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Unsere Kandidaten für einen Echo Jazz 2013, Teil 3

Haden und Jones, Wesseltoft, Terrasson, Corea und Burton
Haden und Jones, Wesseltoft, Terrasson, Corea und Burton© Universal Music
03.01.2013
Unsere Kandidaten für einen Echo Jazz 2013, Teil 3
Bereits zum vierten Mal werden dieses Jahr die Echo Jazz Awards bei einer eigenständigen Gala-Veranstaltung verliehen werden. Und stattfinden wird das für die Szene so wichtige Ereignis am 23. Mai 2013 in der geschichtsträchtigen Fischauktionshalle in Hamburg. In den vergangen Wochen stellten wir schon einige der Kandidatinnen und Kandidaten vor, die diesmal für einen Echo Jazz nominiert wurden. Diese Woche präsentieren wir ein paar weitere.
Bugge Wesseltoft: Radikal entschleunigte Jazzstandards
Seit rund zwanzig Jahren genießt Bugge Wesseltoft den Ruf, einer der besten Jazzpianisten Norwegens zu sein. Das Paradoxe daran: er hat in all diesen Jahren nie ein Album mit Jazzstandards abgeliefert. Erst jetzt fand er, dass der Zeitpunkt gekommen war, der Öffentlichkeit auf dem Album “Songs” seine Versionen von so bekannten Jazzklassikern wie “Giant Steps”, “Moon River”, “Darn That Dream” und “My Foolish Heart” zu präsentieren. John Kelman von All About Jazz erinnerte das Ergebnis an Keith Jarretts “The Melody at Night, With You”. Nun wurde Wesseltoft mit “Songs” für einen Echo Jazz Award in der Kategorie “Internationaler Pianist/Keyboarder des Jahres” nominiert.
“Bugge Wesseltoft spielt Standards. Es ist ihm eine Herzensangelegenheit, denn es handelt sich um Melodien, die er seit Kindertagen liebt”, schrieb Jazzthing über das Album. “Da er Bugge Wesseltoft ist und keiner von den Hektikern des universitär geprägten Geschäfts (der Haltung nach Autodidakt, der alles für sich immer neu erforschen will), klingt das Soloalbum ‘Songs’ auch eher, als hätte Erik Satie einen Gruß von der Wolke geschickt, um seinen norwegischen Freund mit Inspiration zu versorgen. Neun Stücke, von ‘Moon River’ bis ‘Giant Steps’, hat er sich vorgenommen, radikal entschleunigt und in Kammermusik verwandelt. Das Album ist eine Suite der Ahnungen, die sich gedanklich intim dem Kern der künstlerischen Aussage nähert, ihn mit der Tendenz zur Auflösung in einzelne Bestandteile zerlegt und zuweilen abenteuerlich reharmonisiert neu zusammensetzt. Wesseltoft gelingt dabei der Kunstgriff, mehr als bekanntes Terrain abzuschreiten und dabei in der Phrasierung und Motivbearbeitung ganz er selbst zu bleiben. So unspektakulär das Album an der Oberfläche klingt, so grandios ist es in seiner Konsequenz, eigene Wege zu gehen.”
Chick Corea & Gary Burton: Erfolgs-Duo feiert 40-jähriges Jubiläum
Als ECM-Produzent Manfred Eicher Chick Corea und Gary Burton 1972 erstmals ins Studio holte, waren beide Musiker zunächst skeptisch, ob ihre Zusammenarbeit funktionieren würde. Doch es stellte sich schnell heraus, dass sie wie für einander geschaffen waren. Seitdem nahmen sie vier weitere Duo-Alben auf, für die sie vier Grammys erhielten. Und auch nach 40 Jahren Zusammenspiel im Duo gehen ihnen die brillanten Ideen einfach nicht aus. Das zeigt ihr neues Album “Hot House”, auf dem sie oft weniger bekannte Stücke ihrer Lieblingskomponisten interpretieren. Kein Wunder also, dass beide nun auch für Echo Jazz Awards nominiert wurden: Chick Corea in der Kategorie “Internationaler Pianist/Keyboarder des Jahres” und Gary Burton in der Sparte “Internationaler Instrumentalist des Jahres besondere Instrumente”.
“Zum Jubiläum ihrer Zusammenarbeit veröffentlichten sie ein neues Album, dessen Titel ‘Hot House’ in die Irre führt, wenn man hitzige Dialoge erwartet”, meinte Werner Stiefele in Rondo. “Tatsächlich ist er von einem Standard aus der Feder Tadd Damerons entlehnt, den Corea/Burton so elegant wie die übrigen Titel der Disc aufführen. Exakt getimte Unisono-Passagen, flüchtig hingeworfene Frage-Antwort-Kombinationen, ein rasanter Wechsel von Begleit- und Solistenfunktion zeichnen die Zusammenarbeit von der Eröffnungsnummer ‘Can’t We Be Friends’ über die Beatles-Nummer ‘Eleanor Rigby’ bis zum Klassiker ‘My Ship’ aus. Sie alle sind Meisterwerke der Präzision und stecken voll virtuos ausgedrückter Ideen und Gefühle. Die kammermusikalischen Duette über ältere Jazznummern und den Beatles-Klassiker ‘Eleanor Rigby’ krönt ‘Mozart Goes Dancing’, bei dem sie mit dem Harlem String Quartet einen Ausblick auf ihr nächstes Projekt geben.”
Jacky Terrasson: Musikalischer Schelm mit hohem Unterhaltungswert
Pianist Jacky Terrasson ist ein Wandler zwischen den Welten. Er pendelt nicht nur ständig zwischen den Wohnsitzen New York und Paris hin und her, sondern auch zwischen diversen Stilen. Auf seinem neuen Album “Gouache” verbarrikadiert sich Terrasson nicht hinter ästhetischen Konventionen. Neben Eigenkompositionen interpretiert er diesmal ein Stück von Erik Satie, einen Klassiker von Sonny Rollins und den Chanson “C’est si bon”, kitzelt aber auch Überraschendes aus Popsongs von Amy Winehouse (“Rehab”), John Lennon (“Oh My Love”) und – man glaubt es kaum! – Justin Bieber (“Baby”) heraus. Nominiert wurde Terrasson mit “Gouache” für einen Echo Jazz Award in der Kategorie “Internationaler Pianist/Keyboarder des Jahres”.
“Die Impressionisten haben die Gouache besonders gemocht”, konnte man in Audio lesen. “Als wasserlösliche Farbe, die zwar die Kraft einer Ölfarbe haben kann, aber nicht deren Endgültigkeit besitzt, entsprach sie dem Momenthaften des Eindrucks, der exemplarisch vom Künstler festgehalten werden wollte. Wenn nun Jacky Terrasson ein Album ‘Gouache’ nennt, dann spielt er genau auf dieses Beziehungsgeflecht an. Denn seine Vorstellung von Jazz lässt Unschärfen zu, mehr noch: Sie fordert sie heraus. Außer dem Song ‘Valse Hot’ von Sonny Rollins (1956) stammen die Lieder entweder von ihm selbst, von Chansonniers, dem Eigenbrötler Erik Satie oder Popstars wie John Lennon, Amy Winehouse und Justin Bieber. Es ist eine Aufforderung an die Hörer, das mit dem Kanon nicht so eng zu sehen, und eine Aufgabe für ihn selbst und seine Musiker, daraus etwas so Überzeugendes zu machen, dass Kritik als unpassend empfunden wird. Ihm zur Seite stehen zwei junge Kollegen, der Bassist Burniss Earl Travis II und der Schlagzeuger Justin Faulkner, die zusammen mit Terrasson ein pfiffig swingboppendes Basis-Trio bilden. Als Bläser setzen Stéphane Belmondo und Michel Portal Akzente, ergänzt um ein wenig Perkussion und einen Song mit der Sängerin Céline McLorin. Letztlich aber sind es Jacky Terrassons aufbrandende Läufe, seine scherzenden Akzente und seine stellenweise beeindruckende Coolness, die dem Album ihren Pfiff geben. Das ist Piano-Jazz der alten Schule, aber auch ein Spiel mit den Hörgewohnheiten, die eben gerade keinen Bieber oder Lennon hinter den Melodien vermuten – Musik eines Schelms mit hohem Unterhaltungswert.”
Charlie Haden & Hank Jones: Ein Duett zweier Jazzlegenden
1995 überraschten die beiden Jazzlegenden Charlie Haden und Hank Jones die Musikwelt mit
dem wunderbaren Gospel- und Spirituals-Album “Steal Away”, das damals für zwei Grammys nominiert wurde. Fünfzehn Jahre nach dem Erfolg gingen der mittlerweile 74-jährige Bassist und der 91-jährige Pianist erneut ins Studio, um den musikalischen Faden auf “Come Sunday” wieder aufzunehmen. Es sollte bedauerlicherweise Jones’ letzte Einspielung sein: am 16. Mai 2010, gut drei Monate nach Fertigstellung der Aufnahmen von “Come Sunday”, verstarb der letzte der Jones-Brothers-Dynastie. Jetzt wurden die beiden Protagonisten für jeweils einen Echo Jazz Award nominiert: Jones als “Internationaler Pianist/Keyboarder des Jahres” und Haden als “Internationaler Bassist/Bassgitarrist des Jahres”.
“Die Titel weisen den Weg: ‘Take My Hand, Precious Lord’, ‘Were You There When They Crucified My Lord’ oder auch ‘Sweet Hour Of Prayer’”, schrieb Marcelo Millot in Szene Hamburg. “Zum zweiten Mal nach ‘Steal Away’, ihrer Grammy-nominierten Produktion von 1995, taten sich die 75-jährige Bass-Legende Charlie Haden und der 91-jährige Pianist Hank Jones zusammen, um klassische Spirituals, Gospels und Folksongs einzuspielen. So sehr die Stücke in ihrer erwärmenden Emotionalität gen Himmel streben, so sehr interpretieren sie der im mittleren Westen in Iowa aufgewachsene Haden und der als Sohn eines Baptistenpredigers in Missisipi geborene Jones auch als Kindheits-Soundtrack und Polit-Manifeste. In ihrer beider vor Rassismus gewiss nicht gefeiten Umgebung beschwörten diese ‘Sonntagslieder’ schon früh die Hoffnung auf bessere Zeiten. Dabei statten Haden und Jones die Traditionals mit so viel Zärtlichkeit und Heiterkeit aus, dass die Mühlen der Welt tatsächlich wie zum Sonntagsgebet mit dem Mahlen aufzuhören scheinen. Für Jones, lange Begleiter von Ella Fitzgerald und der letzte der Jones-Brothers-Dynastie, war das betörende Werk zugleich ein Vermächtnis, er verstarb nur drei Monate nach den Aufnahmen.”