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Unberechenbarer denn je – “Silk And Salt Melodies” von Louis Sclavis

Auf “Silk And Salt Melodies” pendelt Klarinettist Louis Sclavis zwischen Jazz, traditioneller persischer und zeitgenössischer improvisierter Kammermusik.
Louis Sclavis
Louis Sclavis© Luc Jennepin / ECM Records
21.08.2014
Als “unorthodoxen Glücksfall” bezeichnete die Jury der Deutschen Schallplattenkritik vor zwei Jahren das Atlas Trio des Klarinettisten Louis Slavis, als sie dessen Debütalbum “Sources” in ihre Bestenliste aufnahm. “Das Atlas Trio”, hieß es, “definiert zeitgenössischen Jazz als pulsierendes Puzzle-Spiel voller überraschender Verwandlungen.” Für das ungewöhnliche Trio mit E-Gitarrist Gilles Coronado und Keyboarder Benjamin Moussay musste Sclavis, wie er damals sagte, “Musik erfinden, die diese Konstellation ‘rechtfertigen’ würde”. Nun hat er das Trio durch den iranischstämmigen Perkussionisten Kevyan Chemiran zum Quartett erweitert und auf dem Album “Silk And Salt Melodies” einen neuen musikalischen Kurs eingeschlagen. Chemiran, der ein Meister der Zarb-Handtrommel ist, gibt der Klangwelt des Ensembles eine neue Dimension. Abenteuerlustige zeitgenössische Musik kann laut Sclavis so umfassend sein, dass sie unterschiedliche, aber sich komplementierende Traditionen unter einen Hut bringen kann. “Mit ‘Silk And Salt’ wollte ich die Arbeit fortsetzen und eine imaginäre, nomadische, zentralasiatische Route einschlagen, aber auch die Idee der Emigration in der Weltgeschichte ansprechen. In diesem Fall führt die Reise vom Jazz weg und wieder zu ihm zurück.”

Die ausgefallene Besetzung hat die Phantasie von Sclavis hörbar befeuert. Das Atlas Trio hatte mit seiner unorthodoxen Instrumentierung schnell eine eigene Nische an der Schnittstelle verschiedener Genres (von Jazz und freier Improvisation über Kammermusik und Minimal Music bis hin zu Rock) gefunden. Durch die Hinzunahme von Kevyan Chemirani erweitert sich das Spektrum nun noch einmal deutlich. So basieren etwa einige der neuen Stücke auf traditionellen iranischen Rhythmusmustern. Kevyan ist der Sohn des legendären persischen Perkussionisten Djamchid Chemirani, der einer der ersten Musiker war, die die Zarb, eine mit den Händen geschlagene hölzerne Bechertrommel, als Soloinstrument einsetzten. Von seinem Vater, der 1961 nach Frankreich ausgewandert war, wurde Kevyan in die Geheimnisse des Instruments eingeweiht. Seit er 1989 seine internationale Karriere startete, hat Kevyan Chemirani in unterschiedlichen Kontexten gearbeitet. Mal spielt er mit dem Chemirani Ensemble (der Familienband) klassische persische Musik, dann arbeitet er mit Musikern aus Indien, Griechenland, der Türkei oder Spanien zusammen. Auch im Jazz und der improvisierten Musik ist er durch Kooperationen mit u.a. Albert Mangelsdorff, Michel Portal, Renaud Garcia-Fons und Sylvain Luc schon längst kein Unbekannter mehr.

“Es ist für Künstler nicht ungewöhnlich, durch Besetzungsänderungen ein wenig Bewegung ins Spiel zu bringen und neue Pfade zu erkunden,” merkte John Kelman von All About Jazz in einer Rezension von “Sources” an. “Aber es gibt nur wenige, die anhand von Besetzungsänderungen so unermüdlich auf neue Klangterritorien drängen wie Louis Slavis… Hier jedoch wird selbst die berühmte Unberechenbarkeit des Klarinettisten von einem einzigartigen Kollektivklang übertrumpft, der nach einem neuen Paradigma für zeitgenössische improvisierte Kammermusik sucht – und es auch findet.”