verlassen wollte, aufmerksam. Es wurden immer mehr bis Keith sein Spiel unterbrach und die Besucher, die seine Musik nicht weiter hören wollten, zum Gehen aufforderte.

Die Aula leerte sich beträchtlich. Keith lud die verbliebenen Besucher ein auf die kleine Bühne zu kommen und sich um den Flügel niederzulassen. Eine kleine Schar von Fans lauschte seinen Improvisationen mit großer Begeisterung. Es war für mich ein wunder- und eindrucksvolles, intimes und familiäres Konzert. Seither habe ich fast alle Cd’s und DVD’s von Keith Jarrett gesammelt. Allerdings bin ich nie wieder zu einem Konzert gegangen. Kopenhagen 2011 hätte mich gereizt, aber dieses unauslöschliche persönliche Erlebnis in Tübingen mit fantastischen Improvisationen des jungen Keith Jarrett ist für mich noch heute überaus lebendig und durch die großen Konzerte wohl nicht zu toppen!

Eine der wichtigsten Platten war und ist für mich neben dem KÖLN KONZERT die SURVIVORS SUITE, die ich immer noch sehr gerne höre, auch die Aufnahmen mit Jan Garbarek wie z.B. BELONGING sind unübertroffen. Sie haben mich in die faszinierende Jazzmusik Skandinaviens eingeführt. FACING YOU, THE MELODY AT NIGHT, WITH YOU und TESTAMENT sind die vielleicht wichtigsten Soloaufnahmen aus meiner Sicht. Die Quartett- und Trio-Aufnahmen sind alle herausragend.

Es gibt in meiner Familie keine speziellen Anlässe Platten von K.J. zu hören. Sie sind integraler Bestandteil bewusst gehörter Musik jenseits standardisierter Radioprogrammmusik. Meine Kinder sind damit aufgewachsen. Für mich ist er der größte Musiker/Pianist des Jazz seit Ende der 60-Jahre.

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Mein jetziger Mann hat mich mit “The Köln Concert” beschenkt, bevor wir zusammen gekommen sind. Es war in dem kalten Winter 1995/96 und kurz vor dem Advent, als er mich auf einer Fahrt zu einem Basketballspiel zu ähnlicher Radiomusik nach meinem Jazz-Interesse fragte. Ich hatte ihm dabei erzählt, dass meine Eltern in Köln wohnen und so kam er auf die Idee. Seit diesem Zeitpunkt begeistert mich das Konzert immer wieder.

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Ich war gerade volljährig, kannte diese Musik nicht und erstand: Das Köln Konzert. (Eine Empfehlung des Händlers aus der Nachbarstadt, wohin ich zum Plattenkauf trampen musste.)

Ich legte die Scheibe auf und versank vollkommen in der Musik, düste zu meiner Freundin und wir hörten das Ganze noch einmal (bei schrecklich parfümiertem Tee).

Als schwarze Scheibe habe ich das Konzert zwei Mal gekauft und vollkommen abgenudelt und heute habe ich es natürlich auf CD. Früher verschenkte ich es euphorisch, heute still und leise. Dieses Konzert war und ist für mich ein Lebensbegleiter. Mein Vermischen und Wegschwimmen, die totale Romanze. Jeder Ton, jede Phrase, ein Universum.
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