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Zum Tod von Roberto Masotti: Ein Fotokünstler, der auch mit den Augen hörte

Im Alter von 75 Jahren ist am 25. April in Mailand der italienische Fotograf Roberto Masotti verstorben, dessen Bilder rund 200 ECM-Cover und -Booklets geschmückt haben.
Roberto Masotti (c) Ingo Biermann
Roberto Masotti (c) Ingo Biermann
29.04.2022
Der 1947 in Ravenna geborene Roberto Masotti, ein alter Freund und enger Mitarbeiter von ECM Records, ist vor wenigen Tagen nach längerer Leukämie-Krankheit gestorben. Seine Jahrzehnte währende Zusammenarbeit mit ECM Records begann Masotti 1973 mit Fotos für Keith Jarretts “Solo Concerts Bremen/Lausanne” (ECM 1035–37). In den 1970er Jahren pendelte der Italiener ständig zwischen seinem Wohnsitz in Mailand und den von ECM genutzten Tonstudios in Oslo und Ludwigsburg hin und her, um etliche Aufnahmesessions als Fotograf einzufangen. Gemeinsam mit seiner Frau Silvia Lelli war Roberto von 1979 bis 1996 offizieller Fotograf der Mailänder Scala und dokumentierte dort Aufführungen von klassischer Musik, Oper und Ballett.
Parallel dazu arbeitete er in Verbindung mit den italienischen Vertrieben Giucar und Ducale auch als Promoter für ECM und war regelmäßig bei Veranstaltungen des Labels in ganz Europa präsent.
Gemeinsam mit Manfred Eicher und Dieter Rehm kuratierte er 1990 im Palazzo Massari in Ferrara die erste große ECM-Coverausstellung, die – nach einem Zitat des heiligen Bernhard von Clairvaux – “Se brami vedere, ascolta” (“Wenn Sie sehen wollen, hören Sie zu”) betitelt war. Unter den Bäumen im Park des Palazzo fotografierte er damals die Statue eines Jungen (“Ragazzo che si sveste” von Augusto Murer), die später als Titelbild das Album “Officium” (ECM 1525) von Jan Garbarek und dem Hilliard Ensemble zierte. Als Hörer fühlte sich Roberto oft zum Experimentellen hingezogen, und sein Portfolio umfasste Fotos von alle wichtigen Avantgarde-Vertretern, sei es aus dem Bereich der Improvisation oder der zeitgenössischen Komposition. Ein eindrucksvolles Porträt von John Cage in seinem New Yorker Loft schmückte zum Beispiel Herbert Hencks Aufnahme von Cages früher Klaviermusik (“Early Piano Music”, ECM 1844). Eine riesige Vergrößerung von einer Aufnahme, die das Art Ensemble of Chicago beim Bergamo Festival in Aktion zeigte, begrüßte die Besucher der ECM-Ausstellung “A Cultural Archaeology” im Münchner Haus der Kunst.
Roberto Masotti hat mehrere Bücher mit seinen Fotos veröffentlicht. Eines davon war “Keith Jarrett: A Portrait”, das Auftritte und Sessions von 1969 bis 2009 dokumentierte: mit Bildern von Jarretts amerikanischem Quartett (mit Dewey Redman, Charlie Haden und Paul Motian), der Belonging-Gruppe (mit Jan Garbarek, Palle Danielsson und Jon Christensen), dem Standards-Trio (mit Gary Peacock und Jack DeJohnette) und Solokonzerten.