In den 50er Jahren erlangte das Beco das Garrafas (zu deutsch: das Flaschengäßchen) im Stadtteil von Ipanema weltweit Bekanntheit als die Wiege der Bossa Nova. Bis in die späten 60er Jahre hinein schlug dort in Etablissements wie dem Little Club, Ma Griffe, Bottles Bar, Bacará und natürlich dem Beco das Garrafas das Herz dieser Musik, traten dort regelmäßig MPB-Stars wie Tom Jobim, Sérgio Mendes, Elis Regina, Baden Powell, Roberto Menescal, Carlos Lyra, Luiz Eça, Wilson Simonal, Milton Banana, Sylvia Telles und Leny Andrade auf. Dann mußten die Bars billigen Absteigen und die Musiker Prostituierten das Feld überlassen, und das Flaschengäßchen mutierte zum Flachleg-Gäßchen. Nun beabsichtigt die Stadtverwaltung von Rio de Janeiro die Bordsteinschwalben von dort zu verscheuchen und das kulturelle Treiben wieder aufleben zu lassen.
Die Restaurierung der Gasse, von der es nur ein Katzensprung zum Strand von Copacabana ist, liegt den lokalen Händlern und Ayrton Xerez, seines Zeichens Bezirkssekretär für wirtschaftliche Entwicklung, Wissenschaft und Technologie sowie leidenschaftlicher Bossa Nova-Fan, schon seit längerer Zeit am Herzen. “Es ist ein Rettungsprojekt der brasilianischen Musik”, meint Xerez. Für die kommenden fünf Jahre sollen sich die Bars dazu verpflichten, Bossa Nova, Samba, Choro und Jazz zu spielen. “Pagode und Axé sind tabu. Es soll nur qualitativ gute Musik geben, und diese auch live”, so Xerez. Mit den notwendigen Umbauarbeiten könnte eventuell schon in wenigen Wochen begonnen werden. Während die Stadt für rund 60.000 Euro das Straßenpflaster sanieren, neue Bäume pflanzen und Rampen für Rollstuhlfahrer schaffen will, müssen die ortsansässigen Händler und Barbesitzer die Kosten für die Renovierung ihrer Läden selber tragen.
Gerade an der Finanzierung dieser fälligen internen Umbauarbeiten könnte das ganze Unternehmen dann auch schon scheitern. Denn zum einen gilt es keineswegs als sicher, daß mit künstlerischen Darbietungen genauso viel Geld gemacht werden kann wie mit horizontalen Dienstleistungen. Zum anderen mußten Vorreiter wie Claudiane Benavenuto, die Besitzerin des Café do Beco (das ehemalige Ma Griffin), schon nach kurzer Zeit die Veranstaltung intimer MPB-Konzerte wieder einstellen, weil sich Nachbarn beim Ordnungsamt über “Lärmbelästigung” beklagt hatten.
Uneinigkeit herrscht indes auch hinsichtlich der musikalischen Marschrichtung. Während Xerez und die Stadtoberen zur Wiedereröffenung des Beco die alte Riege der MPB aufspielen lassen möchten (etwa César Camargo Mariano, Airto Moreira, Sérgio Mendes, Hélcio Milito und Bebeto), rät der Journalist und Schriftsteller Ruy Castro, Autor zweier gerühmter Bücher über die Bossa Nova, von solch einem nostalgischen Trip in die musikalische Vergangenheit dringend ab. Er ist der Meinung, daß das neue Beco junge Talente fördern sollte, die in Rio nur wenige Auftrittsmöglichkeiten vorfinden. “Es spricht nichts dagegen, diese Region wieder auferstehen zu lassen, aber man kann die alten Zeiten nicht zurückholen”, meint Castro. Seines Erachtens wäre es ein Fehler, die Clubs für die alten Stars zu öffnen. “Damals waren es junge Musiker, die für ein junges Publikum spielten. Deshalb sollte man auch jetzt wieder junge Musiker engagieren und keine einbalsamierten Größen vergangener Zeiten.”
So oder so – es bleibt abzuwarten, ob dieses Projekt tatsächlich eines Tages in die Tat umgesetzt werden wird. Denn in Brasilien wird sehr viel geredet, geplant und versprochen, aber allzu oft leider nur sehr wenig auch realisiert.