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Norma Winstone Trio – filmreife Darbietungen

Eine kreative und sehr abwechslungsreiche Reise in die Welt des Kinos unternimmt das Norma Winstone Trio auf seinem vierten ECM-Album “Descansado (Songs For Films)”.
Norma Winstone
Norma WinstoneMichael Putland / ECM Records
14.02.2018
Norma Winstone, Klaus Gesing und Glauco Venier setzen sich hier mit Musik auseinander, die Nino Rota, Michel Legrand, William Walton, Bernard Herrmann, Ennio Morricone, Armando Trovajoli, Madredeus, Luis Bacalov und Dario Marianelli für Filme von Martin Scorsese, Jean-Luc Godard, Wim Wenders, Norman Jewison, Franco Zeffirelli, Sir Laurence Olivier und andere geschrieben haben. Als Gäste stoßen zu dem bestens eingespielten Trio der norwegische Perkussionist Helge Andreas Norbakken und der italienische Cellist Mario Brunello. Norbakken dürfte ECM-Hörern durch Aufnahmen mit Jon BalkeMathias Eick und Jon Hassell bestens bekannt sein, während sich Brunello für seine interpretatorische Vielseitigkeit vor allem in Kreisen der klassischen und zeitgenössischen Musik sehr geschätzt wird.
Descansado”, betitelt nach Trovajolis bittersüßer, aber schwungvoller Bossa-Melodie für Vittorio De Sicas 1963 entstandenen Episodenfilm “Gestern, heute und morgen”, ist ein Album, das auf mehreren Ebenen funktioniert. Die eleganten Songs fesseln den Hörer sofort, laden ihn aber auch dazu ein, über die kreativen Beziehungen zwischen Regisseuren und Komponisten nachzudenken und darüber wie es der Musik so oft gelingt, subtil zum emotionalen Ton eines Films beizutragen.
Einige der Stücke, die von Winstone und den Musikern in ihren Darbietungen umgestaltet werden, zählen zu den Klassikern des Filmsong-Genres, darunter Nino Rotas “What Is A Youth?” und Michel Legrands “His Eyes, Her Eyes”. Für sechs der Lieder hat die Sängerin, die auch eine einfühlsame Lyrikerin ist, neue Texte geschrieben. Ihre Liedtexte fangen einen Moment oder eine Stimmung oft in einer Art ein, die man als filmisch beschreiben könnte. So wie hier bei ihren Geschichten von Liebe und Verlust, die durch einen Blick, eine Geste oder eine Berührung vermittelt werden. In ihren Arrangements gehen Pianist Venier und Saxophonist/Klarinettist Gesing sowohl auf die Stimmung des jeweiligen Films ein als auch auf die Gefühle, die Winstone in ihren Texten zum Ausdruck bringt.
William Waltons “Touch Her Soft Lips And Part”, ursprünglich für Laurence Oliviers Verfilmung von Shakespeares “Heinrich V” geschrieben, ist ein Stück, das John Taylor zu spielen pflegte. (Taylors eigene Interpretation kann man auf Peter Erskines “As It Is”  hören). Normas Worte scheinen sich hier nicht nur auf eine Filmszene zu beziehen: “All of his magic/Still lives in her mind/All the sounds and images/Slowly rewind.” Und das Cello von Mario Brunello unterstreicht die Stimmung des Liedes.
Manchmal findet Winstone, ihren eigenen Instinkten folgend, neue Assoziationen zu einer bekannten Melodie. So gestaltet sie Bernard Herrmanns Thema für Scorseses “Taxi Driver” eher melancholisch als bedrohlich, wenn sie ein anderes Bild des Hexenkessels entwirft: “The siren’s lullaby/Goes on into the night/Relentless and mournful, it never ends.”
Cellist Brunello, dessen Œuvre Aufnahmen mit Musik von Bach bis Ligeti umfasst, beweist hier ebenfalls seine Vielseitigkeit und schafft es in dem folkloristischen Thema von “Meryton Townhall” (für Joe Wrights Film “Stolz und Vorurteil”) sogar, Bilder von der ländlichen Idylle Englands heraufzubeschwören. Hier wie auch in den beiden Themen für Wim Wenders’
“Lisbon Story” und Jean-Luc Godards “Die Geschichte der Nana S.” (das spontan während der Sessions ins Programm aufgenommen wurde) setzt Norma ihre Stimme wortlos, als reines Instrument ein, so wie sie es in den 1970er Jahren tat, als sie ihr ECM-Debüt im Azimuth-Trio mit Kenny Wheeler und John Taylor gab. Den beiden vor wenigen Jahren verstorbenen Weggefährten widmete Winstone übrigens auch dieses Album.
Tatsächlich wollte Norma Winstone schon immer statt Frontfrau lieber ein Teil des Ensembles sein. Sie liebt es, mit ihren Partnern improvisierte Linien zu verweben und Harmonien aufblühen zu lassen. Wenn sie Lieder mit Texten singt, zieht sie ihre Mitmusiker immer tiefer in die Handlungsstränge hinein, die von den Lyrics skizziert werden, bis die Handlung aus mehreren Perspektiven beleuchtet wird. Auf “Descansado” gilt dies sowohl für die Gastmusiker als auch für Gesing und Venier, die nun schon seit mehr als fünfzehn Jahren mit Norma zusammenarbeiten. Sein erstes Album, “Chamber Music”, brachte das Trio 2002 bei Universal Music heraus. Bei ECM erschienen danach das für einen Grammy nominierte Album “Distances” (2007), “Stories Yet To Tell” (2009) und “Dance Without Answer” (2012).
Die Musik von “Descansado” wird Norma Winstone am 18. Februar bei einem speziellen Release.Konzert mit Glauco Venier, Klaus Gesing und Helge Andreas  Norbakken im Stadttheater von Landsberg am Lech erstmals live vorstellen.