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50 Jahre ECM Records – Digitalisierte Raritäten von ECM und JAPO, Teil 4

Erstmals im digitalen Format erscheinen vergriffene ECM-Klassiker von u.a. Arild Andersen, Enrico Rava, Adelhard Roidinger und David Torn mit der Everyman Band.
Enrico Rava Quartet - Opening Night - 1200x744
Enrico Rava Quartet - Opening Night - 1200x744
08.08.2019
Zu seinem 40. Jubiläum vor zehn Jahren brachte ECM Records eine ganze Reihe von historischen Einspielungen erstmals im digitalen Format heraus. Viele dieser Alben konnte man davor nur auf speziellen Raritätenbörsen zu Sammlerpreisen oder mit viel Glück als teure Japan-Importe bekommen. Einige der Aufnahmen waren ursprünglich auf dem ECM-Sublabel JAPO (Jazz by Post) erschienen, das zwischen 1971 und 1985 existiert hatte und für das neben Manfred Eicher oft der spätere Konzertagent Thomas Stöwsand (der 2006 verstarb) oder Steve Lake als Produzenten verantwortlich zeichneten. Dieses Jahr feiert das Label sein 50. Jubiläum und wird die Reihe aus diesem Anlass nun mit insgesamt 40 weiteren eAlben fortsetzen. 
Just Music – Just Music (1970 / ECM 1002)
Just Music war der Name eines deutschen Avantgarde-Kollektivs, das in immer wieder wechselnden Besetzungen auftrat und mit seinen musikalischen “Happenings” lustvoll den Mainstream herausforderte. Das 1967 von dem Multiinstrumentalisten Alfred Harth gegründete Ensemble hatte sich zum Ziel gesetzt, “ein Modell für annähernd herrschaftsfreie Kommunikation und Interaktion” zu sein. Diese an keine herkömmlichen Regeln gebundenen Freiheiten lebten die Musiker auch auf ihrem Album “Just Music” aus, dass sie im Dezember 1969 für ECM einspielten. Neben Harth, der hier an Tenorsax, Klarinette, Bassklarinette und Trompete zu hören ist, bestand Just Music damals aus Posaunist Dieter Herrmann, Gitarrist Johannes Krämer, Bassist Peter Stock, Cellist Franz Volhard, Klarinettist und Perkussionist Thomas Cremer sowie Cellist und Flötist Thomas Stöwsand. Letzterer machte danach bekanntlich Karriere als Produzent für JAPO und vor allem als Konzertagent.
Arild Andersen – Lifelines (1981 / ECM 1188)
Nachdem er für ECM zuvor schon drei Alben mit seinem rein skandinavischen Quartett aufgenommen hatte, präsentierte sich der norwegische Bassist Arild Andersen auf “Lifelines” erstmals mit nordamerikanischen Partnern: dem kanadischen Flügelhornisten Kenny Wheeler, Schlagzeuger Paul Motian und Pianist Steve Dobrogosz. Das Repertoire bestand aus sechs Eigenkompositionen von Andersen sowie je ein Stück von Steve Dobrogosz und der in Norwegen geradezu kultisch verehrten Sängerin Radka Toneff, die nur ein Jahr nach der Veröffentlichung von “Lifelines” tragisch jung verstarb.
Gallery – Gallery (1982 / ECM 1206)
Während er mit der Fusionband Spyro Gyra erfolgreich kommerzielle Pfade beschritt, unterhielt der Vibraphonist und Marimba-Spieler Dave Samuels parallel auch stets eigene Ensembles, in denen er seiner Kreativität freieren Lauf lassen konnte. Eines dieser Ensembles war das Quartett Double Image, das er erst gemeinsam mit seinem Instrumentalkollegen David Friedman leitete und später mit diesem als Duo fortführte. Ein anderes war das leider nur kurzlebige kammermusikalische Jazz-Quintett Gallery, in dem Samuels mit dem Holzbläser Paul McCandless (von der Band Oregon), Cellist David Darling, Bassist Ratzo Harris und Schlagzeuger Michael DiPasqua zusammenspielte.
Adelhard Roidinger – Schattseite (1982 / ECM 1221)
Der ungeheuer filigran spielende Gallery-Schlagzeuger Michael DiPasqua war auch mit von der Partie, als der österreichische Bassist Adelhard Roidinger im selben Jahr sein einziges ECM-Album “Schattseite” aufnahm. Roidinger, der zu diesem Zeitpunkt schon mit u.a. Joachim Kühn, Karl Berger, Hans Koller und Alan Skidmore gearbeitet hatte, bildete damals mit dem Gitarristen Harry Pepl und dem Vibraphonisten Werner Pirchner das Trio Austria 3, das hier den Kern des “Schattseite”-Ensembles bildet. Komplettiert wird diese ungemein spannende, internationale Besetzung durch den Pianisten Bob Degen, den Tenorsaxophonisten Heinz Sauer und die Sängerin Aina Kemanis.
Enrico Rava Quartet – Opening Night (1982 / ECM 1224)
Zwei Jahre nach der Aufnahme von “Ah” ging Enrico Rava erneut mit einem Quartett ins Studio, um den Nachfolger “Opening Night” einzuspielen. Auf dem Album machte einen der Trompeter u.a. mit der denkwürdigen Nummer “Grrr” bekannt, die er 1999 mit dem Pianisten Stefano Bollani noch einmal im Duo für “Rava Plays Rava” aufnahm. Zur Seite standen Rava bei der Session für “Opening Night” der Pianist Franco D’Andrea (der auch schon auf “Ah” mit von der Partie gewesen war), der Bassist Furio Di Castri sowie der Schlagzeuger und Gitarrist Aldo Romano.
Everyman Band – Everyman Band (1982 / ECM 1234)
Bevor Saxophonist Marty Fogel, Bassist Bruce Yaw und Drummer Michael Suchorsky mit dem Gitarristen David Torn die Everyman Band ins Leben riefen, hatten sie sechs Jahre lang in der Begleitband der Rock-Ikone Lou Reed gespielt. Auf ihrem ersten von zwei Alben für ECM stellte sich die Everyman Band 1982 als extrem experimentierlustiges Ensemble vor, das es wunderbar verstand, auf dem schmalen Grat zwischen fetzigem Rock und jazziger Improvisation zu balancieren.
Werner Pirchner, Harry Pepl & Jack DeJohnette – … (1983 / ECM 1237)
Bevor Vibraphonist Werner Pirchner und Gitarrist Harry Pepl ihr kurisoses JazzZwio gründeten, gehörten sie der Ursprungsformation des genialen Wiener Art Orchesters an (das später in Vienna Art Orchestra umgetauft wurde). Gelegentlich erweiterten sie das Zwio durch den Bassisten Adelhard Roidinger zum Trio. Für die Aufnahme dieses 1982 entstandene ECM-Albums luden die beiden Österreicher allerdings einen ganz besonderen Gast ein: den aus Chicago stammenden Schlagzeuger Jack DeJohnette, der wenig später mit Keith Jarrett und Gary Peacock das mittlerweile legendäre “Standards”-Trio bilden sollte.
Tom van der Geld & Children At Play – Children At Play (1976 / JAPO 60009)
Nachdem in den vergangenen Wochen von Tom van der Geld bereits die Alben “Patience” (1978), “Path” (1979) und “Out Patients” (1980) erstmals im digitalen Format veröffentlicht wurden, folgt nun endlich das vierte und letzte Album, das aber eigentlich das erste war. “Children At Play” hatte der Vibraphonist nämlich bereits 1973 mit seinem langjährigen Saxophonisten Roger Janotta, Keyboarder Larry Porter, Bassist Richard Appleman und Schlagzeuger Jamey Haddad (bzw. Bob Gulotti) in Massachusetts aufgenommen. Bei dem ECM-Unterlabel JAPO sollte es schließlich 1976 erscheinen.
OM – Rautionaha (1977 / JAPO 60016)
Dass sie gleichermaßen von John Coltrane und Jimi Hendrix beeinflusst war, daran ließ die ikonoklastische Schweizer Band OM auf ihrem 1977 erschienenen Album “Rautionaha” keinen Zweifel. Urs Leimgruber brilliert mit atemberaubenden Saxophon- und Bassklarinetten-Improvisationen, während Gitarrist Christy Doran mit waghalsigen Soli und verzerrten Klängen imponiert. Zu Höchstleistungen angetrieben werden die beiden dabei von Bobby Burris kraftvoll knarzenden Kontrabass und Fredy Studers pulsierendem Schlagzeug. OM spielen hier spannenden Jazz-Rock, der diesen Namen noch wirklich verdiente.