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“Tone Poets”-Serie: eines der besser gehüteten Geheimnisse von Los Angeles

In der audiophilen “Tone Poet”-Vinyl-Reihe von Blue Note gibt es diesmal Alben von zwei Trompete spielenden Bandleadern: “Moment Of Truth” von Gerald Wilson und “Breaking Point!" von Freddie Hubbard.
JazzEcho-Plattenteller: Gerald Wilson "Moment Of Truth " / Freddie Hubbard "Breaking Point" (Blue Note Tone Poet Vinyl)
JazzEcho-Plattenteller: Gerald Wilson "Moment Of Truth " / Freddie Hubbard "Breaking Point" (Blue Note Tone Poet Vinyl)
30.05.2022
Diese LPs und weitere Folgen aus der Blue Note Tone Poet-Serie finden Sie in unserem JazzEcho-Store.
Die Vinyl-Wiederveröffentlichungen der “Tone Poet”-Reihe präsentieren Klangpoeten, die ihren eigenen Weg gegangen sind, um einige wirklich originelle Sounds zu erzeugen. Inspiriert wurde Blue-Note-Präsident Don Was zu dieser Kollektion durch die außergewöhnlichen audiophilen Vinyl-Wiederveröffentlichungen, die Joe Harley seit Jahren bei dem von ihm mitgegründeten Label Music Matters herausbringt. Der Saxofonist Charles Lloyd verlieh ihm für sein außerordentliches Gespür für die Klangästhetik des LP-Formats den Ehrentitel “Tone Poet”, den Harley heute mit Stolz trägt. Die LPs der Reihe werden mit viel Liebe für Details gefertigt – angefangen bei der Tonqualität und dem Mastering über die hochwertige Pressung auf 180-Gramm-Vinyl bis hin zur Gestaltung der schweren, laminierten Gatefold-Sleeves und der Druckqualität.
Gerald Wilson – Moment Of Truth
“Von Zeit zu Zeit schien Gerald Wilson eines der besser gehüteten Geheimnisse von Los Angeles zu sein”, meint Richard S. Ginell in der AllMusic-Biographie des Musikers, der von Haus aus Trompeter war, “ein ungewöhnlich geschickter, phantasievoller und charismatischer Bandleader, der fernab der Westküste nicht die ihm gebührende Aufmerksamkeit erhielt. Seine Arrangements waren unverwechselbar, oft mit komplexen Voicings und Harmonien, verwurzelt in Swing und Bop, aber immer zukunftsorientiert und energiegeladen im Ton. Er liebte es, mit Strukturen zu spielen, was zu der rastlosen Qualität vieler seiner Stücke beitrug…” Den Zenit seiner Popularität erreichte Wilson in den 1960er Jahren, als er elf Alben für Richard Bocks Label Pacific Jazz aufnahm, darunter 1962 “Moment Of Truth” mit einer Besetzung, in der so ziemlich sämtliche Stars der damaligen West-Coast-Jazzszene versammelt waren: von den Trompetern Carmell Jones und Al Porcino über die Tenoristen Teddy Edwards und Harold Land, Altsaxophonist und Flötist Bud Shank, Gitarrist Joe Pass, Pianist Jack Wilson und Schlagzeuger Mel Lewis.
Erste Erfolge mit einer eigenen Bigband hatte Gerald Wilson (1918–2014) bereits Mitte der 1940er Jahre gefeiert. Einen Namen machte er sich darüber hinaus als Trompeter, Arrangeur und Komponist in den Orchestern von Jimmy Lunceford Duke Ellington, Dizzy Gillespie und Count Basie. Das Allstar-Ensemble, das auf “Moment Of Truth” zu hören ist, versorgte er fast ausschließlich mit eigenem Material plus einem leichtfüßigen Arrangement von Miles Davis’ modalem Klassiker “Milestones”. Als das große Zugpferd des Albums erwies sich aber der von Wilson geschriebene Opener “Viva Tirado”. Die in mittlerem Tempo gehaltene, einprägsame Latin-Nummer sollte ein paar Jahre später erneut zu einem Hit werden. Erst belegte 1970 die Latin-Rockband El Chicano mit ihrer souligen Version von “Viva Tirado” dreizehn Wochen lang Platz 1 der Radio-Charts von Los Angeles. Dann coverten das Stück 1974 auch die Fania All Stars mit Manu Dibango, Jan Hammer und Ray Barretto als Solisten.
Freddie Hubbard – Breaking Point!
Seine erfolgreiche Solokarriere bei Blue Note Records hatte der Trompeter Freddie Hubbard bereits gestartet, bevor er 1961 von Art Blakey als Ersatz für Lee Morgan zu den Jazz Messengers geholt wurde. Bis Februar 1964 sollte Hubbard mit Blakeys legendärer Band sechs Alben einspielen, während er parallel weiterhin atemberaubende Soloaufnahmen für Blue Note und Impulse! Records machte. Eines der spannendsten Alben in dem durchweg beeindruckenden Blue-Note-Œuvre des Trompeters war “Breaking Point!”, aufgenommen im Mai 1964, kurz nach seinem Ausstieg bei den Jazz Messengers
Für die Session formierte der 26-Jährige ein neues Quintett mit dem Altsaxofonisten und Flötisten James Spaulding, Pianist Ronnie Mathews, Bassist Eddie Khan und Schlagzeuger Joe Chambers. Mit Spaulding hatte Hubbard schon 1962 “Hub-Tones” aufgenommen, mit dem Pianisten und Bassisten 1963 auf Ronnie Matthews' Album “Doin' The Thang!” zusammengespielt. “Die schiere Energie, die Hubbard diesem Ensemble injizierte, und die pure Originalität dieser Musik, die sich von jener seiner Kollegen Miles Davis und Lee Morgan abhob, machten Hubbard zur neuesten der neuen Stimmen auf seinem Instrument”, meint Michael G. Nastos bei AllMusic. “‘Breaking Point!’ hat den Test der Zeit als eine Aufnahme bestanden, die dem Post-Bop der Mittsechziger Jahre weit voraus war, und es ist ein essenzielles Werk für alle, die auf funkenstiebenden progressiven Jazz stehen.”
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