Dave McMurray | News | Rau, herzlich und voller Leidenschaft - musikalisches Spiegelbild Detroits

Rau, herzlich und voller Leidenschaft – musikalisches Spiegelbild Detroits

Nach zwei Alben, auf denen er Songs der Grateful Dead auf jazzig-soulige Weise neu interpretierte, präsentiert Saxofonist Dave McMurray wieder ein Album mit eigenen Kompositionen.
Dave McMurray
Dave McMurray(c) Joe Vaughn / Blue Note Records
13.11.2025
“Detroit hat einen einzigartigen Sound und eine einzigartige Atmosphäre, sagte Don Was kürzlich bei der Vorstellung seiner neuesten Band The Pan-Detroit Ensemble. “Es gibt eine Unverfälschtheit, einen Mangel an Überheblichkeit und einen unverwechselbaren Groove, der die Menschen und die Kultur der ganzen Stadt widerspiegelt.” Zu den Musikern der Band, die diese speziellen Detroit-Vibes so grandios verkörpern, gehört auch der Saxofonist Dave McMurray. Mit “I LOVE LIFE even when I’m hurting” legt dieser nun sein viertes Soloalbum bei Blue Note vor. Der bitter-süße Titel des neuen Albums ist ein Bekenntnis des Saxofonisten zu seinem unbezwingbaren Lebensgeist. Zugleich ist das Album eine Hommage an seine Heimatstadt Detroit und die vielen Detroiter Musiker, die ihn inspiriert haben und mit denen er im Laufe seiner mehr als fünf Jahrzehnte umspannenden Karriere zusammengearbeitet hat.
Die Idee zu diesem Titel kam McMurray nach einem tiefgründigen Gespräch über den Tod eines Freundes, der lange mit einer Krankheit gekämpft hatte, bevor er schließlich aufgab und einsam starb. McMurray reagierte auf diese traurige Nachricht mit bemerkenswerter innerer Stärke: “Mann, ich liebe das Leben, auch wenn es mir Schmerzen bereitet.” Weil ihm diese Bekräftigung so wichtig war, entschied er sich, den Satz zum Titel seines neuen Albums zu machen und Songs rund um dieses Thema zu schreiben. “Lieder über Positivität”, wie er sagt. Dementsprechend strotzen die sechs von ihm komponierten Stücke allesamt nur so vor ausdrucksstarker Melodik, emotionaler Unmittelbarkeit und unwiderstehlichen Grooves.
Das Album beginnt mit einer kurzen, lebensbejahenden Botschaft von Dave McMurray, die er mit einem ebenso leidenschaftlichen wie gefühlvollen Tenorsax-Monolog unterlegt hat, der ein wenig an den großen Charles Lloyd erinnert. Nach diesem Intro schaltet der Saxofonist mit seiner Band im überschwänglichen “The Jungleers” einige Gänge höher. Angetrieben von den ausgelassenen Afrobeat-Rhythmen des Schlagzeugers Jeff Canady und des Perkussionisten Mahindi Masai erreicht das Album hier seinen ersten Höhepunkt, dem noch einige folgen. Für zusätzlichen Drive sorgt am Kontrabass kein Geringerer als der Produzent Don Was, der seit 2011 der Präsident von Blue Note ist. Der puertoricanische Pianist Luis Resto, der seit über zwanzig Jahren zur Entourage von Enimem gehört, verleiht dem quirligen Stück in seinem Solo schließlich noch eine satte Dosis Salsa-Flair.
Die professionelle und persönliche Beziehung zwischen Dave McMurray und Don Was reicht schon mehr als vier Jahrzehnte zurück. Sie begann, als der Saxofonist auf “Was (Not Was)” mitwirkte, dem Debütalbum der gleichnamigen Band von Don Was (der übrigens auch Luis Resto angehörte). Beide wuchsen in der lebendigen Musikszene von Detroit auf, in der Jazz, Blues, Funk, Rock, Punk und elektronische Musik oft miteinander kollidieren und verschmelzen. Das gilt auch für die übrigen Mitglieder von McMurrays Band – den Gitarristen Wayne Gerard und den Bassisten Ibrahim Jones – sowie die beiden Gastvokalisten Herschel Boone und Kem.
Zwei seiner sechs Eigenkompositionen hat McMurray Menschen gewidmet, die ihm besonders nahestehen: die unter die Haut gehende Ballade “Just A Thought” schrieb er für seine Frau und Tochter, die hoffnungsvolle Soul-Jazz-Nummer “Find Your Peace (4 Tani)” für den Schlagzeuger Tani Tabbal, mit dem er in der Detroiter Avantgarde-Band Griot Galaxy zusammengespielt hat. Zu den Highlights des Albums zählen auch die drei Coverversionen, die McMurrays eigenes Repertoire ergänzen: ein modernes Remake von Al Jarreaus “We Got By”, hier interpretiert vom Neo-Soul-Sänger Kem, das nahöstlich angehauchte “The Plum Blossom” von Yusef Lateef, in dem McMurray auf der Flöte glänzt, sowie eine originelle Version von “The Wheel”, die eine Art Zugabe zu den beiden vorangegangenen “Grateful Deadication”-Alben des Saxofonisten ist.