Binnen weniger Jahre gelang es dem Münchner Plattenlabel so, sich als ein einzigartiges Forum für improvisierte und notierte Musik zu etablieren. Dieses Jahr kann es stolz auf ein halbes Jahrhundert kontinuierlicher Entwicklung und entschiedener Unabhängigkeit zurückblicken. Kaum eine Branche hat sich im Laufe der Jahre so grundlegend verändert wie das Musikgeschäft. Vor diesem Hintergrund wirkt die Tatsache, dass ECM seine selbst definierten Ziele ruhig, aber beharrlich verfolgt hat, zunehmend wie ein Akt des Widerstands gegen oberflächliche Trends und kommerzielle Zugeständnisse.
Inzwischen umfasst der ECM-Katalog über 1600 Titel, darunter Welterfolge wie Keith Jarretts "Köln Concert” und "The Melody At Night, With You”, Pat Methenys "Offramp”, Chick Coreas "Return To Forever” und "Officium” von Jan Garbarek und dem Hilliard Ensemble. Obwohl ECM-Alben seit 2017 auch über Streaming-Dienste erhältlich sind, bevorzugt Manfred Eicher als Medium für seine Produktionen nach wie vor das CD- und LP-Format. Denn nur das Album in seiner Gesamtheit und mit seiner fein kalibrierten musikalischen Dramaturgie erlaubt es dem Hörer, die Reise in die “Hörlandschaften”, die das Label so berühmt gemacht haben, zu vollenden. Noch heute wird jede einzelne ECM-Veröffentlichung als Gesamtkunstwerk konzipiert – als ein ganzheitliches ästhetisches Erlebnis mit Musik, Klangdesign und Artwork.
Der in Lindau am Bodensee geborene Manfred Eicher hatte in Berlin Kontrabass studiert. Nachdem er seine Liebe zur Musik von Künstlern wie Bill Evans, Paul Bley, Miles Davis und dessen Bassisten Paul Chambers entdeckt hatte, beschäftigte er sich intensiv mit dem Jazz. Als Produktionsassistent bei der Deutschen Grammophon hatte er gelernt, was es bedeutet, bei Aufnahmen klassischer Musik höchste Ansprüche zu stellen. Bei ECM legte er von Anfang an Wert darauf, improvisierte Musik mit derselben Präzision und Konzentration aufzunehmen.
”Free At Last”, der Titel von Pianist Mal Waldrons Album, das 1969 als erste Produktion von dem neuen Label herausgebracht wurde, klang fast wie eine "Absichtserklärung”. Danach erwarb sich ECM mit wegweisenden Aufnahmen von Künstlern wie Keith Jarrett, Jan Garbarek, Chick Corea, Paul Bley, Egberto Gismonti und Pat Metheny schnell den Ruf, ein Label zu sein, von dem man in Zukunft noch viel hören würde. Durch Aufnahmen von Meredith Monk und Steve Reich erweiterte ECM ab Ende der 1970er sein stilistisches Portfolio, was 1984 zur Schaffung der ECM New Series führte. In ihr erscheinen seither Aufnahmen notierter Musik. Die erste Produktion präsentierte “Tabula Rasa” von Arvo Pärt. Zu den Highlights des Katalogs zählen u.a. Werke von Giya Kancheli, Valentin Silvestrov, Tigran Mansurian, György Kurtág, Heinz Holliger, dem Hilliard Ensemble, Kim Kashkashian, Gidon Kremer, dem Danish String Quartet und András Schiff.
Die historischen Errungenschaften von ECM wurden im Jubiläumsjahr auf zahlreichen Festivals und bei Ausstellungen in aller Welt gewürdigt. Veranstaltungen, bei denen ECM-Künstlern eine besondere Bühne geboten wurde, gab es u.a. in den USA, den Niederlanden, Kanada, Italien, Südkorea, Norwegen, Mazedonien, Irland, Belgien, Polen und natürlich Deutschland. Parallel heimste Manfred Eicher eine Reihe von persönlichen Ehrungen ein: im DownBeat Critics Poll wurde er etwa zum achten Mal in Folge zum Produzenten des Jahres gekürt und 2018 in den illustren Kreis der Honorary Fellows der Londoner Royal Academy of Music aufgenommen.
Doch für Eicher und ECM ist all dies kein Grund, sich auf den Lorbeeren auszuruhen. Mit ungebrochener Leidenschaft bemüht man sich weiterhin, der kreativen Musik neue Impulse zu geben. So machte das Label in jüngster Zeit mit Alben des Trompeters Avishai Cohen sowie der Pianisten Shai Maestro und Yonathan Avishai auf drei israelische Jazzmusiker aufmerksam. Zu den bemerkenswertesten Veröffentlichungen in der ECM New Series gehörten zuletzt die 3-CD-Box mit György Kurtágs “Complete Works For Ensemble And Choir” (2017) sowie Anja Lechner und Pablo Márquez' großartige Schubert-Transkriptionen für Cello und Gitarre (”Die Nacht”, 2018).