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“Great Reid Miles Covers” – Jazzpreziosen für Auge und Ohr

Unter der Überschrift “Great Reid Miles Covers” bringt Blue Note diesmal bahnbrechende Alben von Pianist Andrew Hill, Trompeter Kenny Dorham und Hammond-Organist Larry Young.
JazzEcho-Plattenteller: Andrew Hill - Smoke Stack / Kenny Dorham - Trompeta Toccata / Larry Young - Into Somethin'
JazzEcho-Plattenteller: Andrew Hill - Smoke Stack / Kenny Dorham - Trompeta Toccata / Larry Young - Into Somethin'
18.06.2020
Mit seinen geradezu kultisch verehrten Arbeiten schuf der legendäre Grafiker, Designer und Fotograf Reid Miles in den 1950er und 1960er Jahren das perfekte optische Äquivalent zu den innovativen Aufnahmen von Blue Note Records. Die LP-Edition “Great Reid Miles Covers” ist eine Hommage an den 1993 verstorbenen Grafikkünstler, dessen Werke sich viele Jazzfans damals rahmen ließen, um mit ihnen zuhause die Wände zu schmücken. Sämtliche Aufnahmen wurden von den analogen Originalbändern neu gemastert und auf hochwertiges 180-Gramm-Vinyl gepresst.
 Andrew Hill – Smoke Stack (1963)
Aus seiner Begeisterung für Andrew Hill hatte Blue-Note-Gründer Alfred Lion nie einen Hehl gemacht. Nach seiner Einschätzung stand der Pianist als Komponist auf einer Stufe mit dem großen Thelonious Monk – eine Bewertung, zu der viele Kritiker und Jazzhörer leider erst Jahrzehnte später gelangten. Nachdem Lion den damals 32-Jährigen für sein Label unter Vertrag genommen hatte, ließ er ihn innerhalb von nur acht Monaten genug Material für fünf Alben einspielen. Insgesamt erschienen bei Blue Note zwischen 1963 und 1969 dreizehn Alben von Hill, auf denen er ausnahmslos (!) eigene Kompositionen spielte. Das zweite dieser Alben entstand im Dezember 1963 und trug den Titel “Smoke Stack”. Hill präsentierte sich darauf mit einem ungewöhnlich besetzten Quartett mit dem fantastischen Roy Haynes am Schlagzeug sowie den beiden Bassisten Richard Davis und Eddie Khan. Wobei Davis neben Hill in einer eher solistischen Rolle hervortrat, während Khan die traditionelle Begleitfunktion des Bassisten zufiel. Die sieben Kompositionen des Albums sind exemplarisch für die seltene Schönheit von Hills unkonventioneller und kühner Musik. Passend dazu war auch das von dem Designer Reid Miles entworfene Cover.
 Kenny Dorham – Trompeta Toccata (1964)
Kenny Dorham hat geschafft, was nur wenigen anderen gelungen ist: annähernd 50 Jahre nach seinem Tod noch immer als “sträflich unterbewertetes musikalisches Genie” zu gelten. Oder um es in ein schönes Paradoxon zu kleiden: Dorham ist noch heute berühmt dafür, nie berühmt gewesen zu sein. Dabei kennt wohl jeder Jazzfan den Standard “Blue Bossa”, der aus seiner Feder geflossen war. Obwohl Dorham 1972 mit nur 48 Jahren starb, war “Trompeta Toccata” bereits seine letzte Soloaufnahme. Das 1964 aufgenommene Album, das als eines seiner absolut besten gilt, zeigte ihn einmal mehr im Zusammenspiel mit dem Tenorsaxophonisten Joe Henderson, der zuvor auch schon auf Dorhams Albumklassiker “Una Mas” geglänzt hatte. Begleitet wurden die beiden von einer sehr agilen Rhythmusgruppe mit Pianist Tommy Flanagan, Bassist Richard Davis und Schlagzeuger Albert “Tootie” Heath. Neben drei Eigenkompositionen – in denen Dorham auf für ihn typische Weise Hardbop mit Einflüssen von Blues und lateinamerikanischer Musik kombinierte – enthielt das Repertoire mit der Bossa “Mamacita” zudem ein fabelhaftes Stück von Henderson. Auf dem brillanten Albumcover von Miles Reid prangte in großen, fetten und farbenfrohen Lettern nicht nur der Name des Protagonisten (der selbst lediglich auf einem kleinen, schmalen Schwarzweißfoto zu sehen war), sondern auch die Titel aller vier Stücke.
Larry Young – Into Somethin'
Auf seinen ersten drei Soloalben für Prestige Records und dessen Sublabel New Jazz war der blutjunge Organist Larry Young noch ganz im soul-jazzigen Fahrwasser der übermächtigen Hammond-Ikone Jimmy Smith unterwegs gewesen. Als er dann 1964 mit 24 Jahren seinen Einstand bei Blue Note gab, machte er im Albumtitel “Into Somethin'” gleich deutlich, dass er eine radikale Metamorphose durchgemacht hatte und nun neuen Klängen auf der Spur war. Für die erste Aufnahmesession unter der Ägide von Produzent Alfred Lion tat sich Young mit dem Gitarristen Grant Green und dem Coltrane-Schlagzeuger Elvin Jones zusammen, mit denen er zwei Monate zuvor bereits auf Greens Blue-Note-Album “Talkin' About!” gespielt hatte. Als vierter Mann gesellte sich außerdem der Tenorsaxophonist Sam Rivers dazu. Das abenteuerlustige und farbenfrohe Repertoire setzt sich zusammen aus vier Stücken von Young, in denen der moderne modale Einfluss von Coltrane zu spüren war, und Greens “Plaza De Toros”. “Ein unglaubliches Album von dem Mann, der die Art und Weise, wie die Welt die Hammond wahrnimmt, verändert hat”, heißt es bei Dusty Groove über das Album. “…ein atemberaubendes Bündel von Melodien, die die Orgel in Gefilde drängen, von denen man im Jazz noch nie etwas gehört hatte.” Für das ins Auge fallende Albumcover hatte Designer Miles Reid ein denkwürdiges Foto, das Francis Wolff von Larry Young geschossen hatte, in sattes Rotbraun getaucht.
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