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Vergessenes Genie des britischen Jazz – Mike-Taylor-LPs erschienen

Für zwei rare Alben des britischen Pianisten Mike Taylor mussten Jazzfans lange Zeit Unsummen zahlen. Nun sind sie erstmals wieder zu einem erschwinglichen Preis auf Vinyl erhältlich.
Mike-Taylor-LPs British Jazz Explosion
Mike-Taylor-LPs British Jazz Explosion(c) Decca Records
23.07.2025
Um den britischen Pianisten und Komponisten Ronald Michael “Mike” Taylor (1938–1969) ranken sich viele Legenden. Er gilt noch heute als eine der rätselhaftesten Figuren des britischen Jazz. In einem Feature der August-Ausgabe des Magazins Jazzwise, das ein Licht auf sein tragisch kurzes Leben und seine noch kürzere Karriere wirft, wird Taylor als “mysteriöser Querdenker des Brit-Jazz” bezeichnet. Zu seinen Lebzeiten erschienen in der Lansdowne-Serie von EMI/Columbia gerade einmal zwei Alben unter seinem Namen: “Pendulum” (1966), eingespielt im Quartett mit dem Saxofonisten Dave Tomlin, dem Bassisten Tony Reeves und dem Schlagzeuger Jon Hiseman, und “Trio” (1967), aufgenommen mit den beiden Bassisten Jack Bruce und Ron Rubin sowie erneut Hiseman am Schlagzeug. Auf beiden Alben präsentierte Taylor ein Programm aus sehr modern und ungewöhnlich arrangierten Jazzstandards sowie fantastischen Eigenkompositionen. Originalpressungen beider Alben sind heute nur noch schwer zu finden und erzielen bei Sammlern Preise von über 1.000 Pfund. In der historischen Reihe “British Jazz Explosion” von Decca Records sind sie nun nach langer Zeit zum ersten Mal offiziell auf Vinyl wiederveröffentlicht worden.
Mike Taylor wurde 1938 im Westen Londons geboren, in unmittelbarer Nähe zu den Clubs und Kaffeehäusern des West End, in denen er um 1961 herum aufzutreten begann. Diejenigen, die ihn kannten, beschrieben ihn als “sehr zurückhaltend, wenn er nicht gerade an den Tasten saß” und als “von Natur aus nicht kontaktfreudig oder extrovertiert“. Dennoch, so wird der Bassist Tony Reeves in den Linernotes von “Pendulum” zitiert, nahm Taylor “einen einzigartigen musikalischen Platz ein. Er war avantgardistisch, aber nicht zu extrem. Er verstand es, Standards zu arrangieren… und zwar auf eine völlig andere Art und Weise – so wie es sonst niemand konnte.”
“Pendulum” wurde im Mai 1966 veröffentlicht und erntete durchweg positive Kritiken. Und das, obwohl Taylor sich weigerte, Werbung zu machen, und stattdessen die Musik “für sich selbst sprechen lassen” wollte. Als dreizehn Monate später “Trio” erschien, war Taylors Ehe gescheitert und er konsumierte  immer mehr Haschisch und LSD. Auch die Einladung seines ehemaligen Bandkollegen Ginger Baker, gemeinsam ein paar Songs für ein Album der britischen Rock-Supergroup Cream zu schreiben, änderte daran nichts. Als die drei Stücke (“Passing The Time”, “Pressed Rat And Warthog” und “Those Were The Days”) 1968 auf “Wheels Of Fire”, dem ersten mit Platin ausgezeichneten Cream-Doppelalbum, erschienen, war Taylor längst obdachlos und litt an Psychosen. Im Januar 1969 wurde seine Leiche am Ufer der Themse in Essex gefunden; sie blieb eine Woche lang unidentifiziert.
Ähnlich wie bei dem Folk-Songwriter Nick Drake blieb auch Taylors Ableben in der Musikpresse damals weitgehend unbemerkt. In den Jahren nach seinem Tod geriet er weitgehend in Vergessenheit. Seine beiden Lansdowne-Alben fristeten ein Schattendasein, während ihr Wert auf dem Sammlermarkt langsam in die Höhe schoss. Die musikalische Bedeutung dieser beiden LPs sollte allerdings nicht unterschätzt werden. Noch heute dienen sie als Inspirationsquelle für neue britische Jazz-Acts wie Ezra Collective, Nubya Garcia und Sons of Kemet.
Die Neuauflagen der Alben “Pendulum” und “Trio” wurden in den Gearbox Studios in London unter Verwendung der Originalbänder neu gemastert. Beide Alben werden von ausführlichen neuen Linernotes des britischen Jazzexperten Tony Higgins begleitet, die detaillierte Einblicke in das außergewöhnliche und tragische Leben von Mike Taylor bieten.