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Wayne Shorter Quartet – Beyond The Sound Barrier

10.06.2005
Vor drei Jahren brachte Saxophonist Wayne Shorter ein Album heraus, das gleich in zweierlei Hinsicht (vom musikalischen Gehalt einmal ganz abgesehen) bemerkenswert war: “Footprints Live!" war zum einen das erste Live-Album, das der damals 69jährige Shorter in seiner langen Karriere unter eigenem Namen eingespielt hatte, und zum anderen sein erstes rein akustisches Album seit 1967. Nun erscheint mit "Beyond The Sound Barrier" erneut ein Live-Album, das der Saxophonist zwischen 2002 und 2004 bei Konzerten in Europa, den USA und Japan mit derselben rein akustischen Band aufnahm.
Obwohl "Beyond The Sound Barrier" unbestreitbar eine Fortsetzung von "Footprints Live!" sein soll, ist das neue Album dennoch weit davon entfernt, ein simpler Durchschlag seines Vorgängers zu sein. Während "Footprints Live!" eine Reihe von Shorter-Kompositionen enthielt, die allesamt längst zum Kanon der Jazzstandards zählen (u.a. "Atlantis", "Footprints" und "Juju"), liegt der Schwerpunkt bei "Beyond The Sound Barrier" auf neuem Material: drei dieser Stücke ("As Far As The Eye Can See", "Adventures Aboard The Golden Mean" und "Beyond The Sound Barrier") stammen von Shorter, eines ("Tinker Bell") ist eine Gemeinschaftskpmposition der vier Bandmitglieder.

Mit "Over Shadow Hill Way" und "Joy Ryder" präsentiert der Saxophonist allerdings auch diesmal wieder zwei seiner älteren Stücke – beide erschienen erstmals 1988 auf dem elektro-akustischen Album "Joy Ryder". Das wohl ungewöhnlichste Stück des Repertoires ist sicherlich "On The Wings Of Song", eine Komposition von Felix Mendelsohn-Bartholdy, die im Original "Auf den Flügeln des Gesanges" heißt. Solche Ausleihen aus der klassischen Musik sind für Shorter bekanntlich keine Novität. Auf "Footprints Live!" präsentierte er in jüngster Vergangenheit schon eine Adaption von Jean Sibelius' "La Valse Triste" und auf seinem letzten Album "Alegría", für das Shorter 2003 zwei Grammys bekam, eine Bearbeitung der "Bachiana Brasileira No. 5" von Heitor Villa-Lobos. Schließlich ist da noch das Titelstück (ein altes irisches Lied) aus dem 1941 erschienenen Arthur-Penn-Film "Smilin' Through".

Gemeinsam mit Pianist Danilo Pérez, Bassist John Patitucci und Schlagzeuger Brian Blade verfolgt Wayne Shorter dasselbe interaktive Gruppenzusammenspiel und dieselbe dekonstruktivistische Ästhetik, wie schon auf "Footprints Live!". Wobei das Quartett, dessen Mitglieder nun ja schon ein paar Jahre länger intensiv miteinander arbeiten, jetzt noch weitaus homogener und souveräner wirkt.

"Wir spielen in den verschiedenen Städten zwar ein ähnliches Programm, aber wir entfernen uns jede Nacht mehr von dem Ausgangsmaterial", schwärmt der Bandleader über seine Band. "Es klingt nie gleich. Diese Jungs haben alle einen nach vorne gerichteten Blick. Sie wissen, daß es in Ordnung ist, verwundbar zu sein, sich selbst zu öffnen, Risiken einzugehen und keine Angst vor dem Unbekannten zu haben. Wenn also einer von ihnen das Bedürfnis verspürt, etwas anderes einzubringen, dann tut er das auch. In dieser Band haben wir keine Mandate."
Shorter betrachtet sein neues Live-Album "Beyond The Sound Barrier" als Teil eines kreativen Kontinuums: "Viele Musiker sind heute zu sehr darum besorgt, ihr musikalisches Fundament zu verteidigen […] und sie versuchen, die Leute zu beeindrucken. Ich bin aber an einem Punkt angelangt, wo ich einfach nur sage: ‘Zur Hölle mit den Regeln!’ Ich bin 71 Jahre alt, ich habe nichts mehr zu verlieren. Ich breche auf ins Unbekannte.”