Das Trio des norwegischen Bassisten Arild Andersen mit dem schottischen Tenorsaxophonisten Tommy Smith und dem italienischen Schlagzeuger Paolo Vinaccia ist gegenwärtig eines der aufregendsten kleinen Ensembles im Jazz. Seine wahre Energie es entfesselt erst auf der Bühne. Das Live-Album “In-House Science”, im September 2016 in der Villa Rothstein im österreichischen Bad Ischl aufgezeichnet, bietet eine für die drei Musiker typische atemberaubende Performance. Vor zehn Jahren hatte das Trio mit einer anderen Konzertaufnahme, “Live At Belleville”, bei den Kritikern einen wahren Begeisterungssturm ausgelöst und wurde mit Auszeichnungen geradezu überschüttet. “Absolut und uneingeschränkt wundervoll”, schrieb das BBC Music Magazine. Und Jazzwise fragte rein rhetorisch: “Wie oft schaffen es nur drei Musiker eine Musik hervorzubringen, deren Bandbreite und Vorstellungskraft so unermesslich und umfassend ist?”
In Interviews sinnierte Andersen letzter Zeit über die Arbeitsweise der Gruppe: “Im Trio sind alle gleichberechtigt. Tommy mag zwar das Melodieinstrument spielen, aber er kann auch ein Begleiter sein, und Paolo und ich sind zwar die Rhythmusgruppe, aber jeder von uns kann auch die Hauptstimme übernehmen.... Wir sind alle Solisten oder die Rhythmusgruppe, alle drei zur selben Zeit. Es hat alles mit dem Zusammenspiel zu tun, und als Trio haben wir eine ziemlich gute Chemie entwickelt. Tommy achtet sehr darauf, was Bass und Schlagzeug spielen, wenn er solo agiert, und er lässt uns Räume, damit wir wieder in den Vordergrund treten können.” Das zeigt sich im gesamten Programm, das ausschließlich aus Kompositionen von Andersen besteht, und nicht zuletzt bei “Science”, dem längsten Track des Albums, der in rasantem Tempo vorwärtsprescht und aus immer wieder anderen Perspektiven in Angriff genommen wird. Smith hat sich ständig ändernden Rhythmen genauso eisern im Griff wie seine Partner, und Andersen erweist sich als ebenso eloquenter Solist wie der herausragende Saxophonist.
“Mira” war das Titelstück des Studioalbums, das dieses Trio 2014 herausbrachte und von Arild ursprünglich als “Sonntagmorgen-Album” konzipiert worden war. Jetzt dient es auf “In-House Science” als Startnummer und erhält durch die Wucht der nächtlichen Live-Performance ein neues Gesicht. Gleiches gilt für das Stück “Blussy”, das bereits in der Studioversion kraftvoll war und hier in einer fesselnd dynamischen Darbietung eine neue Intensität gewinnt, die durch ein überblasenes Saxophon gekrönt wird.
Andersens Interesse für vor Energie brennende Musik ist natürlich keine neue Entwicklung, sondern eine Fortsetzung: Anfang der 70er Jahre spielte er in gleicher Instrumentalkonstellation eindringliche “Streams-of-Sound”-Musik mit Sam Rivers und Barry Altschul, Juhani Aaltonen und Edward Vesala sowie Jan Garbarek und einmal mehr Vesala (“Triptkyon”). Das Trio mit Smith und Vinaccia setzt diese einzigartige Tradition nach eigenen Regeln fort.
“North Of The North Wind” stellt thematisch eine Verbindung zu einem früheren Andersen-Zyklus her, der auf dem 1997er Album “Hyperborean” dokumentiert ist. Andersen spielt hier zunächst zusammen mit einem Sampler, um eine quasi-orchestrale Klangfülle zu kreieren. Dann setzt Smith ein und das Stück driftet mit bewegenden Statements von Tenorsax und Kontrabass auf freies Balladen-Terrain ab.
Das rasante “In-House”, in seiner Überschwänglichkeit eine Art Partnerstück zu “Outhouse” vom “Live At Belleville”-Programm, bringt das Album zu einem triumphierenden Abschluss und gibt jedem der drei Bandmitglieder noch einmal Gelegenheit sich von seiner solistischen Seite zu zeigen. Die Veröffentlichung von “In-House Science” wird das Trio mit einer Reihe von Konzerten in Japan feiern, bei denen als Gast noch der Pianist Makoto Ozone zu ihm stößt.