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Marco Ambrosini & Ensemble Supersonus – Brückenschlag zwischen Kulturen und Traditionen

Mit seinem in jeder Hinsicht außergewöhnlichen Ensemble Supersonus präsentiert sich der italienische Nyckelharpa-Virtuose Marco Ambrosini auf dem Album “Resonances”.
Ensemble Supersonus
Ensemble SupersonusThomas Radlwimmer / ECM Records
21.06.2019
Den Nyckelharpa-Spieler Marco Ambrosini konnte man bei ECM erstmals 2006 auf Rolf Lislevands Album “Nuove Musiche” hören. Auf “Resonances” stellt er nun sein Ensemble Supersonus vor, das dem Hörer eine einzigartige Instrumentenmischung bietet, die hier noch durch den außerweltlichen Obertongesang von Anna-Maria Hefele ergänzt wird. In einem sehr weit gespannten Repertoire – das neben Kompositionen von Biber, Frescobaldi und Hildegard von Bingen auch schwedische Volksweisen, osmanische Hofmusik und Originalstücke der einzelnen Bandmitglieder umfasst – werden auf “Resonances” Brücken zwischen Kulturen und Traditionen geschlagen. Drei Stücke – “Ananada Rasa”, “Fjordene” und “Ritus” – stammen aus der Feder von Wolf Janscha, dem Maultrommel-Spezialisten des Ensembles. Eröffnet wird das Programm aber mit Ambrosinis solo auf der Nyckleharpa vorgestellten “Fuga Xylocopae”, der sich eine frische und funkelnde Interpretation von Heinrich Ignaz Franz Bibers “Rosenkranz-Sonate Nr. 1” anschließt. Zu den lebhaften Arrangements der Musik trägt das gesamte Ensemble Supersonus bei.
Das Ensemble wurde gegründet, weil die Musiker gemeinsam nach einem Klang suchen wollten, der archaische Stile mit Barock und anderer Alter Musik verbinden sollte. Die aktuelle Quintett Besetzung von Supersonus fand sich 2014 zusammen. Seither haben die Ensemblemitglieder das Repertoire noch um eigene Kompositionen erweitert. In ihren Werken werden Kontraste, Verschiedenheiten und musikalische Extreme nicht als Konflikte wahrgenommen, sondern als Quellen neuer Energie. 
“Resonances”, aufgenommen 2015 in Lugano, ist zwar das erste Album der Band, aber sowohl das Ensemble als auch seine Mitglieder sind bereits einem breiten Publikum bekannt. Anna-Maria Hefele gilt inzwischen als eine der kreativsten zeitgenössischen Obertonsängerinnen, und ihr polyphoner Ansatz bei dieser Gesangstechnik war Gegenstand einer Reihe von Lehrvideos, die millionenfach gesehen wurden. Die in der Nähe von München geborene Hefele machte 2018 ihren Abschluss am Carl-Orff-Institut des Salzburger Mozarteums. Seit 2006 schreibt sie eigene Kompositionen für polyphone Solostimmen, arbeitete mit Chören wie dem Obertonchor München, spielte aber auch schon Folkmusik und Musik für Ballett und Theater. Bei ihren Solokonzerten begleitet sie ihren einzigartigen Gesang selbst auf Harfe und Nyckelharpa. Zum Repertoire von “Resonances” steuerte sie ihr Stück “2 Four 8” bei, in dem sie die Obertöne wie Kieselsteine über die Oberfläche eines Sees hüpfen lässt. 
Anna-Liisa Eller, die – sowohl mit Anmut als auch starkem dynamischen Gespür – das estnische Zupfinstrument Kannel spielt (das aus der baltischen Zithernfamilie stammt und eng mit der finnischen Kantele verwandt ist), absolvierte die estnische Musikakademie und studierte danach bei Lehrern wie Rolf Lislevand in Lyon und Trossingen weiter. Sie gewann u.a. den ersten Preis beim internationalen Kantele-Wettbewerb in Helsinki 2011. Eller arbeitet eng mit Ensembles zusammen, die Alte Musik aufführen, darunter Lislevands Ensemble Kapsberger, Vox Clamantis, Oni Wytars (das von Ambrosini mitbegründet wurde) und Rondellus. Darüber hinaus ist sie auch schon mit dem Staatlichen Symphonieorchester Estlands (Eesti Riiklik Sümfooniaorkester, ERSO) aufgetreten.
Keyboarderin Eva-Maria Rusche, die hier an Cembalo und Tafelklavier zu hören ist, komponierte das kantige, treibende “Erimal Nopu” zusammen mit Marco Ambrosini, mit dem sie auch im Duo auftritt. Rusche wurde in Tübingen geboren und erhielt von klein auf Klavier- und Orgelunterricht. Nach dem Studium der Physik und Musikwissenschaft in Heidelberg studierte sie Kirchenmusik und Orgel in Lübeck und Stuttgart sowie Cembalo und historische Tasteninstrumente. Grundlegende Impulse für ihre künstlerische Entwicklung erhielt sie zudem durch Studien bei Michael Radalescu und Gordon Murray in Wien sowie ihre Teilnahme an zahlreichen Meisterkursen für Orgelchor und Improvisation. Als Solistin spielt Rusche Cembalo- und Orgel-Recitals. Darüber hinaus wirkt sie in Ensembles mit, die Musiker unterschiedlicher stilistischer Herkunft zusammenbringen, darunter – neben Supersonus – Oni Wytars, die Tabla-Takla Connection und Facilité.
Der aus Wien stammende Wolf Janscha studierte klassische Gitarre, widmet sich aber seit Mitte der 1990er Jahre der Maultrommel, auf der er als Autorität und Virtuose anerkannt ist. Das bescheidene Lamellophon hat eine lange Geschichte, die bis mindestens ins vierte Jahrhundert v. Chr. zurückreicht. Heute spielt es in der Volksmusik vieler Kulturen der ganzen Welt immer noch eine Rolle. Janscha hat sich unter anderem mit norwegischen, österreichischen, sibirischen und indischen Spieltechniken auseinandergesetzt. Sein eigener Spielstil tendiert zu stark betonten Rhythmus- und motivischen Obertonmelodien (wie man sie hier beispielsweise im Schlussstück “Ritus” hören kann).
Marco Ambrosini, der im italienischen Forlì zur Welt kam, studierte Geige, Bratsche und Komposition am Istituto G.B. Pergolesi in Ancona und am Rossini-Konservatorium von Pesaro. Er ist einer der wenigen Nyckelharpa-Spieler, die außerhalb der schwedischen Volkstradition arbeiten. Seit er das Instrument 1983 erstmals in die Hand nahm, avancierte er zu einem seiner herausragendsten Repräsentanten und verhalf dem Instrument zu einer neuen Rolle in der Barock- und zeitgenössischen Musik. Seit 2004 gehört er zum Kreis der ECM-Aufnahmekünstler und war schon auf Alben wie Rolf Lisevands “Nuove Musiche” und “Diminiuito”, Giovanna Pessi und Susanna Wallumrøds “If Grief Could Wait” und Helena Tulves “Arboles Lloran Por Lluvia” sowie seinem Duo-Projekt “Inventio” mit dem Akkordeonisten Jean-Louis Matinier zu hören. Seine Diskographie umfasst aber noch mehr als 150 weitere Aufnahmen. Als Solist und Nyckelharpa-Spieler trat er in vielen der großen Konzertsäle der Welt auf, von der Mailänder La Scala bis zur New Yorker Carnegie Hall.
Ambrosini ist immer schon genreübergreifend tätig gewesen und hat bei Improvisationsprojekten mit u.a. Michael Riessler und Valentin Clastrier zusammengearbeitet. Mit dem ebenfalls grenzüberschreitenden Ensemble Supersonus ist Marco Ambrosini am 8. Juni beim INNtöne Jazz Festival im österreichischen Diersbach aufgetreten.