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ECM-Jahresrückblick 2020 – Teil 2

Für den zweiten Teil unseres ECM-Jahresrückblicks haben wir Kritikerstimmen zu Alben von Terje Rypdal, Dominik Wania, Michel Benita, Matthieu Bordenave, Anja Lechner & François Couturier, Keith Jarrett, Dino Saluzzi und Elina Duni & Rob Luft eingefangen.
ECM Records
ECM Records
15.12.2020
Terje Rypdal: “intuitives Meisterstück des Interplay”
‘Conspiracy’ ist nicht nur der Titel des neuen Albums und einer neuen Komposition von Terje Rypdal, sondern zugleich auch der Name seiner aktuellen Band, in der er neben alten (Keyboarder Ståle Storløkken) und sehr alten Bekannten (Schlagzeuger Pål Thowsen) auch ein neues Gesicht (E-Bassist Endre Hareide Hallre) präsentiert. Der norwegische E-Gitarrist knüpft hier auf erfrischende Weise an die Inspiration an, die ihn in den 1970ern beim Einspielen seiner frühen Meisterwerke beflügelte, als er das Potenzial seines Instruments mit der Begeisterung des Rock-Improvisators für ungebändigte Energie und dem Gespür eines Komponisten für Raum und Klangfarben auslotete. “Conspiracy” ist außerdem Terje Rypdals erstes neues Studioalbum für ECM Records in zwei Jahrzehnten." Dieser eigentümliche Gitarrenton, der sein letztes Geheimnis nie preisgibt, der kurz vor dem Höhepunkt immer wieder flächig entschwindet und den Hörer in sein Rätsel einhüllt, ist und bleibt eine musikalische Offenbarung", schrieb Volker Doberstein in Tonart. “Wie diese Band ihre weitschweifigen Klangflächen immer dann verdichtet, wenn der Gitarrenton ein pointiertes Umfeld benötigt, um sich darin neu auszubalancieren, ist ein intuitives Meisterstück des Interplay. ‘Conspiracy’ ist fraglos eines der herausragenden Alben des Jahres.” In Stereoplay meinte Ralf Dombrowski: “Auf der einen Seite stehen der Gitarrist Terje Rypdal und der Schlagzeuger Pål Thowsen, Monumente des skandinavischen Jazzaufbruchs mit Wurzeln weit in den stilistischen Siebzigern. Auf der anderen agieren der auf melodische Präsenz setzende E-Bassist Endre Hareide Hallre und der die Klänge ausweidende Keyboarder Ståle Storløkken, die die Texturvorliebe des Bandleaders mit noch mehr Raum und Schwebung ergänzen. ‘Conspiracy’ entwickelt in dieser Kombination der Persönlichkeiten eine kontrastreiche Impulswelt musikalischer Assoziationen, postrockig beschwörend, soundmalerisch mächtig. […] Ein Manifest.”
Dominik Wania: “Elf Pianopoeme: konzentriert, sensibel, nuanciert”
Bisher kannte man Dominik Wania hierzulande vor allem als Pianisten des Maciej Obara Quartet. Mit diesem spielte er in den letzten paar Jahren die von der internationalen Kritik gefeierten Alben “Unloved” und “Three Crowns” für ECM ein. Auf “Lonely Shadows” lässt Wania nun seiner eigenen Kreativität freien Lauf. “Ein Soloalbum ist für die künstlerische Entwicklung eines Pianisten ein bedeutender Schritt”, meint der 39-Jährige Pole. Und dass er sein erstes gerade für das Label einspielen durfte, das einen Katalog herausragender Soloaufnahmen von Keith Jarrett, Paul Bley, Chick Corea und anderen hat, erfüllte Wania zugleich mit Stolz, Ehrfurcht und besonderer Inspiration. “Wania entschied sich bewusst dafür, keine Kompositionen mit ins Studio zu nehmen, sondern frei improvisierend aus dem Augenblick zu schöpfen”, merkte Reinhold Unger im Münchner Merkur an. “Entstanden sind elf Pianopoeme, bei denen man förmlich dem Künstler beim Übersetzen von Empfindungen in Töne zu folgen meint: konzentriert, sensibel, nuanciert.” In Stereoplay kürte Ralf Dombrowski “Lonely Shadows” zum Album des Monats und schrieb: “Man hört der Musik die Auseinandersetzung mit dem Flügel in Form eines sich entfaltenden Zwiegesprächs über die Möglichkeiten des pianistischen Ausdrucks an. Dabei geht Wania klischeefrei vor, hat zwar Bezüge zur impressionistischen Klassik, aber eher als Farbe, denn als wirkliches Zitat. Trotz Freiheit als Vorgabe des Entstehungsprozesses bleibt er im strukturell konstruktiven Rahmen, gestaltet Lieder aus der Stille, perlend, verweilend, selten sich aufbäumend. Es sind Reflexionen sowohl zu den Möglichkeiten eines Recitals wie auch zur Ästhetik eines zeitgemäßen Zusammenklangs, in sich klar, offen und bewahrend zugleich.”
Michel Benita Quartet: “hypnotischer Klangkosmos”
Seit Anfang der 1980er Jahre gehört der Bassist Michel Benita zu den tragenden Säulen der französischen Jazzszene. Nach ersten ECM-Aufnahmen als Mitglied von Andy Sheppards Trio Libero, legte er 2016 bei dem Münchener Label unter dem Titel “River Silver” auch ein eigenes Album mit seiner Band Ethics vor. Aus diesem Ensemble ist das Quartett hervorgegangen, mit dem er sein zweites ECM-Album “Looking At Sound” eingespielt hat. Zu Benita und seinen Ethics-Kollegen Matthieu Michel (Flügelhorn) und Phillippe Garcia (Schlagzeug) gesellte sich hier der belgische Keyboarder Jozef Dumoulin, der dem Ensemble mit seinem Fender Rhodes ein neues Klangspektrum eröffnete. “Weich und elegisch klingt der Jazz des Quartetts von Michel Benita”, meinte Bernhard Jugel im Bayerischen Rundfunk, “mit dem klagenden Klang des Flügelhorns von Matthieu Michel, dem wolkigen Fender-Rhodes-Piano von Jozef Dumoulin und dem rhythmischen Rascheln und Klöppeln des Schlagzeugers Philippe Garcia. Erst beim zweiten Hinhören fallen die ungeraden Rhythmen, die ineinander geschachtelten Linien, die elektronischen Klangflächen und Störgeräusche auf, die den Sound des Quartetts prägen und aus anderen Jazzproduktionen herausheben. […] Normalerweise lebt Jazz von der Virtuosität der beteiligten Solisten. Das Quartett von Michel Benita lebt eher von der geschlossenen Ensembleleistung, von weiten melodischen Linien, die Flügelhorn-Spieler Matthieu Michel immer wieder aufgreift, vom soliden Kontrabass des Bandleaders, der vieles in der Schwebe und alles zusammenhält.” In Jazzthetik schrieb Thomas Kölsch: “Es ist schon ein hypnotischer Klangkosmos, in den Bassist Michel Benita seine Hörer mit ‘Looking At Sounds’ entführt: Lyrische Flügelhorn-Melodien schweben zum Teil fast schwerelos durch den Raum, geerdet nur durch dezentes Rhythmusspiel und zugleich durch ätherische Elektronikteppiche in höhere Sphären getragen, in denen sich der Ton entfalten kann und doch stets einer klaren Linie folgt. Alles ist durchdacht, nichts zuviel, kein Effekt nur um seiner selbst willen gesetzt.”
Matthieu Bordenave: “ein schillerndes, immer poetisches Klangfarbenspiel”
Vor zwei Jahren machte der in München lebende französische Saxophonist Matthieu Bordenave als Mitglied des Shinya Fukumori Trios auf sich aufmerksam. Das erste ECM-Album dieses Trios, “For 2 Akis”, wurde in der internationalen Presse als Geheimtipp gefeiert. Nun hat Bordenave bei ECM ein eigenes neues Projekt vorgestellt, das ebenfalls aufhorchen ließ. Denn auf “La Traversée” weckt er mit Pianist Florian Weber und Bassist Patrice Moret auf subtile Weise Erinnerungen an das legendäre Jimmy Giuffre 3 mit Paul Bley und Steve Swallow. Bordenaves Trio erkundet dabei behende das musikalische Terrain zwischen zeitgenössischer Komposition und Jazz. “Mit ‘La Traversée’ legt er ein aufsehenerregendes Album vor”, meinte Ulrich Habersetzer im Deutschlandfunk Kultur. “Ein leises, ein geheimnisvolles. […] Jazz, Neue Musik, impressionistische Klänge, besonders die feine Klangästhetik des US-Klarinettisten Jimmy Giuffre aus den 60er Jahren, all das scheint durch in dieser Kammermusik. Matthieu Bordenave hat alle Stücke komponiert, manche mehrere Seiten lang. Auf dem Album erklingen teilweise nur Fragmente davon, mit maximaler Offenheit konnte sich jedes Stück entwickeln. Oft nehmen Jazzmusiker diese Freiheit für sich in Anspruch, aber so konsequent in Töne gegossen, wie auf ‘La Traversée’ ist diese Freiheit selten zu hören. […] Dabei ist aber keine gedankenschwere Musikkonstruktion entstanden, sondern ein schillerndes, immer poetisches Klangfarbenspiel. Matthieu Bordenave, Florian Weber und Patrice Moret beim Spinnen ihrer Tonfäden zuzuhören, ist äußerst faszinierend. Zu Ende gesponnen sind diese Fäden noch lange nicht. ‘La Traversée’ ist erst der Anfang.” Als “ganz großen Wurf” bezeichnete Ssirus W. Pakzad Bordenaves ECM-Debüt in der Abendzeitung: “Die Musik auf ‘La Traversée’ ist oft ätherisch, sie schwebt, ist von tiefer Innerlichkeit, tönt wie eine Traumsequenz, in der Momente des Loslassens schon mal ins leicht Unheilvolle hinüberschimmern können. Die knapp dreiundvierzig Minuten des Albums verursachen beim Zuhören einen langen Nachhall.”
Anja Lechner/François Couturier: “Abenteuerliche Klangreise in 16 Stationen”
Seit nunmehr zwei Jahrzehnten musizieren die deutsche Cellistin Anja Lechner und der französische Pianist François Couturier schon in unterschiedlichen Konstellationen miteinander. Vor allem im Tarkovsky Quartet, das 2006 sein erstes von inzwischen drei Alben für ECM aufnahm, entwickelten die beiden ein besonderes Gespür füreinander. Auf ihrem gefeierten ersten Duo-Album “Moderato Cantabile” vertieften Lechner und Couturier 2014 ihre enge musikalische Beziehung. Jetzt haben sie auf der neuen Aufnahme “Lontano”, die am 18. Dezember auch als Vinyl erhältlich sein wird, das Spektrum ihrer Musik noch einmal erweitert. Das Duo “singt” hier mit einer ganz eigenen Stimme, sei es in Eigenkompositionen, Improvisationen oder in Interpretationen von Werken aus der Feder von Ariel Ramírez, Giya Kancheli, Anouar Brahem und Henri Dutilleux. Die innige musikalische Verbundenheit der beiden Musiker und deren quasi traumwandlerisches Zusammenspiel werden besonders hervorgehoben. So merkt Miriam Jessa vom Österreichischen Rundfunk an: “Die musikalische Partnerschaft der Cellistin Anja Lechner und des Pianisten François Couturier ist über zwei Jahrzehnte gewachsen und zu einer Übereinstimmung gediehen, die Improvisationen auf eine Ebene des gegenseitigen Verstehens hebt, die nicht nur Außenstehenden magisch erscheint.”
Im Deutschlandfunk meinte Michael Engelbrecht: “Einmal mehr überführen die zwei entfernte Quellen in eine eigene Klangsprache. Von Stück zu Stück spielen die beiden, mal herb und expressiv, mal lyrisch und tänzerisch, mit musikalischen Erinnerungen: das flüchtige Déjà Vu wird dem gepflegten Zitat vorgezogen. So wird Vertrautes fremd, Fremdes vertraut, und rein gar nichts zur bildungsbürgerlichen Verkostung dargereicht. ‘Lontano’ ist eine abenteuerliche Klangreise in sechzehn Stationen, die einer transparenten Dramaturgie folgt.” Und in der Frankfurter Rundschau schreibt Hans-Jürgen Linke: „Jedes Stück ist individuell geschliffen, mit feinen Kanten und Effekten und immer ein bisschen durchscheinend."
Keith Jarrett: “Sternstunde in einer an Sternstunden reichen Karriere”
Als 2019 das Doppelalbum ‘Munich 2016’ von Keith Jarrett erschien, war die Begeisterung unter Musikfans und Kritikern überwältigend. In der Abendzeitung brachte Ssirus W. Pakzad damals den allgemeinen Tenor auf den Punkt, als er meinte, dass “Munich 2016” “den Klavier- und Improvisations-Virtuosen auf dem Gipfel seines Schaffens” zeigt. Bei derselben Tournee war knapp zwei Wochen zuvor auch ein Auftritt in der Béla Bartók National Concert Hall in Budapest mitgeschnitten worden, der nun unter dem Titel “Budapest Concert” ebenfalls als Doppelalbum veröffentlicht wurde und ab Januar auch auf Vinyl erhältlich ist. Das “Budapest Concert” verdeutlicht nicht nur die grenzenlose Spielfreude und stilistische Bandbreite des Pianisten, sondern auch seine einzigartige Fähigkeit, aus dem Moment zu schöpfen. “Der Auftritt reiht sich ein in die Spätphase des Solisten, als dieser seine Recitals nicht mehr in großen Bögen aus einem Stück wachsen ließ, sondern sie in einzelne, von Beifall unterbrochene Teile gliederte”, berichtete Ulrich Steinmetzger in der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung. “Zwölf sind es im Budapester Fall. Doch welch weite Spannweite jenseits simpler Genrezuordnungen durchschreiten sie. In der Zusammenschau ergeben sie eine bezwingende Suite, in der die einzelnen Elemente von Jarretts Kunst klarer ihre Leuchtkraft entwickeln. Immer wieder sind da klassisch anmutende Träumereien von betörender Fragilität, neckische Hinweise auf populäre Formen wie Stride und Blues und intensive Aufbrüche in freie Formen. Im separierten Stückcharakter des vollständigen Konzerts sind sie deutlicher voneinander abgegrenzt. Es ist, als wäre sich Jarrett im neuen Jahrtausend seiner improvisatorischen Fähigkeiten noch bewusster, als könne er überlegener mit ihnen haushalten, indem er sie präziser auf den Punkt bringt.” In der Frankfurter Allgemeinen Zeitung schrieb Wolfgang Sandner: “Vergleicht man das ‘Budapest Concert’ vom 3. Juli 2016 mit der Aufnahme aus München vom 16. Juli des Jahres, erlebt man beide Male Sternstunden in der an Sternstunden reichen Karriere Keith Jarretts; einen erstaunlichen Kosmos pianistischer Klangmöglichkeiten, brillante Musik, die sich  in alle möglichen und unmöglichen Richtungen des Quintenzirkels ausbreitet, atonal darüber hinausschießt, keine metrisch-rhythmischen Beschränkungen kennt und doch stets zu schlüssigen Formen zurückfindet. Und immer wieder überwältigende Beispiele einer sinnlich schönen Klangkunst ohne auch nur die Spur einer ästhetisch fragwürdigen Trivialität.” In Audio schrieb Werner Stiefele: “Was für ein Pianist! Beim Konzert vom 3. Juli 2016 in der Béla Bartók National Concert Hall in Budapest brillierte Keith Jarrett vor der Pause mit Stücken, bei denen er manchmal harsche, nicht unbedingt melodiöse Tonbewegungsideen fantasievoll ausbaute – ein grandioser Virtuose! Später kostete er – dies dokumentieren Part V und VII auf der zweiten Disc – zauberhafte Melodien genussvoll aus – ein weltentrückter Träumer! […] Eine Boogie-Variation, eine nachdenkliche Version von ‘It’s A Lonesome Old Town’ und eine besinnliche von ‘Answer Me’ beschlossen den Abend. Diese Vielfalt hebt das ‘Budapest Concert’ aus der Fülle seiner Solokonzerte heraus.”
Dino Saluzzi: “großer Erzähler von berührenden Geschichten”
Seit annähernd 40 Jahren dokumentiert ECM Records schon Dino Saluzzis Schaffen. Auf eigenen Alben oder als Partner anderer Künstler/innen präsentierte er sich dabei in einer Reihe von sehr unterschiedlichen kreativen Kontexten. Doch seinen Einstand bei ECM hatte Dino Saluzzi 1982 als Solist auf dem Album “Kultrum” gegeben, dem 1988 mit “Andina” ein weiterers unbegleitetes Soloalbum folgte. Danach machte er für ECM Aufnahmen im Duo- oder Trio-Format, mit seiner Familienband, dem Rosamunde Quartett und dem Metropole Orkest. Seine Bandoneón-Selbstgespräche üben aber immer noch eine besondere Faszination aus. Wenn man Dino Saluzzi solo spielen hört, ist es, als höre man ihm beim lauten Nachdenken zu. Denn dann spürt der 85-Jährige in seiner Musik den Aspekten eines langen Lebens nach. “Wenn es einen Instrumentalisten gibt, der als ein großer Erzähler von berührenden Geschichten gilt, die leise, schlicht, aber eben auch mit großer Wirkung musikalisch vorgetragen werden, dann ist es Dino Saluzzi”, konstatierte Jörg Konrad in Kultkomplott. “Die Konturen dieser schwingenden Chroniken sind fließend, gehen ineinander über, sind inspiriert von Befindlichkeiten und Personen, von Realismen und Lyrizismen. Sie glänzen letztendlich aber durch ihre freie Interpretation, einer Art melancholischer Improvisation, die einer emotionalen Reise durch grundverschiedene Stimmungen gleichkommt. Auf ‘Albores’ paaren sich auf diese Weise souveräne Gelassenheit und hohes spieltechnisches Können. Saluzzi musiziert atemberaubend und schöpft aus einer grenzenlos erscheinenden Lebenserfahrung, die vor allem seine sensible Innerlichkeit zum Ausdruck bringt. Seine Solostimme ächzt und knarrt dabei, sie flüstert und jubiliert, ist auf der Straße zu Hause und hat doch auch das Zeug zur Hochkultur. Sie verbreitet Wehmut und Glück, lässt Tränen der Trauer und der Freude fließen.” Im Jazzpodium schrieb Adam Olschewski: “Was sogleich auffällt: Wie Saluzzi die Luftströme, den Winden gleich, in seinem Bandoneon festsetzt, mit selbstverständlicher, nie technisch motivierter Geste bändigt, um menschlich grundlegende Gefühlslagen auszuloten. Er lässt sein Instrument wahrnehmbar ein- und ausatmen, wie ein Wesen, dessen Dienste er sich leihweise und mit freundlicher Überzeugungskraft gesichert hat.”
Elina Duni/Rob Luft/Fred Thomas/Matthieu Michel: “Songs von zeitloser Qualität”
Kennengelernt hatten sich die albanisch-schweizerische Sängerin Elina Duni und der britische Gitarrist Rob Luft 2017 bei einem Workshop in Lausanne. Die beiden verstanden sich auf Anhieb so gut, dass noch vor Ort die Idee zu diesem Projekt geboren wurde, bei dem die musikalischen Parameter von beiden Künstlern festgelegt werden und die Gitarre oft als zweite Stimme fungiert. Für die Aufnahme von “Lost Ships” gesellten sich außerdem der britische Pianist und Perkussionist Fred Thomas sowie der Schweizer Flügelhornist Matthieu Michel zu ihnen. Sechs der zwölf Titel von “Lost Ships” schrieben Elena Duni und Rob Luft gemeinsam und eigens für dieses Projekt. Darüber hinaus bearbeiteten sie je einen Song von Frank Sinatra und Charles Aznavour sowie vier traditionelle Lieder aus Italien, den USA und Albanien. “Auf jedem ihrer bisherigen drei ECM-Alben hat sich Elina Duni traditionellen Liedern gewidmet”, schrieb Jan Paersch in Jazzthing. “Zunehmend gewinnt die albanisch-schweizerische Jazzsängerin mit der berückend klaren Stimme nun Selbstbewusstsein als Komponistin. Sechs der Songs auf ‘Lost Ships’ schrieb sie mit dem britischen Gitarristen Rob Luft, mit dem sie seit Jahren ein feinnerviges Duo bildet. Weitere subtile Begleiter: Fred Thomas (Piano, Drums) und Matthieu Michel (Flügelhorn). Dunis Mitstreiter helfen, die Schwermut dieser Lieder mit jazzigen Ambient-Klängen auszutarieren. Der luftig-leichte Titelsong, der sich als Allegorie auf das Schicksal Geflüchteter lesen lässt, steht so im Gegensatz zum letzten Albumviertel. Auf Albanisch, Englisch und Französisch verliert sich Duni hier, nur im Duett mit Luft, in herrlicher Melancholie.” Auch Peter Füssl vom österreichischen Magazin ‘Kultur’ war beeindruckt vom nunmehr beträchtlich “erweiterten künstlerischen Spielraum”, die Eigenkompositionen seien “ideale Vehikel für Dunis klare, exakt intonierende und dennoch ungemein ausdrucksstarke Stimme.” Ungeachtet der stilistischen Bandbreite, seien aber alle Stücke in solch einer Darbietung von “zeitloser Qualität”, so Sarah Seidel vom NDR.