Zwölf Jahre sind mittlerweile verstrichen, seit Gregory Porter bei dem kleinen, aber feinen Indie-Label Motéma Music sein Debütalbum “Water” veröffentlichte. Zwölf Jahre, in denen der Sänger vom Brooklyner Lokalhelden zum weltweit gefeierten Star aufgestiegen ist, der mit seiner genreüberschreitenden Musik längst nicht nur ein auf Jazz geeichtes Publikum verzaubert. Im November 2021 brachte Porters heutiges Label Blue Note Records das anthologische Doppelalbum “Still Rising” heraus, das auch Aufnahmen seiner beiden ersten Motéma-Alben und Zusammenarbeiten mit anderen Künstlern einschloss. Dem folgt nun im April 2022 bei Blue Note eine Neuauflage von Gregory Porters gefeiertem Debütwunderwerk “Water”, das als zusätzlichen Anreiz einen groovigen Opolopo-Remix seines ersten Hits “1960 What?” bietet.
Der rasante Aufstieg des Sängers und Songwriters war umso erstaunlicher, da er bereits 39 Jahre alt war, als er 2010 mit “Water” sein erstes Album veröffentlichte. Musik hatte in seinem Leben zwar immer eine große Rolle gespielt, aber eigentlich wollte der 1971 in Sacramento geborene Gregory Porter professioneller Footballspieler werden. Als der Traum Anfang der 90er Jahre wegen einer schweren Verletzung platzte, begann er, sich der Musik ernsthafter zu widmen. Bis die Dinge wirklich in Gang kamen, sollten aber noch mehr als zehn Jahre vergehen, in denen er – meist im stillen Kämmerlein – an seinen musikalischen Talenten feilte. Den entscheidenden Schritt unternahm Gregory, als er 2004 gemeinsam mit seinem älteren Bruder Lloyd nach New York zog. Dort hielt er sich mit einem Tagesjob in einem von Lloyd betriebenen Coffee-Shop über Wasser (!!!), um abends in Clubs singen zu können. Bei wöchentlichen Auftritten St. Nick’s Pub in Harlem lernte er viele der Musiker kennen, mit denen er dann 2009 “Water” aufnahm. Die meisten dieser Musiker gehören noch heute seiner Begleitband an.
“Water” erhielt auf Anhieb begeisterte Kritiken und brachte Porter völlig überraschend seine erste Grammy-Nominierung ein. Das 2012 erschienene Nachfolgealbum “Be Good” wurde ebenfalls für einen Grammy nominiert und eroberte bereits diverse Charts in Europa. Auf beiden Alben ließ der Sänger zwar auch seine Fähigkeiten als glänzender Interpret von Jazzstandards aufblitzen, profilierte sich aber vor allem als versierter Songwriter mit einem Händchen für eingängige Melodien und sowohl sehr persönliche als auch soziopolitische Texte.
Als Don Was den Künstler 2013 zu Blue Note Records holte, ermutigte er ihn dazu, seiner einzigartigen künstlerischen Vision treuzubleiben. Der überwältigende Erfolg von Porters erstem Blue-Note-Album “Liquid Spirit” sollte Was Recht geben. In Deutschland erhielt Gregory für “Liquid Spirit” eine Goldene Schallplatte, in Großbritannien gar Platin und bei den Grammys konnte er im dritten Anlauf endlich auch die erste Trophäe entgegennehmen. Das Album entwickelte sich zu einem echten Dauerbrenner und wurde in den nächsten beiden Jahren mit diversen Bonus-Tracks und Remixen mehrfach neu aufgelegt. Parallel wirkte Porter als Gaststar auf Alben von u.a. Dianne Reeves, Max Herre, Till Brönner, Jamie Cullum und Lizz Wright mit und nahm mit dem britischen UK-Garage-Duo Discloure den Club-Hit “Holding On” auf. Erst 2016 veröffentlichte Gregory Porter mit “Take Me To The Alley” schließlich sein von den Fans sehnsüchtig erwartetes viertes Studioalbum, auf dem er mit einer jazzig-akustischen Version von “Holding On” überraschte. Wie schon “Liquid Spirit” wurde auch “Take Me Back To The Alley” mit einem Grammy ausgezeichnet. Im selben Jahr erschien außerdem auf CD und DVD noch der Konzertmitschnitt “Live In Berlin”.
Auf “Nat King Cole & Me” stellte Porter 2017 erstmals nicht seine eigenen Songs in den Mittelpunkt, sondern präsentierte sich als Interpret der unsterblichen Lieder seines Vorbilds Nat King Cole, den er in Interviews auch gerne als seinen spirituellen Ersatzvater bezeichnet. Das ein Jahr später nachgeschobene Live-Album “One Night Only – Live At The Royal Albert Hall” bot wiederum einen Mix aus seinem Nat-King-Cole-Repertoire und älteren Fan-Favoriten wie “Hey Laura”, “No Love Dying”, “Don’t Lose Your Steam” und “When Love Was King”.
Seine Rückkehr zu neuen eigenen Songs vollzog Gregory Porter erst 2020 auf seinem sechsten Studioalbum “All Rise”, das ihn wieder ganz in seinem eigentlichen Element zeigt. Mit durchweg selbst verfassten Liedern festigt er hier eindrucksvoll seinen Ruf, einer der besten Songwriter und Sänger des aktuellen Jazz und Rhythm’n’Blues zu sein. “Man könnte sagen, dass ich hier aufs Ganze gegangen bin”, meint der 48-Jährige stolz. Und unüberhörbar ist in jedem Moment auch, wie wohl er sich dabei gefühlt hat. Wie ein zeitgenössischer Marvin Gaye verwischt er auf “All Rise” die Trennlinien zwischen Jazz, Soul, Gospel, Rhythm’n’Blues und Pop und reiht Ohrwürmer von bestechender Qualität aneinander.