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In Wayne Shorters Fußstapfen

Joe Lovano & Dave Douglas
Joe Lovano & Dave Douglas
02.04.2015
Wenn Musiker einem Kollegen Tribut zollen, tun sie das üblicherweise, indem sie seine bekanntesten Werke aufführen. Eine Hommage mit gänzlich neuen Kompositionen zu wagen, zeugt entweder von Genialität oder Wahnsinn (und diese beiden Geisteszustände trennt ja angeblich nur eine feine Linie). Da bisher weder dem Saxophonisten Joe Lovano noch dem Trompeter Dave Douglas je Wahnsinn attestiert wurde, muss die Triebfeder bei ihrem Wayne-Shorter-Tribut folglich Genialität gewesen sein.
Lediglich “Sound Prints”, der Name ihres Quintetts mit Pianist Lawrence Fields, Bassistin Linda Oh und der Downtown-Schlagzeug-Legende Joey Baron, ist eine leise Reverenz an den Shorter-Titel “Footprints”. Das Repertoire dagegen bildeten Lovano und Douglas aus eigenen Stücken, zu denen sie durch Werke Shorters inspiriert wurden. Als Sound Prints 2011 bei einer Europa-Tournee im Vorprogramm von Shorter spielte, konnte der legendäre Saxophonist hautnah erleben, wie kreativ das Quintett war. Und als sie im Juni 2013 zusammen in der New Yorker Town Hall auftraten, überraschte Shorter Sound Prints mit einem ganz besonderen Geschenk: zwei brandneuen Kompositionen (“Destination Unknown” und “To Sail Beyond The Sunset”), die er eigens für das Quintett geschrieben hatte. “Die Musik war handgeschrieben, sehr detailliert und sehr präzise”, erinnert sich Dave Douglas. “Wayne sagte uns aber, dass die Melodien lediglich Vorschläge seien”, ergänzt Joe Lovano, “und dass wir unsere eigene Geschichte erzählen sollten.”
Beim Monterey Jazz Festival erlebten diese Stücke drei Monate später ihre umjubelte Uraufführung und wurden mit den Originalen von Lovano und Douglas für das Album “Live At Monterey Jazz Festival” aufgezeichnet. 
Sound Prints ist mit dem Album eine wirklich einzigartige Hommage an einen der größten Saxophonisten und Komponisten des Jazz gelungen: eine Hommage, die den Blick in die Zukunft gerichtet hat und nicht in die Vergangenheit, die Neues erschafft statt Altes wiederzubeleben. Die experimentierlustigen Musiker dieses Quintetts nehmen den Hörer auf eine beeindruckende abenteuerliche Klangreise mit. “Fußabdrücke sieht man”, merkt Joe Lovano spitzfindig an, “Klangabdrücke hört man.”
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