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Nachruf auf Misha Alperin – ein grenzenloser musikalischer Freidenker

Im Alter von 61 Jahren ist am 11. Mai 2018 in Oslo der Pianist, Komponist und Improvisationskünstler Misha Alperin verstorben.
Misha Alperin
Misha AlperinAnne-Marie de Haas / ECM Records
16.05.2018
Der 1956 in der Ukraine geborene Misha Alperin wuchs im ländlichen Bessarabien, dem östlichen Teil Moldawiens, auf. Während er am Konservatorium klassisches Klavier und Komposition studierte, spielte er nebenbei mit Volksmusikern seiner Heimat zusammen. Zum Jazz fand erst mit 24 Jahren durch Aufnahmen von Charlie Parker und John Coltrane. Großen Einfluss übten danach vor allem die Jazzpianisten Art Tatum, Red Garland, Thelonious Monk, Lennie Tristano und Keith Jarrett auf ihn aus.

1983 zog Alperin nach Moskau, wo er den Waldhornisten und Flügelhornspieler Arkady Shilkloper kennenlernte, der damals u.a. Mitglied des Bolschoi-Blechbläserquintetts war. Schon bald sollte dieser Alperins engster musikalischer Verbündeter werden. “Ich möchte Barrieren niederreißen und Grenzen nicht nur im geographischen Sinne überschreiten, sondern auch in historischer Hinsicht – die Grenzen zwischen Epochen”, definierte Alperin seinerzeit sein Ziel.Die erste europäische Tour führte das Duo u.a. nach Oslo, wo sie das Rainbow Studio von Jan Erik Kongshaug besuchten und über diesen Kontakt zu ECM herstellen konnten. Ihr erstes ECM-Album “Wave Of Sorrow” wurde dort 1989 aufgenommen und erhielt glänzende Kritiken. “Alperins Kompositionen bestimmten Genres zuzuordnen ist unmöglich”, schrieb Thomas Rothschild damals in der Frankfurter Rundschau. “Meist sind es aphoristische Stücke, die Bartók, Schnittke oder Kurtág ebenso viel verdanken wie Jarrett oder Corea. Tatsächlich sind sie einzigartig und verdienen es unbedingt gehört zu werden.”

1993 ließ sich Alperin in Oslo nieder, wo er an der Norwegischen Staatsakademie für Musik eine Professur für Jazzpiano und Improvisation antrat. In den folgenden Jahren arbeitete er auf einer Reihe von Alben mit norwegischen Musikern zusammen, auf “North Story” etwa mit Tore Brunborg und Jon Christensen. Der Schlagzeuger wirkte auch an der Einspielung des Albums “First Impressions” mit, das eine inspirierte, spontane Begegnung zwischen Alperin und John Surman dokumentierte. Ein weiterer Spielpartner war die deutsche Cellistin Anja Lechner, die auf den Alben “Night” (aufgenommen beim VossaJazz-Festival) und “Her First Dance” zu hören war und im Trio mit Alperin und Shilkloper tourte.

Alperins persönlichstes und intimstes Album ist vielleicht die 1998 erschienene Soloaufnahme “At Home”, über die der Pianist Folgendes mitzuteilen hatte: “Der Geist war ruhig, die Ohren wachsam und die Musik entstand praktisch ohne Korrekturen. Die Improvisation dient hier einfach als Pinsel, mit dessen Hilfe man im Angesicht der Nacht ehrlich sein kann.”