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Michele Rabbia, Gianluca Petrella & Eivind Aarset – Reise durch geheimnisvolle Klanglandschaften

Mit “Lost River” ist Michele Rabbia, Gianluca Petrella und Eivind Aarset ein ähnlich spannendes und innovatives Album gelungen, wie es einst Nils Petter Molvær mit “Khmer” schuf.
Gianluca Petrella, Eivind Aarset, Michele Rabbia
Gianluca Petrella, Eivind Aarset, Michele RabbiaLuca d'Agostino / ECM Records
27.05.2019
“Lost River” ist nicht nur ein ungemein stimmungsvolles und reich strukturiertes Klangereignis, sondern zugleich eine der herausragenden genreübergreifenden Aufnahmen der jüngeren ECM-Geschichte. Schlagzeuger Michele Rabbia hat mit dem Gitarristen Eivind Aarset schon viele Duo-Konzerte gegeben und mit dem Posaunisten Gianluca Petrella in anderen Kontexten zusammengearbeitet. Doch diese Aufnahme führte die Musiker – auf Vorschlag von Manfred Eicher – nun das erste Mal als Trio zusammen.
Die Musik nimmt hier immer wieder neue Formen an, ist größtenteils spontan improvisiert und offenbart geheimnisvolle Details, die in atemberaubenden Klanglandschaften aufblühen. Rabbias Schlagzeugspiel, das durch den Einsatz elektronischer Mittel noch bereichert wird, ist hier ungeheuer kreativ und treibend. Eivind Aarsets fließendes Gitarrenspiel wird Hörer begeistern, die Fans seines “Dream Logic”-Projekts und seiner Aufnahmen mit Tigran Hamasyan, Andy Sheppard, Jon Hassell und Nils Petter Molvær sind (wenn man “Lost Rivers” einer Untergruppe von ECM-Aufnahmen zuordnen wollte, wäre es jene, der Molværs “Khmer” angehört). Die große Überraschung dürfte aber sein, wie sich Gianluca Petrella als führende Instrumentalstimme in Szene setzt. Vor allem, wenn man den Posaunisten bislang “nur” als großartigen Jazzsolisten an der Seite von Enrico Rava und Giovanni Guidi kannte. Seine breite Ausdruckspalette kommt in der von Manfred Eicher exzellent produzierten Aufnahme, die im Januar 2018 in Udine entstand, bestens zur Geltung. Was Rabbia, Petrella und Aarset gemein haben, ist ein Interesse an elektronischer Musik, die sie zur Vermittlung oder Erweiterung des emotionalen Ausdrucks einsetzen und um Umgebungen und Atmosphären zu gestalten, in denen instrumentale Interaktion, melodische Entwicklung und Klangfärbung stattfinden können.
Der 1975 im süditalienischen Bari geborene Gianluca Petrella begann mit zehn Jahren Posaune zu spielen und trat damit in die Fußstapfen seines Vaters, der ebenfalls Posaunist ist. Der jüngere Petrella machte sich gründlich mit der Geschichte des Jazz vertraut und erforschte seine sich wandelnden Stile, während er zugleich auch immer ein offenes Ohr für die Klänge der Stadt hatte. Heute als eine der wichtigsten Persönlichkeiten des neuen italienischen Jazz anerkannt, interessiert er sich auch für zeitgenössische Komposition, Rhythm’n’Blues, die Wurzeln des Hip-Hop, Filmmusik und mehr. Er spielte mit Ricardo Villalobos und Max Loderbauer, leitet mehrere eigene Bands und erschuf Soundtracks für Filme. Petrella, der als Co-Leader mit Giovanni Guidi, Louis Sclavis und Gerald Cleaver 2015 das Album “Ida Lupino” für ECM  aufnahm, kann man auch auf vier Alben erleben, die Enrico Rava für das Label machte: “Easy Living” (2003), “The Words And The Days” (2005), “Tribe” (2011) und “Wild Dance” (2015). Als Mitglied des Orchestre National de Jazz unter der Leitung von Paolo Damiani war er außerdem an der Einspielung vom “Charméditerranéen” (2001) beteiligt.
Michele Rabbia wurde 1965 in Turin geboren und studierte Schlagzeug zunächst bei Enrico Lucchini in Italien und später in den USA bei Joe Hunt und Alan Dawson. Bei seiner Rückkehr nach Italien, ließ er sich in Rom nieder, von wo er seitdem mit einer schier unüberschaubaren Schar von Musikern zusammenarbeitete, darunter Marilyn Crispell, Vincent Courtois, Roscoe Mitchell, Andy Sheppard und Dominique Pifarély. Rabbia kann man bereits auf ECM-Aufnahmen des Pianisten Stefano Battaglia hören:"Raccolto" (2005), “Re: Pasolini” (2007) und “Pastorale” (2010). Zusammen mit Maria Pia de Vito, François Couturier und Anja Lechner gründete er die Gruppe Il Pergolese, deren gleichnamiges Debütalbum (2012) frei auf Kompositionen von Giovanni Battista Pergolesi basiert.
Eivind Aarset, 1961 im norwegischen Kolbotn geboren, spielt seit dem zwölften Lebensjahr Gitarre. Anfangs von Jimi Hendrix inspiriert, fiel er bald auch unter den Einfluss seines norwegischen Landsmannes Terje Rypdal und von Pete Cosey von Miles Davis’ “Agartha”-Band. In den 1990er Jahren trug er maßgeblich dazu bei, die Rolle der elektrischen Gitarre in der kreativen Musik neu zu definieren, in dem er auf fast schon malerische Art mit Textur, Farbe Atmosphäre arbeitete. Eivinds gefeiertes ECM-Debütalbum “Dream Logic” erschien 2012. Ihm folgte 2014 “Atmosphères”, aufgenommen mit einem improvisierenden Quartett, das neben ihm Tigran Hamasyan, Arve Henriksen und Jan Bang featurete. Beteiligt war Eivind darüber hinaus an den bahnbrechenden ECM-Alben “Khmer” (1998) und “Solid Ether” (2000) von Nils Petter Molvær, “Small Labyrinths” (1994) von Marilyn Mazur’s Future Song, Arild Andersens “Electra” (2005), Arve Henriksens “Carthography” (2008), John Hassells “Last Night The Moon Came Drop Its Clothes In The Street” (2009), Ketil Bjørnstads “La Notte” (2013), Foods “Mercurial Balm” (2012), Michel Benitas “River Silver” (2016) und schließlich drei Alben von Andy Sheppard: “Movements In Colour” (2009), “Surrounded By Sea” (2015) und “Romaria” (2018).
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