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Jasdeep Singh Degun: wagemutiger Romantiker und Modernisierer der klassischen indischen Musik

Auf seinem Debütalbum “Anomaly” jonglierte der junge Sitar-Spieler und Komponist Jasdeep Singh Degun kunstvoll mit indischen und westlichen Musikeinflüssen sowie Tradition und Moderne.
Jasdeep Singh Degun
Jasdeep Singh Degun
04.05.2022
Diese LP und weitere von Real World Records finden Sie in unserem JazzEcho-Store.
“Lehnen Sie sich zurück. Geben Sie sich dem Sog hin. Spüren Sie, wie Sie davontreiben”, lädt ein Text im Booklet zu “Anomaly” Hörerinnen und Hörer ein. “Geben Sie sich der Schönheit und dem Schmerz, der Poesie und der Kraft der Sitar hin – jenem Zupfinstrument mit dem langen Hals und der birnenförmigen Kalebasse, das seinen Ursprung an den Höfen der Maharadschas im mittelalterlichen Indien hatte.” “Anomaly” ist das beeindruckend reife Debütalbum des jungen britischen Sitar-Spielers und Komponisten Jasdeep Singh Degun, das nun auf CD und Doppel-Vinyl bei Real World Records erschienen ist.
Jasdeep wuchs im nordenglischen Leeds auf und wurde ab seinem 15. Lebensjahr von einem der bekanntesten Sitar-Maestros Großbritanniens, Ustād Dharambir Singh, in die Finessen des Instruments eingeweiht. In Samyo, dem von Ustād Dharambir Singh geleiteten nationalen Jugendorchester für indische Musik, lernte er die sehr verschiedenen klassischen Traditionen der nordindischen (hindustanischen) und südindischen (karnatischen) Musik kennen. Ab 2011 besuchte Jasdeep die School of Oriental and African Studies (SOAS) der University of London, an der er sein Musikstudium nach drei Jahren mit einem Bachelor of Arts abschloss. 2016 erhielt er ein Stipendium von der Sky Academy, die ihm als Mentor den Produzenten und Multiinstrumentalisten Nitin Sawhney zur Seite stellte. Unter dessen Federführung begann er die  Arbeit an dem Album “Anomaly”, mit dem er nun schließlich ins Rampenlicht tritt. Parallel erweiterte Jasdeep seinen musikalischen Horizont u.a. durch Kooperationen mit dem Drum’n'Bass-Pionier Goldie, dem griechischen Elektronikmusiker und Filmkomponisten Vangelis (Aphrodite’s Child, Yes) und der schottischen Folkrock-Legende Donovan.
In den zwölf Stücken von “Anomaly” stellt Jasdeep Singh Degun die vielen verschiedenen Schattierungen seiner musikalischen Persönlichkeit vor. Es gibt beeindruckende Sitar-Soli zu hören, spannende Dialoge mit dem Akustikgitarristen Glenn Sharp, aber auch breitwandige, cineastische Klänge von dem Millennia String Ensemble. Traditionelle Instrumente aus allen Teilen des indischen Subkontinents treffen auf klassische und moderne Instrumente der westlichen Welt. Die Poesie und Kraft von Jasdeeps Werken zeigt sich besonders schön im Titelstück, in dem sich die Klänge von Sitar, Esraj, Tabla und der gezupften Kastenzither Swarmandal mit denen von Cello und Gitarre vermischen. Andere Songs wie “Undertow” verzaubern die Hörer/innen durch Improvisationen, die auf der melodiösen nordindischen Raga Rageshri basieren, während “Redemption (Reprise)”, die Schlussnummer, eine Ballade ist, in der alle Mitwirkende des Albums mit ihren Instrumenten zum Einsatz kommen. Ein weiterer Höhepunkt ist die wunderbare Interpretation von “Nadia”. Mit dieser leicht von Drum’n'Bass eingefärbten Nummer hatte Jasdeeps Mentor Nitin Sawhney (der “Anomaly” auch gemeinsam mit David McEwan produzierte) 1999 einen Überraschungshit gelandet.
“Da ich in England aufgewachsen bin, konnte ich verschiedene Einflüsse aufsaugen”, sagt Jasdeep. “Ich habe westliche klassische Musik studiert und schätze Komponisten wie Mahler und Mozart, aber auch Filmkomponisten wie A. R. Rahman und John Williams. Auf ‘Anomaly’ werfe ich auf meine persönliche Art aber vor allem ein Licht auf die klassische indische Musik. Es ist Musik, die mir als Produkt meiner Umgebung und meiner Ausbildung im Blut liegt. […] Bei diesem Album hatte ich freie Hand, meine Vision zu verwirklichen. Jedes Stück erzählt eine Geschichte aus meinem Leben, und jedes hat etwas, das es unverwechselbar macht.”