Der Titel des neuen Albums von Trygve Seim verrät es gleich: als Inspiration dienten dem norwegischen Saxophonisten und seinem neu formierten Quartett für das weitgefächerte Programm von “Rumi Songs” Gedichte des persischen Sufi-Mystikers Dschalāl ad-Dīn ar-Rūmī (1207–1273). Mit Stücken, die wechselweise von der klassischen Liedertradition, zeitgenössischer Kammermusik, arabischer, indischer und noch mancher anderer Musik beeinflusst sind, fällt es schwer, diese “Rumi Songs” präzise zu definieren. Einige von ihnen sind straff durchkomponiert, während in andere intensive und einfallsreiche Improvisationen von Bandleader Seim, Akkordeonspieler Frode Haltli und Cellist Svante Henryson eingebunden sind. Nicht weniger beeindruckend als die drei Instrumentalisten ist auch die Mezzosopranistin Tora Augestad. Sie ist der Herausforderung, Seims Rumi-Vertonungen eine Stimme zu geben, glänzend gewachsen. “Es war ein gewagtes Unterfangen, diesen Liederzyklus in verschiedene Richtungen zu treiben”, sagt Trygve Seim. “Wir erreichten das, indem wir viele Schichten und Farben der Gedichte freilegten und sie musikalisch nutzten.”
Ermuntert von der mittlerweile verstorbenen Sopranistin Anne-Lise Berntsen, komponierte Trygve Seim seine ersten “Rumi Songs” schon 2003. Seitdem hat er das Projekt weiterentwickelt und mit verschiedenen Instrumentierungen experimentiert (u.a. mit Stimme, Kirchenorgel, Klavier und sogar mit dem Sinfonieorchester von Kairo), bis er sich schließlich auf die Besetzung festlegte, die man nun auf dem Album hören kann. Die Erstaufführuung des kompletten Liederzyklus’ erfolgte 2013 im norwegischen Østfjold. Seitdem wurde das Programm bei Tourneen noch feiner abgestimmt, bevor man im Februar 2015 für die Aufnahmen des Albums mit Manfred Eicher ins Osloer Rainbow Studio ging. Die Entstehungsgeschichte des Projekts kann man en detail im Begleittext von “Rumi Songs” nachlesen.
Mit seinem 2001 erschienenen ECM-Debütalbum “Different Rivers”, das im selben Jahr mit dem Jahrespreis der Deutschen Schallplattenkritik ausgezeichnet wurde, beeindruckte Trygve Seim sofort. Seitdem hat er auf über zwanzig ECM-Alben mitgespielt: mal mit einem größeren eigenen Ensemble wie auf “Sangam” oder mit dem Kollektiv The Source, dann wieder in Duo-Konstellationen mit Frode Halti und Pianist Andreas Utnem oder aber als Mitglied der Band des Gitarristen Jacob Young. Dieses Jahr scheint Seim geradezu omnipräsent zu sein: erst kürzlich war er mit Mats Eilertsens Septett auf dem Album “Rubicon” sowie mit Sinikka Langeland und dem Trio Mediæval auf “The Magical Forest” zu hören. Parallel zu seinem spannenden neuen Album “Rumi Songs” erscheint gerade auch “Ante Lucem”, eine besonders ambitionierte Aufnahme mit der finnischen Pianistin, Harfenistin und Komponistin Iro Haarla und einem Sinfonieorchester.