Ferenc Snétberger – wundervolle Aufnahmen ohne Wenn und Aber
Erst beim Spielen ohne Sicherheitsnetz und doppelten Boden zeigt sich, wer ein wahrer Meister ist. Nachdem
Ferenc Snétberger sein ECM-Debüt “In Concert” live und im Alleingang eingespielt hatte, nahm der ungarische Gitarrist sein zweites Album für das Münchener Label im Trio mit
Anders Jormin und
Joey Baron auf. Bei drei Konzerten spielte sich Snétberger mit seinen neuen Partnern warm, um schon kurz danach für die Aufnahmen von “
Titok” ins Studio zu gehen. Viele der eingespielten Stücke entstanden dort spontan bei Improvisationen. “Snétberger ist ein Meister der akustischen Nylon-String-Gitarre, der mit dem schwedischen Kontrabassisten Anders Jormin und dem amerikanischen Schlagzeuger Joey Baron jetzt wundervolle Aufnahmen ohne Wenn und Aber vorlegt”, berichtete Ulrich Steinmetzger in der Leipziger Volkszeitung. “13 luftige Eigenkompositionen voller Detailschärfe kommen aus ohne Beflissenheit und sind einfach brillant, wenn sich die beiden Saiteninstrumente in emotionaler Tiefe und gravitätischer Würde verschränken und dazu perkussive Akzente gesetzt werden. Das wurzelt auf einem weitgefächerten Grund der Ahnen von Django Reinhardt bis zu diversen Folkloren und Zeitgenössischem und entwickelt daraus plausibel das eigene Großartige.” In UK Vibe meinte Tim Stenhouse: “Was wirklich beeindruckt, ist die herrliche Balance zwischen der natürlichen Empathie zwischen dem Leader und seinen Trio-Kollegen […] einerseits und den stets melodischen, spontanen Konversationen, die das Trio führt, andererseits. […] Auf ruhige Art geht einem dieses Album sanft unter die Haut und nimmt langsam, aber sicher die Seele ein. An Ferenc Snétbergers Spielweise gibt es nichts Protziges. Nur ein überragendes Gefühl tiefer Musikalität.”
Avishai Cohen Quartet – Jazz auf höchstem intellektuellen Niveau – und gleichwohl sinnlich
Ein Jahr nach seinem impressionistischen ECM-Debüt “
Into The Silence” meldete sich der Trompeter
Avishai Cohen auf “
Cross My Palm With Silver” mit einem neuen Programm zurück, bei dem der Fokus ganz auf dem Teamwork seines Ensembles lag. Das agile, fast schon telepathische Zusammenspiel der Musiker erlaubt Avishai Cohen Höhenflüge, die deutlich machen, warum er einer der am stärksten beachteten Jazzmusiker der gegenwärtigen Szene ist. “Selbstverständlich spielen der israelische Trompeter und seine drei ausgezeichneten Mitmusiker einen sehr modernen, puls- statt groove-getriebenen Jazz”, machte Markus Schneider im Rolling Stone klar. “Aber die Bedachtsamkeit, die Coolness, mit der sie hier durch ihre verwinkelt melodischen Kompositionen gehen, die zieht einen unmittelbar in ihren Bann. Das kommt vom charismatischen Ton und der Banddichte.” In der NZZ am Sonntag merkte Manfred Pabst an: “Die fünf weitausgreifenden Kompositionen des Musikers überzeugen, Yonathan Avishai am Klavier, Barak Mori am Bass und und Nasheet Waits am Schlagzeug sind kongeniale Partner. Jazz auf höchstem intellektuellen Niveau – und gleichwohl sinnlich. Ein Glück.” Und im Stern schrieb Oliver Creutz: “Der Jazz dieses Quartetts klingt so präzise, als sei jeder Klavierakkord, jeder Blas-Ton, jeder Drum-Schlag geprüft und für richtig befunden worden. Die Stimmung: cool gelassen, mit unter wie in einem Film noir, in dem Robert Mitchum gleich die Dame an der Bar anspricht. Man möchte beim Zuhören fast wieder mit dem Rauchen anfangen.”
Bill Frisell / Thomas Morgan – Maximum an introspektiver Expressivität
Mit drei Alben für ECM begündete
Bill Frisell in den 1980ern seinen Ruf. Jetzt hat der Gitarrist dreißig Jahre nach seiner letzten eigenen ECM-Aufnahme mit “
Small Town” endlich wieder ein neues Album für das Label eingespielt. Zu hören ist er auf ihm in Duetten mit dem Bassisten
Thomas Morgan, die im März 2016 bei einem Auftritt im New Yorker Village Vanguard live mitgeschnitten wurden. “Die Musik breitet sich aus wie konzentrische Kreise”, schrieb Wolf Kampmann in Eclipsed. “Obwohl Frisell und Morgan sich an keinem Punkt steigern, greifen ihre Intentionen immer mehr Raum. Ein einmal geworfener Stein kann eben auch nur einmal ins Wasser fallen. Zu keinem Zeitpunkt verlieren die beiden Protagonisten ihre Melodien aus dem Fokus. Und selbst in Augenblicken, in denen sie in unendliche Weiten zu entschwinden drohen, sind sie auf einer transzendentalen Ebene noch ungeheuer präsent. Mit einem Minimum an spielerischem Aufwand gelingt dem Duo ein Maximum an introspektiver Expressivität. Ein Widerspruch? Glücklicherweise ja, aber ein überaus stimmiger.” In Rondo notierte Werner Stiefele: “Thomas Morgan und er selbst seien sich in einem gleich, stellt Bill Frisell fest: Sie seien beide ruhige Persönlichkeiten. Ihr Duo-Album, benannt nach Frisells Nummer ‘Small Town’, bezeugt diese Einschätzung mit jedem Ton, und es lässt noch mehr erkennen: Der Kontrabassist Morgan und der Gitarrist Frisell verstehen sich blindlings. Der im März 2016 entstandene Konzertmitschnitt aus dem New Yorker Jazzclub Village Vanguard vereint zwei Musiker, die mit ihren Instrumenten so homogen kommunizieren, dass sich aus den Melodien und Akkorden des einen nahtlos Antworten und Ergänzungen des anderen ergeben: ein Traum von gelungener Zusammenarbeit.”
Roscoe Mitchell – Doppel-CD von lange nicht mehr gehörter Subtilität und Konzentration
Seit mehr als 50 Jahren ist
Roscoe Mitchell eine der Schlüsselfiguren der US-amerikanischen Avantgarde-Jazzszene. Der Multiinstrumentalist, Komponist und Improvisierer gehörte 1965 zu den Mitbegründern der Musikervereinigeung Association for the Advancement of Creative Musicians (AACM) in der South Side von Chicago. Als die Vereinigung 2015 im Museum of Contemporary Art in Chicago ihren 50. Geburtstag feierte, präsentierte sich Mitchell mit einigen seiner Bands, deren Klänge und Protagonisten er nicht nur einander gegenüberstellte, sondern auch erstmals miteinander kombinierte. Aufgezeichnet wurden diese Konzerte von ECM Records für das Doppelalbum “
Bells For The South Side”. “Saxofonist und Komponist Roscoe Mitchell hat in dieser musealen Umgebung vier Trios versammelt, die jedes für sich, aber auch zusammen seine Kompositionen zur Aufführung brachten”, schrieb Karl Bruckmaier in der
Süddeutschen Zeitung. “Eine Auswahl der dabei entstandenen Aufnahmen ist nun als ‘Bells For The South Side’ erschienen. Der Jazz, den es hier zu hören gibt, trägt alles, was Jazzmusiker seit Menschengedenken so anhaben, Kapuzenpullis, Schlabberhosen, karierte Hemden oder Sandalen. Die Kraft, die ihm innewohnt, kommt nicht aus einem Modemagazin und nicht aus der Muckibude, sondern aus einem lang gelebten Künstlerleben. Mitchell musiziert mit manchen der Kollegen seit den Siebzigern, einen hat er jüngst kennen und schätzen gelernt. Was sich saturiert anhört, der musealen Situation entsprechend, entpuppt sich als eine Doppel-CD von lange nicht mehr gehörter Subtilität und Konzentration. Dem Produzenten Steve Lake ist es gelungen, in stellenweise verstörender Transparenz eine Musik einzufangen, die man nur aus ihrer Vergangenheit heraus verstehen kann, die aber so offenkundig lebt, atmet, nach vorne strebt – dass man einfach nur mit will. […] hier hören wir einfach nurmehr ‘Great Music’; ein Vermächtnis, ein Versprechen. Eine Sensation. Genau.”
Vijay Iyer Sextet – begeisternde Stilfusion von ungewöhnlicher Dichte
Vijay Iyer liebt nichts so sehr wie radikale Abwechslung. Auch auf “
Far From Over”, seinem fünften Album für ECM, überrascht der Pianist wieder mit einer neuen Besetzung und einem völlig anderen musikalischen Kontext. Das dynamische Sextett, mit dem er sich hier präsentiert, macht sich den ganzen Reichtum der Jazzgeschichte zunutze, prescht zugleich aber auch kühn auf unerkundetes Terrain vor. Die Musik – von der
Los Angeles Times als “ungestüm” und “wild funky” beschrieben – ist mal aufregend explosiv, dann wieder sehr elegisch. Vor allem aber so packend, dass “Far From Over” sowohl vom amerikanischen
Rolling Stone als auch vom britischen Guardian in ihre stilübergreifenden Listen mit den 50 besten Alben des Jahres 2017 aufgenommen wurde, in denen Jazzproduktionen absoluten Seltenheitswert haben. “Eine Musik, die gleichzeitig anspruchsvoll (und sauschwer zu spielen) ist und uns mit direktem Punch auf den Solar Plexus trifft, also jede Versuchung zu geschmäcklerischer Gourmandise zum vornherein wegfegt”, schrieb Peter Rüedi in der Weltwoche. “Die Gruppe hat einen eigenen, aus allen sechs individuellen Stimmen zusammengesetzten Sound; die Spannung zwischen mächtiger solistischer Eloquenz und gestanzten Tuttis ist eine Attraktion dieser CD (so etwas wie eine friedliche Umsetzung der militärischen Maxime ‘getrennt marschieren, gemeinsam zuschlagen’). Hier ist eine richtige BAND, mit Iyer allenfalls als primus inter pares. Blitzgescheit, aber ganz ohne des Gedankens Blässe.” Im Mannheimer Morgen meinte Georg Spindler: “Sein Sextett klingt ungewohnt expressiv, mitunter gar funky. Doch das ist nur eine Facette eines Sound-Panoptikums, das vielschichtig die Tradition reflektiert. Hymnische Modalität, turbulente Kollektiv-Passagen, freie Ausbrüche, traumartige Elektronik-Sequenzen, selbst romantische Momente vereinen sich zu einer begeisternden Stilfusion von ungewöhnlicher Dichte. Die Improvisationen enthalten – im Internet-Jargon ausgedrückt – viel ‘Content’, sind also äußerst gehaltvoll. Das Vokabular von Mark Shim und Steve Lehman an den Saxofonen ist hochentwickelt und nuancenreich, Schlagzeuger Tyshawn Sorey entfacht ein in verschiedenste Richtungen aufloderndes Trommelfeuer. Und Iyer lenkt all dies mit überlegt perkussiv eingeworfenen Tonpartikeln. Denn im Zentrum seiner Musik stehen ausgefeilte rhythmische Motivzellen, die das Geschehen ebenso intelligent wie impulsiv vorantreiben. Das Werk eines Strebers? Mag sein. Aber dieser hier hat auch Herz und Seele.”
Gary Peacock Trio – Zen-Meister am Kontrabass
Als
Keith Jarrett 2014 nach rund 30 Jahren sein “
Standards”-Trio auflöste, nutzte der Bassist
Gary Peacock die Gelegenheit, um mit dem Pianisten
Marc Copland und Schlagzeuger
Joey Baron eine neue eigene Formation zu gründen, die sich schnell zu einem der beeindruckendsten Jazz-Trios der Gegenwart mauserte. Mit “
Tangents” legte dieses ungemein elastisch agierende Trio, dessen muskulöse Virtuosität stets durch poetische Kraft gezügelt wird, dieses Jahr sein zweites Album bei ECM vor. “Die Tangenten, mit denen die drei ihre Themen umgeben, sind keine dicken, wie mit Filzstift gezogenen Linien, sondern haarfeine, filigrane Annäherungen”, notierte Werner Stiefele in
Rondo. “Nicht die Menge der hervorgebrachten Töne bestimmt die Klasse eines Trios, sondern wie sie sich zueinander verhalten. Dieses Trio führt keinen Wettlauf mit der Zeit. Es gönnt sich die Freiräume, lässt Zwischenräume. Nicht durch Einzelfeatures, sondern durch den fein gewobenen Zusammenklang entstehen elf einzigartige, luftige Stücke, deren innere Harmonie aus der Fähigkeit eines jeden resultiert, die Gedanken der Partner bereits im Entstehen zu erahnen, sorgsam aufzugreifen und liebevoll zu vollenden.” In HiFi + Records schrieb Sven Thielmann: “Hier erlebt man die reduziert-elegante Strahlkraft des Zen-Meisters am Kontrabass in unverstellter Wirkkraft und jener gelassen pulsenden Intensität, wie sie wohl nur 60 Jahre Erfahrung so souverän hervorbringen können. Statt breit ausgewalzter Melodik und verdichteter Aktion demonstrieren die drei mit ruhigem Selbstbewusstsein, wie man allein durch Zuhören und Reagieren unter Zurücknahme des eigenen Egos gemeinsam Spannungsbögen schafft, die zwischen filigraner Klangkunst und delikatem Drive wechseln. Da sitzt jeder Ton, bilden Peacock, Copland und Baron eine Einheit, die mehr ist als die Summer ihrer Teile – schlicht bezaubernd.”
David Virelles – ebenso philosophisch wie faszinierend
In einem musikalischen Schmelztiegel (Santiago de Cuba) kam der Pianist
David Virelles 1983 zur Welt, in einem anderen musikalischen Schmelztiegel (Brooklyn, New York) lebt und arbeitet er seit 2009. Was läge da näher, als in seiner eigenen Musik Brücken zwischen diesen beiden Schmelztiegeln zu schlagen? Auf seinem jüngsten Album “
Gnosis” hat Virelles genau dies getan. Es ist ein aufregendes, lebendiges und facettenreiches Projekt von sich schnell änderndem Temperament, das sowohl Raum für pulsierende Ensemblemusik als auch makellose, meditative Klaviersolo-Stücke bietet. Und eingehüllt ist es in jenes Gefühl von Mysterium und Magie, das auch schon alle anderen Alben von Virelles so besonders gemacht hatte. “Ohne Cuba-Klischees zu bemühen, setzt Virelles das fort, was er mit den Alben ‘Continuum’ und ‘Mbókò’ begonnen hatte”, erkannte Karl Lippegaus in Fono Forum. “Vergleiche mit anderen Kunstformen sind immer heikel, aber die (süd- und mittelamerikanische) Moderne des ‘magischen Realismus’ spielt offenbar mit hinein in das verzaubernde Klanggeschehen. […] Ungewöhnliche Klänge sprießen ständig hervor, wie beim kurzen Bass-Solo Thomas Morgans, den schnarrenden Tönen der Marimbula, auch mal einem Schellenbaum in Kombination mit tiefer Trommel. Ein nie langweiliges, ungemein vibrierendes und mit viel Formbewusstsein sowie Sinn für spontane Geistesblitze inszeniertes Hörabenteuer.” In Jazzthetik notierte Joachim Weis: “Er schöpft hier ebenso aus dem uralten Fundus kubanischer Traditionen wie auch aus den Klängen religiöser Kulte, aus Tanz, aus Jazz. Seine künstlerische Fantasie reicht weit, die Besetzung ist entsprechend groß und schließt ein Streichquartett mit Viola, zwei Celli mit Bassist Thomas Morgan mit ein, dazu kommen diverse Perkussionisten und Instrumente wie Marimbula, Klarinette und Flöte. Die meist nur zwei bis drei Minuten langen Stücke geben jeweils einen kurzen Blick frei auf neue Aspekte eines immer noch rätselhaften kubanischen Erbes, nicht ohne die eigene Perspektive – Virelles lebt in Brooklyn, New York – mit zu reflektieren. Ebenso philosophisch wie faszinierend.”
Björn Meyer - die zweite Seite der Elektrizität
Soloalben von Bassisten haben bei ECM eine gewisse Tradition. Das erste nahm 1977
Dave Holland auf. Ihm folgten seither weitere Bass-Soloalben von u.a.
Barre Phillips,
Eberhard Weber und
Miroslav Vitouš.
Björn Meyer (bekannt vor allem durch Nik Bärtsch’s Ronin) setzt diese Tradition auf “
Provenance”, seinem ersten Album für ECM, einerseits fort, bricht andererseits aber auch mit ihr, da er – anders als seine Vorläufer – (fast ausschließlich) elektrische Bassgitarre spielt. Auf seinem Instrument hat der gebürtige Schwede, der schon seit langem in der Schweiz lebt, über Jahre hinweg eine unverwechselbare Stimme entwickelt, die er nun auf “Provenance” wunderbar zur Geltung bringt. “Was Björn Meyer für seinen E-Bass entdeckt, ist nichts Minderes als die andere, die zweite Seite der Elektrizität”, urteilte Christoph Merki im Tagesanzeiger. “Er mikroskopiert klangfarbliche Details. Es ist im Grunde nicht anders als seinerzeit bei Billie Holiday: Das Mikrofon erlaubte eine nie gekannte Intensität. Gerade diese Seite intimer Konfessionen macht auch ‘Provenance’ aus.” Auf der Internetseite Nordische Musik meinte Ingo J. Biermann: “Meyers aus intuitiven Notizen entwickelte Kompositionen formen sich tatsächlich zu Songs, die unerwartet neue Wege gehen. Ja, das ist wenig Jazz, und es ist auch nicht verkehrt, wenn man sich hier an Formen des sog. ‘Postrock’ oder an Ambient erinnert fühlt; ‘Provenance’ ist Musik wie Atmen. […] Björn Meyer ist ein vielseitiger Klangpoet, der seine Erfahrungen in multinationalen Gruppen um Anouar Brahem und Asita Hamidi in aufs Wesentliche reduzierte musikalische Bilder überführt und damit einen reichlich persönlichen Kosmos eröffnet.”
Stefano Battaglia - ein Werk von außerordentlicher Tiefe
Musik, so heißt es immer wieder, ist eine universelle Sprache. Auf seinem neuen Album “
Pelagos” braucht der italienische Pianist
Stefano Battglia auch keine Worte, um das zu vermitteln, was er empfindet, wenn er sich mit den brennenden zeitgenössischen Themen “Exil” und “Migration” befasst. Sein Klavier-Solo-Doppelalbum, das letztes Jahr in der
Fazioli Concert Hall im italienischen Sacile aufgenommen wurde, ist eine ausgedehnte Meditation über diese Probleme. “Trauer und Entsetzen sind in Battaglias Pianoreflexionen mit Händen zu greifen, diesem Ziel ordnet Battaglia Spielweise und Spieltechnik radikal unter”, meinte Heribert Ickerott im
Jazz Podium. “Es ist ihm nicht um pianistische Extravaganz zu tun, vielmehr um eine empathische Musik, die ihre Trauer um Tod und Verlust von Zehntausenden leise und eindringlich ins Herz des Hörers trägt.” In der
Jazz Times schrieb Thomas Conrad: “'Pelagos', Stefano Battaglias siebte Aufnahme für ECM, ist seine beste. Angesichts der Tatsache, dass Battaglias ECM-Diskographie einen festen Platz unter den Klavierarbeiten des neuen Jahrtausend inne hat, ist dies eine kühne Behauptung. Doch ‘Pelagos’ ist ein Werk von außerordentlicher Tiefe, das durch eine außerordentliche Bandbreite künstlerischer Mittel umgesetzt wird. […] ‘Pelagos’ hat ein Thema: ‘Die leidenden Länder des Mittelmeers und des Balkans’ […] Battaglias Musik geht über das Thema hinaus. Ihre Universalität verleiht ihr ihre Kraft. Wir sind alle Exilanten von irgendwas oder irgendwoher. Wir sind alle Asylbewerber.”
Anouar Brahem – a very special Kind of Blue
Als Jazzmusiker hat sich
Anouar Brahem selbst nie betrachtet. Noch hatte er je die Ambition überhaupt einer zu sein. Doch seit über 25 Jahren suchte der tunesische Meister der Oud-Laute immer wieder den musikalischen Austausch mit internationalen Kollegen aus dem Jazzlager. Auf “
Blue Maqams” kam es nun zu einem All-Star-Treffen mit
Django Bates,
Dave Holland und
Jack DeJohnette. Gemeinsam unternahm man einen Balanceakt zwischen zwei Musikwelten und färbte das modale System der arabischen Musik mit den “blue notes” des Jazz ein. “Ein leiser Schlagzeug-Rhythmus – und darüber die Instrumenten-Stimme von Anouar Brahem”, meinte Roland Spiegel im
Bayrischen Rundfunk. “Ein Blues sozusagen. Aus Tunesien. So beginnt das Titelstück dieser CD – und es ist repräsentativ. Anouar Brahem, einer der weltweit berühmtesten Spieler der arabischen Laute Oud, hat sich hier mit neuen Partnern zusammengetan. Es sind Schlagzeuger Jack DeJohnette, Bassist Dave Holland und Pianist Django Bates. Drei Weltstars des modernen Jazz. Brahem selbst betrachtet sich nicht als Jazz-Musiker, er vermeidet gängige Kategorien. Als Komponist und Improvisator hat er zwischen arabischen und westlichen Musiktraditionen einen eigenen Ton gefunden – und da ist es besonders spannend zu hören, wie er sich in diesem neuen Quartett bewegt. Er tut es auf scheinbar selbstverständliche Art. Und doch nicht so, als wolle er den Hörern einreden, die Oud sei in den Kellergewölben eines Jazzclubs großgeworden und habe bei Festivals wie Newport oder Montreux die Reifeprüfung abgelegt. Er findet auch hier wieder einen ganz eigenen Klang.” In der Weltwoche schrieb Peter Rüedi: “Brahem hatte den Kopf im kreativen Wind, woher immer der wehte, und verriet doch nie seine Ursprünge, schon gar nicht durch eine Auflösung der Konturen im Sinne einer parfümierten exotischen Allerweltsmusik. Seine meditativen Räume laden die Partner zu intensiven, weit gespannten Atembögen, aber nie zu beliebigen Ego-Trips ein – dafür besteht er zu rigoros auf der steten Anbindung an die komponierten Vorgaben. So auch auf seinem jüngsten Opus ‘Blue Maqams’, an dem sein grosser alter Partner Dave Holland am Kontrabass beteiligt ist, der fabelhaft diskrete, feinsinnige, differenzierte Jack DeJohnette an einem schwebenden Schlagzeug und der britische Pianist Django Bates, bei aller technischen Brillanz mit Erfolg darauf bedacht, die Räume der geradezu skrupulös sparsamen Partner nicht pleonastisch zuzuschütten. So entsteht eine hoch poetische, nie gefühlige, immer herzerwärmende eigene Musik zwischen den Kategorien und zwischen den Welten. A very special Kind of Blue.”