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Markenzeichen: Mütze – Gregory Porter im Interview

Gregory Porter 2013
Gregory Porter 2013
15.08.2013

Statt auf Genregrenzen setzt Gregory Porter, 41, auf Intuition. Was sich organisch anfühlt, wird auf seinem dritten Album Liquid Spirit” eingearbeitet. So sind seine Songs nicht rein vom Jazz geprägt, sondern wurzeln selbstverständlich auch im Blues, Soul und Gospel. Der Amerikaner poliert Abbey Lincolns “Lonesome Lover” mit Swing auf. “No Love Dying” ist dagegen eher minimalistisch mit Klavier und Schlagzeug instrumentiert. “Brown Grass” umweht ein Hauch von Melancholie. Schon für seine beiden ersten Alben von den Kritikern gefeiert und bereits eine Grammy-Nominierung in der Tasche, sorgt jetzt sein Debüt auf dem Major Label Blue Note für große Spannung.

Text: Dagmar Leischow | Fotos: Shawn Peters

Mr. Porter, warum tragen Sie eigentlich immer Ihre Mütze?

Gregory Porter: Das bleibt auf ewig mein Geheimnis (lacht). Im Ernst: Gerade Jazzer lieben doch traditionell Hüte. Meine Kopfbedeckung mag zwar nicht die allertollste sein, aber sie gehört zu mir. Weil sie inzwischen zu meinem Markenzeichen geworden ist, gehe ich ohne sie nicht mehr auf die Bühne. Natürlich habe ich meine Mütze auch aufgesetzt, als ich meine CD “Liquid Spirit” einspielte.

Wo würden Sie dieses Album musikalisch verorten?

Porter: Ich bin definitiv ein Jazzsänger. Allerdings muss ich das nicht mit jeder Note beweisen. In meine Stücke fließen diverse Stile von Blues über Gospel bis zu Soul ein.

Sie scheinen ein Faible für Liebeslieder zu haben, oder?

Porter: Ich neige halt dazu, mich ziemlich intensiv mit meinen Gefühlen auseinanderzusetzen. Besonders Herzschmerz inspiriert mich als Songschreiber, was man Nummern wie “Wolfcry” oder “Water Under Bridges” deutlich anhört.

Können Sie sich mit autobiografischen Titeln am ehesten identifizieren?

Porter: Ich kreise nicht nur um mich, genauso gerne beobachte ich andere. Eine Frage, die mich stets aufs Neue beschäftigt, ist: Machen wir wirklich alles richtig? Wie können wir bessere Menschen werden? Vielleicht regen meine Texte die Zuhörer ja dazu an, über solche Dinge nachzudenken.

Finden Sie politische Denkanstöße besonders wichtig?

Porter: Sicherlich beschäftigen mich Themen wie Gentrifizierung oder Genozid, das spiegeln einige Songs wider. In “When Love Was King” steckt zum Beispiel viel von dem, was meine Mutter mir mit auf den Weg gegeben hat. Sie lehrte mich, nie diejenigen zu vergessen, die ganz unten stehen. Dementsprechend spielen Nächstenliebe und Gleichberechtigung in meiner politischen Philosophie eine zentrale Rolle.

Wie stehen Sie zum amerikanischen Präsidenten Barack Obama? Hat er Ihre Erwartungen erfüllt?

Porter: Seitdem er vereidigt wurde, wollen ihn seine Gegner mit aller Macht zerstören. Insofern ist es schwierig für ihn, überhaupt etwas in Bewegung zu setzen. Unter diesen Bedingungen schlägt er sich recht wacker, finde ich. Es gelingt ihm sogar, unsere Wirtschaft allmählich wieder anzukurbeln. Das heißt indes nicht, dass ich hundertprozentig mit Obama zufrieden bin. Die Enthüllungen über die Überwachungspraktiken der US-Geheimdienste haben mich ziemlich schockiert. Trotzdem weiß ich nicht, wie ich diese Geschichte letztlich bewerten soll – dafür ist die Berichterstattung in den Medien einfach zu verwirrend.

Verfolgen Sie die Nachrichten regelmäßig?

Porter: Ja. Es interessiert mich, was um mich herum passiert. Schließlich habe ich schon als Junge erfahren, wie grausam diese Welt sein kann. Meine Familie war in unserem Heimatort Bakersfield rassistischen Anfeindungen ausgesetzt. Denn wir wohnten in einer Gegend, wo sonst nur Weiße lebten. Sie warfen unsere Fensterscheiben ein, einmal hat jemand auf meinen Bruder geschossen.

Offenbar hatten Sie keine schöne Jugend.

Porter: Lassen Sie es mich so formulieren: Sie war bittersüß. Einerseits trieb ich viel Sport, mir standen tolle Freunde zur Seite. Anderseits erfuhr ich wegen meiner Hautfarbe diese Ausgrenzung. Doch deswegen bin ich nicht vom Hass zerfressen. Im Gegenteil: Ich setze alles daran, jegliche Art von Diskriminierung zu überwinden. Zumindest in meiner Band ist mir das auch gelungen. Da tue ich mich unter anderem mit einem Japaner und einem Weißen aus den Südstaaten zusammen. Wir möchten mit unserer Musik alle Menschen verbinden.

Hatten Sie diesen Plan schon als Kind?

Porter: Ursprünglich wollte ich gar nicht hauptberuflich Musiker werden, dieser Job erschien mir zu unsicher. Darum war ich froh, als ich an der San Diego State University ein Football-Stipendium kriegte. Bis ich mir die Schulter verletzt habe. Danach war der Traum von einer Profikarriere ausgeträumt.

Obendrein lag Ihre Mutter im Sterben.

Porter: Kurz vor ihrem Tod redeten wir über meine Zukunftspläne. Sie ermutigte mich, Sänger zu werden. Sie gab mir den nötigen Mut, diesen Weg einzuschlagen.

Sie haben also durch Ihre Mutter zum Jazz gefunden?

Porter: Richtig. Wenn ich als Junge gesungen habe, sagte sie stets: “Du klingst wie Nat King Cole.” Deshalb begann ich irgendwann, mich durch ihre Nat King Cole-Platten zu hören. Dabei malte ich mir aus, er wäre mein Dad. Weil sich mein leiblicher Vater von unserer Familie getrennt hatte, versuchte ich meinen Schmerz auf diese Weise zu kompensieren. Aus dieser Erfahrung habe ich dann übrigens später das Musical “Nat King Cole And Me” gemacht – es war mein erstes Theaterprojekt.

Professioneller Musical-Darsteller wurden Sie dann Dank des Musicals “It Ain’t Nothing But The Blues”.

Porter: Damit schaffte ich es bis an den Broadway. In acht Shows pro Woche stand ich jeweils vor 1000 Leuten auf der Bühne. Dadurch wuchs mein Selbstbewusstsein. Ich kündigte schließlich mein Engagement, stellte eine Band zusammen und bekam tatsächlich einen Plattenvertrag.

Inzwischen sind Sie ein erfolgreicher Musiker. Sind Sie dort angekommen, wo Sie immer hin wollten?

Porter: Selbstverständlich bin ich stolz darauf, mit Wynton Marsalis gearbeitet zu haben. Und hey, Herbie Hancock nennt mich beim Vornamen. Gut möglich, dass ich jetzt zum inneren Jazzzirkel dazu gehöre. Dennoch fühle ich mich immer noch ein Stück weit wie ein Außenseiter.

… der das Bedürfnis hatte, Dobie Grays Motown-Hit “The ‘In’ Crowd” aufzunehmen?

Porter: Das lag für mich auf der Hand. Seit ich einen Vertrag bei Blue Note unterschrieben habe, denken die meisten Leute vermutlich: Der hat’s geschafft und ist nun auf dem Weg nach ganz oben. Doch davon lasse ich mich nicht verrückt machen. Mir ging es nie darum, ein hipper Typ zu werden. Mich interessiert allein die Musik. Wenn ich es schaffe, Genregrenzen ein für alle Mal zu überwinden, bin ich am Ziel.

Reizt Sie der kommerzielle Erfolg nicht?

Porter: Ich sehe mich eher in der Tradition von ernsthaften Künstlern wie Abbey Lincoln. Ihr wunderbares “Lonesome Lover” habe ich gecovert, um zu zeigen, wie sehr ich sie wertschätze. Sie hatte unheimlich großen Einfluss auf mich.

Und was hat Sie an dem Klassiker “I Fall In Love Too Easily” gereizt, den Sie ebenfalls auf “Liquid Spirit” neu interpretieren?

Porter: Nun, ich war auf der Suche nach einem Jazzstandard, mit dem ich völlig auf einer Wellenlänge liege. “I Fall In Love Too Easily” passt perfekt zu mir, weil ich in der Tat dazu neige, mich zu schnell zu verlieben.


Gregory Porter auf Tour mit Lizz Wright JAZZ NIGHTS 2013:


Kaiserslautern, Kammgarn
Do, 14.11.13, 20:00

München, Circus Krone
Fr, 15.11.13, 20:00

Dortmund, Konzerthaus
Sa, 16.11.13, 20:00

Heidelberg, Stadthalle
Mo, 18.11.13, 20:00

Frankfurt, Alte Oper
Di, 19.11.13, 20:00

Hannover, Theater am Aegi
Mi, 20.11.13, 20:00

Berlin, Kammermusiksaal
Do, 21.11.13, 20:00

Hamburg, Laeiszhalle
Sa, 23.11.13, 20:00

Bremen, Die Glocke
So, 24.11.13, 20:00

Düsseldorf, Tonhalle
Mo, 25.11.13, 20:00

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