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Trio Mediæval trifft auf Arve Henriksen – Improvisation als Bindeglied zwischen Musik des Mittelalters und der Gegenwart

Auf “Rimur”, seinem siebten Album für die ECM New Series, arbeitet das weibliche Vokaltrio aus Norwegen eng mit dem Trompeter und Landsmann Arve Henriksen zusammen.
Trio Mediæval
Trio Mediæval© Oddleiv Apneseth / ECM
10.03.2017
Auch auf seinem siebten Album erweitert das Trio Mediæval wieder einmal die Bandbreite seiner Musik. Bei den vorangegangenen Aufnahmen für die ECM New Series hatte es sich auf Aspekte der Alten Musik konzentriert, insbesondere die geistliche monophone und polyphone Musik des Mittelalters, aber auch auf seine ausgeprägten Verbindungen zu zeitgenössischen Komponisten. Parallel erforschte das Trio zudem das Universum traditioneller Volkslieder. Auf “Rimur” unterstreichen die drei Sängerinnen – Anna Maria Friman, Linn Andrea Fuglseth und Berit Opheim – nun in einer Zusammenarbeit mit dem Trompeter Arve Henriksen, der sich ebenfalls mit der Musik aus verschiedenen nordischen Quellen auseinandersetzt, ihr Interesse an der Improvisation.
Wie Anna Maria Friman im Begleittext zu dieser CD durchblicken lässt, ist Improvisation schon seit langem eine bedeutende Komponente der nordischen Musiktradition, die das Trio Mediæval mit Begeisterung aufgegriffen hat. “In den vergangenen zehn Jahren hatten wir das Glück, an neuen Kooperationsprojekten mit norwegischen Jazzmusikern und Improvisierern beteiligt gewesen zu sein. Und die Inspiration und Kreativität, die diese Musiker in die Musik und Gruppe einbrachten, waren für uns sehr wichtig.” Das Trio arbeitete in dieser Zeitspanne mit Tord Gustavsen, Trygve Seim, Nils Økland, Mats Eilertsen und vielen anderen zusammen. Arve Henriksen trat mit dem Trio Mediæval schon oft live auf, und gemeinsam sind die Sängerinnen und der Trompeter auch auf Sinikka Langelands jüngstem Album “The Magical Forest” zu hören. Aber “Rimur” ist das erste Album, auf dem ihre Zusammenarbeit umfassend dokumentiert wurde.
Die Wurzeln des gegenwärtigen Projekts reichen zurück ins Jahr 2007, als das Trio Mediæval und Arve Henriksen zum ersten Mal an einer Feier in Dalksfjorden an der norwegischen Westküste teilnahmen. Gefeiert wurde die Verbindung zwischen dem Dörfchen Rivedal und der isländischen Hauptstadt Reykjavík, die von dem nordischen Siedler Ingólfr Arnarson – der aus Rivedal stammte – gegründet worden war. Über mehrere Sommer hinweg trafen sich das Trio Mediæval und Arve Henriksenimmer wieder in Dalsfjorden. Genau dort hatte auch der Großteil der Musik für diese Aufnahmen seinen Ursprung. Fasziniert und inspiriert von isländischen Sagen, Gesängen, Volksmusik, geistlichen Liedern und Fiddlestücken, stellte das Quartett ein einzigartiges Programm zusammen, in dem Improvisationen, mittelalterliche und traditionelle Musik – aus Island, Norwegen, Schweden und von den Orkney-Inseln – auf die Gegenwart treffen. Aus der Integration von Henriksens flüssigem Trompetenklang und der subtilen Vermischung der Stimmmen des Trio Mediæval entstand dabei etwas vollkommen Neues.
“Auf diesem Album”, schreibt Anna Maria Friman im Begleittext, "feiern wir drei Heilige mit ihren berühmten mittelalterlichen Hymnen: den Heiligen Sunniva von Norwegen mit monophonen Gesängen, die Heilige Brigitta von Schweden und den Heiligen Magnus von den Orkneys mit einer zweistimmigen Hymne. Es ist für uns heute nur schwer vorstellbar, aber bis in die späte mittelalterliche Periode hinein gab es in der geistlichen Musik nur sehr wenige polyphone Gesänge. Monophoner Gesang war der Grundstein, auf dem fast alle musikalischen Erfahrungen fußten. In diesem Kontext muss selbst Musik, die für nur zwei Stimmen komponiert war, einen ganz besonderen Eindruck gemacht haben. Die aus dem 17. Jahrhundert stammenden isländischen “Tvísöngurs” waren ursprünglich zweiteilige Lieder eher in der Art des improvisierten Parallelorganums, das man im ganzen mittelalterlichen Europa kannte. “Rimur”, Lieder in der einzigartigen isländischen Tradition des reimenden Erzählverses, wurden ursprünglich von Kvæðamenn (männlichen oder weiblichen Chorsängern) aufgeführt, die vom Gehöft zum Gehöft zogen und denen, wenn sie eine Abendwache rezitierten, Unterkunft und Verpflegung angeboten wurde. Wie die meisten skandinavischen Volkslieder wurden die “Rimur” über Jahrhunderte hinweg mündlich überliefert. Erst im 20. Jahrhundert begannen Ethnographen und Volksliedsammler damit, diese wunderbaren Lieder und Melodien aufzunehmen. Und eine große Anzahl von Stücken wurden für zukünftige Generationen von Sängern und Hörern transkribiert und bewahrt."