Schneeball aus Energie und Kreativität – Madison-Cunningham-Album erschienen
Die kalifornische Sängerin, Gitarristin und Songschreiberin scheint auf jedem Album risikofreudiger und vielseitiger zu werden. Mit “Ace” zieht sie ihr drittes Ass aus dem Ärmel.
Madison Cunningham(c) Verve Forecast / Sean Stout
09.10.2025
Wie schreibt man über Liebeskummer, wenn man ihn gerade selbst durchlebt? Mit dieser Frage beschäftigte sich Madison Cunningham, als sie die Songs für “Ace” schrieb, ihr mittlerweile drittes Album für das Label Verve Forecast. Die vierzehn Lieder handeln von Entfremdung und Trennungsschmerz bis hin zum erneuten Verlieben. Es geht darum, betrogen zu werden, aber auch darum, sich selbst zu betrügen. Es ist ein überzeugendes Werk, das Cunningham als Songschreiberin, Sängerin, Gitarristin und Pianistin auf einem neuen Höhepunkt ihres Könnens zeigt. Mit den simpel gestrickten Liedformen, wie sie in der Popmusik gang und gäbe sind, hat sie nicht viel am Hut. Das bedeutet jedoch nicht, dass sie keine eingängigen Melodien schreiben kann. Ihre Musik ist allerdings voller überraschender Stimmungs- und Rhythmuswechsel, komplexer Harmonien, raffinierter Arrangements und exquisiter Instrumentierungen (u. a. mit Bassklarinette, Flöte, Streichinstrumenten und Celesta).
“Ace” ist der Nachfolger ihres Erfolgsalbums „Revealer“. Das im Jahr 2023 erschienene Album war eine Art mit schwarzem Humor durchwirktes Selbstporträt der Künstlerin und brachte ihr im vergangenen Jahr den ersten Grammy ein. Zuvor war sie schon zweimal nominiert gewesen: 2020 mit ihrem Verve-Forecast-Debüt “Who Are You Now?” und 2022 mit der EP “Wednesday”. Tatsächlich ist sie schon seit über einem Jahrzehnt als Sängerin, Gitarristin und Songschreiberin tätig. Ihr allererstes Album “Authenticity” brachte sie 2014 im Alter von gerade einmal 17 Jahren heraus. Da sie sich heute jedoch nicht mehr mit ihm identifizieren kann, ließ sie es vor vier Jahren von allen Streaming-Plattformen entfernen. Lange Zeit war Madison das, was man einen “Musician’s Musician” nennt: eine Künstlerin, die unter ihren Kollegen höchste Anerkennung genoss, aber nur einem eingeschworenen Insider-Publikum bekannt war. Das änderte sich vor sechs Jahren mit ihrem ersten Album für Verve Forecast. Mit den Konzerten ihrer ausgedehnten “Revealer”-Tournee, die sie 2023/24 teilweise im Vorprogramm von John Mayer und Hozier bestritt, eroberte sie ein neues, größeres Publikum.
Mit “Ace” knüpft Madison Cunningham erneut an das Konzept von “Revealer” an, verfeinert und erweitert es aber zugleich. Da es in den Songs um sehr persönliche und mitunter heikle Erfahrungen geht, brauchte Madison einige Zeit, um ihre Gefühle in Worte zu fassen. Zwar hatte sie das Thema Liebeskummer schon in einigen Songs ihrer beiden vorausgegangenen Alben angesprochen, aber in denen ging es nicht um ihre eigene Geschichte. Es waren Skizzen, Beobachtungen. Die Songs von “Ace” sollten in erster Linie ihre Emotionen widerspiegeln. Sie wollte offenherzig sein, aber auch deutlich machen, dass es ihre ureigene Geschichte ist, die für immer ihr und sonst niemandem gehört. Es dauerte Monate, bis der Knoten platzte. Aber dann lief es: “Ich zerbrach und nahm eine neue Form an”, sagt sie. Sie zog in eine andere Wohnung. Der Sommer neigte sich dem Ende zu. Sie setzte sich hin und das Schreiben fiel ihr plötzlich wieder leicht. Sie schrieb fast alle Songs des Albums im August 2024.
Für die Aufnahmen des Albums, das sie gemeinsam mit Robbie Lackritz (Feist, Rilo Kiley, Bahamas, Peach Pit) produzierte, versammelte Madison ein Kollektiv aus Musikern um sich, die wie sie selbst eine erstaunliche Vielzahl von Instrumenten spielen. Mit von der Partie waren Philip Krohnengold, Jesse Chandler, Kyle Crane, Daniel Rhine, Rob Moose und Sam Weber. Als Gast ist außerdem der Sänger Robin Pecknold von den Fleet Foxes in dem Song “Wake” zu hören. “Sie ist eine Naturgewalt”, sagt Lackritz über die Zusammenarbeit mit Madison, “ein unglaubliches musikalisches Talent. Wenn wir gearbeitet haben, dann den ganzen Tag. Wir fingen morgens einen Song an und beendeten ihn am Abend. Wir haben uns gegenseitig mit unserer Energie aufgetankt. Es fühlte sich an wie ein Schneeball aus Energie und Kreativität.”