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Tone Poet Serie – Grenzgänger zwischen Hardbop und Soul-Jazz

Mit ihren Alben, die nun in der “Tone Poet Audiophile Vinyl Series” neu aufgelegt werden, eroberten Altsaxophonist Lou Donaldson und Trompeter Lee Morgan in den 1960ern die Charts.
Tone Poets Lou Donaldson / Lee Morgan
Tone Poets Lou Donaldson / Lee Morgan
20.06.2019
Diese LPs und weitere Folgen aus der Tone Poet-Serie finden Sie in unserem JazzEcho-Store.   
“Ich möchte die Hörer in Rudy Van Gelders Studio zurücktransportieren und ihnen das Gefühl geben, eine Fliege an der Wand zu sein. Sie sollen den Eindruck gewinnen, dass alles in ihrem Beisein passiert”, erläutert Joe Harley von Music Matters die Philosophie hinter der Klangästhetik der audiophilen “Tone Poet”-Vinyl-Serie. “Mein Ziel war es, diese großartigen analogen Masterbänder zu nehmen und nach bestem Wissen und Gewissen ein Abbild von dem, was auf den Bändern war, auf Vinyl zu bannen, um die Hörer nacherleben zu lassen, was an diesem Tag im Studio geschah.”
Seinen Spitznamen “Tone Poet”, der dieser Reihe mit Aufnahmen aus dem Blue-Note-Katalog ihren Namen gab, verdankt Harley dem großen Charles Lloyd. Anfang der Nullerjahre stand er dem legendären Saxophonisten als Klangtechniker bei der Aufnahme von drei gefeierten ECM-Alben zur Seite. Lloyd, mittlerweile selbst wieder Blue-Note-Künstler, lobte ihn dabei für sein exquisites Ohr und taufte ihn “Tone Poet”. Anlässlich des 80. Label-Jubiläums beauftragte Blue-Note-Präsident Don Was den “Klangpoeten” damit, seine persönlichen Favoriten für diese exklusive Vinyl-Edition zusammenstellen.
Von den achtzehn Alben, die Harley auswählte, liegen sechs von Wayne Shorter, Chick Corea, Sam Rivers, Gil Evans, Joe Henderson und Cassandra Wilson bereits vor und wurden von der Fachpresse in höchsten Tönen gelobt. “Wenn die erste Wiederveröffentlichung – Wayne Shorters 1965er Klassiker ‘Etcetera’ – ein Indikator ist”, schrieb Paste, “wird diese Serie eine wunderbare Sache für Jazzfans und Audiophile sein.” Bei Analog Planet hieß es: “Ein verheißungsvoller Start für eine Serie, die sicherlich ein Muss sein wird.”
Die rein analogen, d.h. ohne digitale Zwischenschritte gefertigten Reissues werden von Kevin Gray (Cohearent Audio) von den originalen Masterbändern neu gemastert und bei Record Technology Incorporated (RTI) auf 180g-Vinyl gepresst. Die Originalcover werden als schwere, laminierte Gatefold-Sleeves faksimiliert.
 
 
Lou Donaldson – Mr Shing-A-Ling (1967)
Den Altsaxophonisten Lou Donaldson kann man als echtes Blue-Note-Urgestein bezeichnen. Mit nur einer kurzen Unterbrechung spielte er für das Label zwischen 1952 und 1974 Dutzende von Platten unter seinem Namen oder als Sideman von Thelonious Monk, Clifford Brown, Art Blakey und Jimmy Smith ein. Eine maßgebliche Rolle spielte er auch dabei, Talente wie Horace Silver, Clifford Brown, Grant Green, Blue Mitchell, John Patton, Ray Barretto, Curtis Fuller und Donald Byrd zu Blue Note zu lotsen. Mit dem Album “Alligator Bogaloo”, auf dem er Hardbop nahtlos mit Soul-Jazz kombinierte, landete Lou Donaldson 1967 seines größten Hit bei Blue Note.
Noch im selben Jahr ging er mit dem Trompeter Blue Mitchell, Hammond-Organist Dr. Lonnie Smith, Gitarrist Jimmy “Fats” Ponder und dem großartigen Schlagzeuger Leo Smith (besser bekannt als Idris Muhammad) ins Studio, um das Nachfolgealbum “Mr Shing-A-Ling” einzuspielen. Für viele ist es eine der besten Jazz-Funk-/Soul-/Boogaloo-Platten des Altsaxophonisten. Und schon nach dem ersten Anhören weiß man, warum das so ist: die unglaublichen Grooves sind einfach unwiderstehlich. Die Drum-Intro zu Bobby Gentrys Hit “Ode To Billie Joe” gilt als der am häufigsten gesamplete Beat in der Geschichte von Blue Note. Zu den Künstlern, die sich von ihm inspirieren ließen, gehören u.a. A Tribe Called Quest, Kanye West, Drake, Lauryn Hill, Mary J Blige, J Dilla, De La Soul und Eminem. Weitere Highlights dieses Albums sind eine einzigartige Bossa-Nova-Version des Standards “The Shadow Of Your Smile” und Lonnie Smiths funky Klassiker “Peepin’”.
 
 
Lee Morgan – Cornbread
Mit “The Sidewinder” hatte der junge Trompeter Lee Morgan 1964 bei Blue Note ein Album herausgebracht, das ihm seinen Platz im Jazz-Olymp endgültig sichern sollte. Schon als Teenager hatte er auf John Coltranes Klassiker “Blue Train” und als Solist von Art Blakey’s Jazz Messengers Aufsehen erregt. In seiner kurzen, aber ungeheuer produktiven Karriere (Morgan starb 1972 unter tragischen Umständen mit nur 33 Jahren) spielte er über zwanzig Alben für Blue Note ein, von denen es einige – wie “The Sidewinder” – damals sogar in die Pop- und Rhythm’n'Blues-Charts schafften.
Mit “Cornbread” gelangte Lee Morgan zweimal in die Charts: bei der Erstveröffentlichung 1967 eroberte das Album Platz 7 der Billboard-Jazz-Charts und bei der CD-Wiederveröffentlichung 1988 einen mehr als respektablen 15. Platz. Aufgenommen hatte Morgan “Cornbread” im September 1965 mit einem absolut hochkarätigen Sextett, das sich aus Pianist Herbie Hancock, Altsaxophonist Jackie McLean, Tenorsaxophonist Hank Mobley, Bassist Larry Ridley und Drummer Billy Hart zusammensetzte. “Bekannt ist diese Session vor allem deshalb, weil Lee Morgan hier erstmals seine wunderbare Ballade ‘Ceora’ vorstellte”, schrieb Scott Yanow im All Music Guide. “Aber eigentlich sind alle fünf Nummern schlechthin unvergesslich […] ein Blue-Note-Klassiker, der wärmstens empfohlen werden kann.” Neben vier eigenen Kompositionen des Trompeters – das funkige Titelstück, das eindringliche “Our Man Higgins”, die lyrische Ballade “Ceora” und “Most Like Lee” – interpretierte das Sextett hier außerdem den Standard “Ill Wind”.
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