Um auf dem legendären 1960 gegründeten Impulse-Label veröffentlicht zu werden, lebte Saxophonist Charlie Parker genau fünf Jahre zu kurz. Dafür erscheint seine Musik jetzt, Jahrzehnte später, in Form eines außergewöhnlichen Tributes auf Impulse Records. Besonders ansprechend ist das in Form der jetzt erschienenen Schallplattenvariante: in einem Gatefoldcover, das an die prächtigen Impulse-LPs der Sechziger Jahre erinnert, und in zweimal 180 Gramm gepresst.
Charlie “Bird” Parkers Bedeutung für die Entwicklung des Modern Jazz lässt sich kaum überschätzen. Aber nicht nur sein musikalisches Werk thematisiert “The Passion of Charlie Parker”, sondern auch sein dramatisches, viel zu kurzes Leben. Parker wurde nicht “Bird” gerufen, weil sein Heroin-Dealer Emry Bird so hieß, dass er diesem mindestens ein musikalisches Denkmal setzte, steht auf einem anderen Blatt. Auch wenn das fatale Opiat in Parkers Leben eine höchst unrühmliche Rolle spielte, die wohl nahe liegendste Erklärung für Parkers Spitznamen dürfte sein, dass der 1920 geborene und 1955 verstorbene Musiker schlicht über allem schwebte. Sein unerreichtes Talent und die fast manische Besessenheit bezüglich allem rund um das Saxophonspiel, hatten ihm eine Vogelperspektive ermöglicht, aus der heraus er den Jazz und seine “Regeln” neu erfand.
Das Ying und Yang, die extremen Pole, zwischen denen Parkers Leben und damit auch seine Musik oszillierte, kurz: der lebendig gewordene Zwiespalt, den Parker verkörperte, war es schließlich, der Produzent Larry Klein vor ein paar Jahren eine mutige Entscheidung treffen ließ: Dem Giganten Charlie Parker sollte eine Würdigung zu teil werden, die diesen Namen auch verdient. Und, nein, ein Instrumental-Album mit Saxophonisten, die Parker-Titel nachspielen, sollte es gerade nicht werden, denn davon hat die Welt schon genug. Klein beauftragte daher den Songwriter David Baerwald, einige der wichtigsten Kompositionen Parkers zu “vertexten”, also die ausschließlich instrumentalen Werke um eine sprichwörtliche Stimme zu bereichern. Ziel des Ganzen: Ein Hörstück, um nicht zu sagen, Hör-Spiel, das einige der wichtigsten Stationen aus dem Leben Parkers Revue passieren lässt.
Interpretiert von einigen der derzeit relevantesten Stimmen des Jazz – darunter
Melody Gardot,
Madeleine Peyroux, sowie
Kandace Springs und
Gregory Porter – verschmelzen Song, Neutextung und Interpretation zu zwölf eigenständigen Stimmen und damit Charakteren, die von Parkers Leben erzählen, so wie Parker es vielleicht selbst gern getan hätte. Womit wir wieder bei Emry Bird, Parkers Heroin-Dealer wären. Basierend auf “Moose The Mooche”, Parkers musikalischem Denkmal für seinen langjährigen Drogenlieferanten, besingt
Kurt Elling auf “Los Angeles” die Beziehung zwischen dem Musiker und seinem illegalen Medizinmann. Erschütternd, ergreifend und wunderschön. Dass sich, wie dieser Song zeigt, diese Episoden eben nicht nur um die unerreichte Lebensleistung Parkers – die Neuerfindung des Jazz – drehen, sondern auch jene Hinter- und Untergründe beleuchten und nachzeichnen, mit denen Parker für dieses Vermächtnis hat bezahlen müssen, ist ein weiterer wichtiger Aspekt, der Kleins Würdigung auszeichnet.