ECM Sounds | News | Ein Jazztrio, das vor Spielfreude und Einfallsreichtum nur so übersprudelt!

Ein Jazztrio, das vor Spielfreude und Einfallsreichtum nur so übersprudelt!

Vor etwas mehr als 20 Jahren bildete der britische Pianist John Taylor mit Marc Johnson und Joey Baron eines der dynamischsten Trios des Jazz. Nun veröffentlicht ECM mit “Tramonto” eine atemberaubende Live-Aufnahme dieses Trios aus dem Jahr 2002.
John Taylor Trio
John Taylor Trio(c) Diana Taylor ECM Records
18.09.2025
Als John Taylor (1942–2015) im Januar 2002 im CBSO Centre in Birmingham auftrat, befand er sich in ausgelassener Feierstimmung. Das Konzert fand im Rahmen einer ausgedehnten Tournee statt, die das Contemporary Music Network des britischen Arts Council anlässlich von Taylors 60. Geburtstag organisiert hatte. der britische Pianist nutzte damals die Gelegenheit, um dem Publikum sein neues Trio mit den beiden Amerikanern Marc Johnson und Joey Baron vorzustellen. Das Trio ging als eine von Taylors dynamischsten und schlagfertigsten Formationen in die Annalen ein und nahm nur drei Monate später in Oslo das von der Kritik hochgelobte ECM-Album “Rosslyn” auf. Zehn Jahre nach Taylors Tod bringt ECM nun unter dem Titel “Tramonto” eine Aufzeichnung des Konzerts in Birmingham heraus.
John Taylor nahm sein erstes Album für ECM Records 1977 mit dem Trio Azimuth auf, das er mit der Sängerin Norma Winstone und dem Trompeter und Flügelhornisten Kenny Wheeler gebildet hatte. Und obwohl er danach an zahlreichen weiteren Aufnahmen für das Label beteiligt war, befanden sich darunter nur wenige im klassischen Jazz-Klaviertrio-Format. Die einzige Ausnahme waren die vier Alben, die er in den 1990er Jahren als Mitglied eines von dem Schlagzeuger Peter Erskine geleiteten Trios aufgenommen hatte. Zum Repertoire dieses Trios, das von dem norwegischen Bassisten Palle Danielsson komplettiert wurde, steuerte Taylor auch eigene Kompositionen bei. Zwei dieser Stücke – “Pure and Simple” und “Ambleside” – werden auf “Tramonto” wieder aufgegriffen und kraftvoll neu interpretiert. Während er das Konzert in Birmingham mit “Pure and Simple” sehr dynamisch eröffnet, beendet er es mit “Ambleside”, einem 15-minütigen Epos mit schnell wechselnden Stimmungen, das allen drei Musikern Gelegenheit für ausgedehnte Soli gibt.
In seinem Nachruf auf John Taylor im Guardian bezeichnete der Kritiker John Fordham den Pianisten 2015 als “superben Komponisten für Improvisatoren, der Stücke schuf, die romantisch, liedhaft und doch harmonisch unvorhersehbar waren”. Ein wunderbares Beispiel dafür ist das zarte “Between Moons”, das später auch auf “Rosslyn” erscheinen sollte. Das Stück macht den anhaltenden Einfluss deutlich, den Bill Evans auf John Taylor hatte. Unterstrichen wird dies hier zusätzlich durch Taylors Interaktion mit Marc Johnson, der bekanntlich der Bassist von Evans letztem Trio gewesen war. 
Das Konzertprogramm wird durch zwei Fremdkompositionen abgerundet. Zum einen durch Steve SwallowsUp Too Late”, das von Bop-Phrasierungen zu freiem Spiel übergeht und ein in hohen Lagen gespieltes, gespenstisch wirkendes Arco-Solo von Johnson sowie irrwitzige Schlagzeugeinlagen von Baron bietet. Zum anderen durch das von Ralph Towner komponierte Titelstück. Towner selbst hatte “Tramonto” vor dreißig Jahren im Duett mit dem Bassisten Gary Peacock auf dem ECM-Album “Oracle” uraufgeführt.
In seiner Jazzwise-Rezension von “Rosslyn” schrieb Kenny Mathieson 2002: “Taylors subtiler, aber energiegeladener Anschlag und seine fließenden melodischen Ideen finden ein bereitwilliges Echo bei Johnson und Baron, zwei Musikern, die bestens mit der Art von unerwarteten Wendungen und verschachteltem strukturellem Zusammenspiel vertraut sind, die so typisch für die musikalische Fantasie des Pianisten sind.
Neben dem Trio-Album “Rosslyn” spielte John Taylor für ECM Records fünf Alben mit Azimuth ein: “Azimuth”, “The Touchstone”, “Départ”, “Azimuth ‘85” und “How It Was Then – Never Again”. Darüber hinaus wirkte der Pianist an ECM-Aufnahmen von John Surman (“Stranger Than Fiction”, “Proverbs and Songs”), Jan Garbarek (“Places”, “Photo With Blue Sky”), Kenny Wheeler (“Double Double You”, “Music For Large and Small Ensembles”, “The Widow In The Window”, “A Long Time Ago”), Norma Winstone (“Somewhere Called Home”), Peter Erskine (“You Never Know”, “Time Being”, “As It Is”, “Juni”), Miroslav Vitous (“Journey’s End”), Arild Andersen (“Molde Concert”), Mark Feldman (“What Exit”) und Marilyn Mazur (“Celestial Circle”) mit.
Marc Johnson und Joey Baron waren ebenfalls an zahlreichen Aufnahmen für ECM beteiligt. Zusammen bildeten sie die Rhythmusgruppe der Band von John Abercrombie auf den Alben “Cat’n’Mouse”, “Class Trip” und “The Third Quartet”. Baron spielte außerdem Schlagzeug auf Marc Johnsons Soloalben “Shades of Jade” und “Swept Away”.
Joey Baron spielt derzeit mit dem Fred Hersch Trio und ist auf dessen neuestem ECM-Album “The Surrounding Green” zu hören, das im Juli dieses Jahres erschienen ist. In den letzten Jahren hat er auch eng mit dem dänischen Gitarristen Jakob Bro zusammengearbeitet. Diese Kooperation auf den ECM-Alben "Streams", “Bay Of Rainbows” und “Once Around The Room” dokumentiert.
Seit Marc Johnson 1986 mit seiner außergewöhnlichen Band Bass Desires (mit John Scofield, Bill Frisell und Peter Erskine) zur ECM-Familie stieß, trat er in den unterschiedlichsten Kontexten in Erscheinung: Im Trio mit John Abercrombie und Peter Erskine (“Current Events”, “John Abercrombie / Marc Johnson / Peter Erskine” , “November), als Sideman von Charles Lloyd (”Lift Every Voice"), Dino Saluzzi (“Cite De La Musique”) und Ralph Towner (“Lost and Found”) sowie als Solokontrabassist auf dem 2021 erschienenen Album “Overpass”.
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