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Graue Eminenz mit grandioser Energie – Sonny Rollins

Seinen 80. Geburtstag feierte Sonny Rollins letztes Jahr mit einem erinnerungswürdigen Konzert im New Yorker Beacon Theatre. Die Highlights dieses Auftritts legt er nun auf der CD “Road Shows Volume 2” vor.
Duke Ellington
Duke Ellington
21.09.2011
Selbst ein Sonny Rollins wird nicht alle Tage 80 Jahre alt. Und da dem Jazz die Legenden langsam zur Neige gehen (und neue erst noch ein bisschen nachwachsen müssen), gehört ein solches Jubiläum entsprechend gefeiert.
Rollins tat dies letztes Jahr mit einer Reihe von Gästen im ausverkauften New Yorker Beacon Theatre: seiner Einladung folgten die beiden “Youngster” Roy Hargrove und Christian McBride sowie mit Jim Hall, Roy Haynes und Ornette Coleman drei ebenfalls schon legendäre Jazzer, die – wie Rollins – mit der Swing-Musik zur Welt kamen.
Die Bandmaschine lief bei diesem Ereignis natürlich mit, auch wenn Rollins sagt: “Es war eigentlich nicht beabsichtigt, dieses Material [gemeint sind die Aufnahmen des Konzerts] als mein nächstes Album herauszubringen. Aber es war einfach so stark, dass ich gar nicht anders konnte.” So findet die 2008 gestartete “Road Shows”-Serie mit Live-Aufnahmen von Sonny Rollins endlich ihre lange ersehnte Fortsetzung mit Volume 2.
Und Rollins tat gut daran, den Jazzfans diese Aufnahmen nicht lange vorzuenthalten. Gerahmt werden die Mitschnitte vom New Yorker Jubiläumskonzert von zwei Aufzeichnungen, die einen Monat später bei Rollins’ Japan-Tournee gemacht wurden.
Die CD beginnt mit einem 15-minütigen Parforce-Ritt durch den Irving-Berlin-Klassiker “They Say It’s Wonderful”. Zur Seite steht dem Saxophonkoloss hier seine eingespielte Tourband mit Gitarrist Russell Malone, Bassist Bob Cranshaw, Drummer Kobie Watkins und Perkussionist Sammy Figueroa.
Dann folgt das erste Stück aus dem Beacon Theatre, ein weiterer Klassiker: diesmal Ellingtons “In A Sentimenal Mood”, elegant interpretiert von Gastgitarrist Jim Hall mit Cranshaw, Watkins und Figueroa – und ohne Jubilar Sonny. Der meldet sich aber gleich danach auf furiose Weise zurück: gemeinsam mit Ornette Coleman, Christian McBride und Roy Haynes zelebriert er einen über zwanzigminütigen “Sonnymoon For Two” oder besser “Sonnymoon For Four”.
Dieses Zusammenspiel zwischen Sonny und Ornette (von Francis Davis im Begleittext der CD als “die zwei scharfsinnigsten Denker im Jazz” bezeichnet) ist ein jazzhistorisches Ereignis. Obwohl die beiden Saxophonisten seit Jahrzehnten Freunde sind und einst an kalifornischen Stränden zusammen übten, traten sie nie zuvor gemeinsam auf.
“Mir schien ‘Sonnymoon’ offen genug für Coleman und alle anderen”, erklärt Rollins die Songauswahl. “Man kann die Nummer auf eine strukturierte oder unstrukturierte Weise spielen. Das Stück ist geschmeidig genug, so dass die Gäste mit ihm anstellten konnten, was ihnen behagte.” Allein diese Aufnahme ist die Anschaffung dieser CD schon wert.
Doch auch der Rest ist nicht von schlechten Eltern. Trompeter Roy Hargrove gesellt sich zu Rollins und seiner Band, um Vernon Dukes “I Can’t Get Started” und Billy Strayhorns “Rain Check” zu interpretieren.
Abgerundet wird das Album mit einer für Sonnys Verhältnisse extrem kurzen Version seines unverwüstlichen Calypso-Klassikers “St. Thomas”. Die graue Eminenz des Jazz beweist einmal mehr, dass sie auch in fortgeschrittenem Alter noch über grandiose Energiereserven verfügt.